Vincelot und der Feuerdrache
- Coppenrath
- Erschienen: November 2012
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Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Ein fürchterlicher Drache, ein böser Zauberer und eine ganze Bande von Räubern bedrohen das Königreich. Jetzt ist es an der Zeit, dass der kleine Knappe Vincelot seinen Mut beweisen, Prinzessin Paula retten und zum Ritter aufsteigen kann. Was wie eine altbekannte Geschichte klingt, ist viel mehr: eine gekonnte Persiflage auf Rittergeschichten und die "männlichen" Grundwerte unserer Gesellschaft. Hier dürfen selbst Könige weinen.
Eine Rittergeschichte - die Handlung
Volk und Ritter sind auf dem Burghof versammelt und hören den König, der soeben einen Drohbrief von Fürst Finster und seiner Bande erhalten hat. Seit geraumer Zeit plündern die Räuber die Gegend und verbreiten mit ihrem gefährlichen Drachen Angst und Schrecken. Nun soll auch noch Prinzessin Paula entführt werden. Der König bricht weinend zusammen und bittet die Ritter um Hilfe. Während Knappe Vincelot sein Zauberholzschwert Jaber um Ruhe bittet - denn der König mag keine Magie! - meldet sich Ritter Roland, Vincelots Vetter und Meister, unter dem Hohn der anderen zur Stelle. Vincelot gefällt sich nicht in der Rolle des tapferen Kriegers, befiehlt aber seinem jammernden Schwert - das seinen Namen vom ewigen "Ja, aber" sagen hat - sich seiner Aufgabe zu stellen.
Am nächsten Morgen reiten Roland und Vincelot, auf Pferd und Esel, los in ihr Abenteuer. Sie begegnen Menschen, die mit Hab und Gut aus ihrem brennenden Dorf fliehen. Hinten liegt der Berg der Bosheit, in dem der Drache hausen soll. Als sie ankommen, ist der Weg vom Feuer versperrt: Ritter Roland nutzt die Gelegenheit und legt sich schlafen. Vincelot aber springt in einem günstigen Moment trotz Jabers widerwilliger Schreie in die Höhle. Im Inneren verwandelt sich das Holzschwert in ein scharfes funkelndes Metallschwert mit einem glänzenden Rubin. Um wieder hinaus zu finden dröselt Vincelot sein Kettenhemd auf.
Bald werden sie von einem riesigen Schatten überrascht, der zu einem ganz kleinen erkälteten todtraurigen und angeketteten Drachen gehört, der in einer Ecke nah am Lagerfeuer kauert. Im Gespräch stellt sich heraus, dass er von Fürst Finster festgehalten wird und weder Feuer spucken noch Angst verbreiten kann und will. Vielmehr ist er auf der Suche nach Freunden, die er schließlich in Vincelot und Jaber findet.
Natürlich kommen jetzt die Schurken. Nach einem langen Zögern springt Jaber in die Presche, durchschlägt die Kette und pikst den Drachen in die Nase. Durch sein Niesen verwandelt dieser das kleine Lagerfeuer in eine wahre Feuersbrunst. Die Ritter fliehen. Das Gold wird gefunden. Am Ausgang: wartet Fürst Finster. Wieder ist es das Schwert, das das Unheil abwendet.
Der schlaftrunkene Roland erschrickt über den Drachen, der Vincelot begleitet, freut sich dann über den Erfolg und überlegt den ganzen Heimweg wie er sich als Held darstellen könnte. Vincelot wird zum Ritter geschlagen, der lächelnde Drache in das Wappen des Königreichs integriert und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Eine Rittergeschichte? - Persiflage auf Männlichkeit und Heroentum
Vincelot und der Feuerdrache bedient sich bekannter Handlungsmuster, zitiert sprachliche Klischees und spielt mit Stereotypen, aber der Kniff dabei ist, dass die gewitzte Persiflage im Vordergrund steht. Das Bilderbuch bietet zwar auch die Spannung und den Spaß einer traditionellen Rittergeschichte, jedoch stellt es die Werte des Rittertums auf den Kopf und bricht mit der Darstellung von geballter Männlichkeit und Stärke. Für jene, die sich darauf einlassen wollen, bietet der Band zudem die Möglichkeit Bezüge zur Literaturgeschichte und antiken Mythologie zu entdecken, die auch uns Erwachsenen vielfach Grund zum Schmunzeln oder Lachen geben können: z.B. trägt Vincelots Esel Pegasus den Namen des beflügelten Pferdes, das gegen die Amazonen kämpfte, wobei der Knappe auf dem Esel wohl eher an Don Quichote erinnern mag.
Auf der Vorderseite des Buches schaut uns der mutige Vincelot entgegen: der metallene Reliefdruck von Helm, Schild und silberner Klinge des finster blickenden Schwertes verstärkt den Tiefeneindruck des Bildes und vermittelt die Kampfbereitschaft des Helden. Auf der rechten Seite sehen wir den gefährlichen Riesendrachen, der Vincelot Feuer entgegen speit. Von der anderen Seite rückt die Räuberbande heran und im Hintergrund liegt die Burg Drachenfels umgeben von brennenden Dörfern. Ja aber, was folgt ist keine Hymne an Mut und Heroentum. Vincelots Zauberschwert ist aus Holz und will viel lieber Kuchen anschneiden, als kämpfen. Wegen seines ewigen "Ja aber..." heißt das Schwert Jaber: "Ja, aber ... Müssen wir denn unbedingt kämpfen?" Vincelot versucht nur tapfer zu klingen, der König - der von seiner Tochter "Papa" genannt wird - bricht aus Verzweiflung in Tränen aus, und die gestandenen Ritter sind zu feige um in den Kampf zu ziehen. So richtig mutig ist hier eigentlich keiner: Roland schläft lieber und denkt sich dann Geschichten über die Heldentat aus, der arme kleine kranke Drache will beschützt werden, Jaber springt nur im letzten Moment - eher in Panik als aus Mut - rettend ein, und selbst Räuber und Zauberer rennen lieber weg als sich mutig dem Kampf zu stellen. Kein Wunder, dass das Kettenhemd "gestrickt" ist und sich aufdröseln lässt.
Vieles ist in Bezug auf Mittelalter und Rittertum historisch unmöglich, aber selbst dieser Bezug ist im Band geboten und zwar in den bunten, kontrastreichen Bildern! Die Illustrationen sind sehr bewegt, frieren die Figuren in Handlungen ein und stellen das mittelalterliche Leben aus: Hufe werden beschlagen, Feuer angefacht, gerüstete Wachen stehen an den Toren, Fanfaren erklingen und die Bewohner eines brennenden Dorfes ziehen mit Sack und Pack in einer Karawane in die Ferne. Die Lebhaftigkeit der Darstellung wird sicher die meisten Kinder zum Nachfragen bringen - und dabei lässt sich dann noch einiges über die damalige Zeit erklären und lernen. Die typografischen Spiele und die Abbildung einer auf alt getrimmten Zeichnung der Burg Drachenfels verleihen dem Buch einen erlebnishaften Flair. Die metallenen Reliefs laden zum Anfassen ein und glänzen edel.
Der Sprachwitz, der sich durch das ganze Buch zieht, zeigt sich schon an den Namen der Figuren. "Vincelot" hört sich bekannt an - wohl wegen Lancelot - aber ist es Zufall, dass das Wort "winzig" mitklingt? Prinzessin Paul(a) spielt am liebsten Ball und ist zwar wunderhübsch, aber eben nicht das typische Prinzesschen. Die Alliterationen ziehen sich weiter: da ist Fürst Finster und im Berg der Bosheit liegt PurPur - der arme Drache - in den Ketten. Das schönste Beispiel für die sprachliche Verspieltheit des Buches ist sicherlich der Moment, in dem Fürst Finster mit einem Hexenspruch Vincelot und PurPur in Steinen verschütten will und Jaber ihm "das Wort abschneidet". Vor Angst ruft der Zauberer die Räuber zu sich und beendet damit den Spruch mit den falschen Worten "zu mir, zu mir".
Spiel, Spaß und Spannung für kleine Ritter!
Das breite Merchandising Programm der Spiegelburg (von Hörspiel und Puzzle bis zu Schild und Schwert) wird sicher seine Fans finden, denn Vincelot und der Feuerdrache ist ein Erfolgsbuch, das ausnahmsweise sogar richtig Tiefe und Biss hat. Die Leser werden gleich auf der Innenseite des Deckels mit ins Boot geholt, denn hier kann man eintragen: "Dieses Buch gehört Ritter ___________". Und wer sollte denn nun hier zum Ritter geschlagen werden? Der Altersempfehlung des Verlags (3-6 Jahre) ist mit zwei Hinweisen zuzustimmen: erstens ist es nicht gut geeignet für Kinder, die sich gar zu leicht fürchten (Spannung wird aufgebaut aber auch immer wieder gebrochen) und zweitens macht es auch noch weit über das sechste Lebensjahr hinaus Spaß dieses Buch zu lesen.
Fazit:
Eine meisterhafte Persiflage auf Rittergeschichten, die mit ihren lebendigen Bildern, intensiven Farben und gelungenem Sprachwitz jeden bestechen wird!
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