Emmi und das Jahr, in dem Weihnachten an Ostern begann
- Fischer Schatzinsel
- Erschienen: November 2012
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Es ist schon ein starkes Stück, was Emmi da durchmachen muss. Der lang ersehnte Traum vom eigenen Hund platzt wie eine Seifenblase. Dann muss sie auch noch befürchten, ihre Mutter bald mit einem finnischen Hünen teilen zu müssen. Dabei würde sie viel lieber ihren richtigen Vater an der Seite der Mutter sehen. Bei so viel Durcheinander kann die Welt einer 11jährigen schon mal aus den Fugen geraten...
Doch nun der Reihe nach: Emmi lebt mit ihrer Mutter in Deutschland. Die spontanen Ideen ihrer Mutter sind oft ähnlich verrückt, wie der Beginn der Geschichte: Es ist der erste Tag der Osterferien und Emmi und ihre Mutter sitzen in einem Flugzeug nach Helsinki. "Ein verspätetes Weihnachtsgeschenk", stand in Schnörkelschrift auf der Karte, die vor zwei Wochen unter dem Weihnachtsbaum, oder besser gesagt unter dem Weihnachtsbaumgerippe, lag. "Gutschein für etwas Tolles in Finnland", stand dort weiter.
Emmi ist felsenfest davon überzeugt, dass in Finnland ihr lang ersehnter Wunsch in Erfüllung gehen wird und sie endlich ihren eigenen Hund bekommen wird. Irgendwann hatte Emmi eingesehen, dass es für den Weihnachtsmann zu schwierig ist, ihren Vater zurückzubringen und von da an hatte sie sich einen Hund gewünscht. Und was lag all die Jahre unter dem Weihnachtsbaum: Stofftiere, Bücher über Hunde oder eine Jahreskarte für den Zoo. Warum sonst sollte ihre Mutter so ein Geheimnis um diese Reise nach Finnland machen? Natürlich würde sie endlich einen Hund bekommen. Schließlich gibt es im Norden einige der schönsten Hunderassen. Doch alles kommt ganz anders.
Komisch, dass sie am Flughafen in Helsinki ein hünenhafter Finne erwartet, für den ihre Mutter kurz vor der Landung in zarte Sandalen schlüpft, obwohl der finnische Winter mit einer meterhohen Schneedecke aufwartet. Und warum schmeißt sich ihre Mutter in die Arme dieses Riesen?
Anfangs scheint für Emmi alles perfekt zu laufen: Der Riese entpuppt sich als Züchter von Schlittenhunden und Emmi ist sich sicherer denn je, dass sie ihrem Traum zum Greifen nahe ist. Doch dann nimmt die Katastrophe ihren Anfang: Der Hüne entpuppt sich als neuer Freund ihrer Mutter und was noch viel schlimmer ist, ihrer Mutter hat diese Reise nur eingefädelt, um Emmi den neuen Mann zu präsentieren. An einen eigenen Hund ist damit nicht mehr zu denken!
Auch Jari, der Sohn des Finnen, ist nicht begeistert von der neuen Freundin seines Vaters und gemeinsam schließen die Kinder einen Pakt. Während Jari sich darum kümmern soll, die beiden verliebten Eltern auseinander zu bringen, soll Emmi ihm einen Wunsch erfüllen. Von nichts träumt er mehr, als von einer Hundeschlittentour. Da er aber im Rollstuhl sitzt, erlaubt ihm sein Vater solch eine riskante Tour nicht. Und so nimmt das große Abenteuer seinen Lauf - und auch das natürlich nicht ganz planmäßig.
Es ist ein Urinstinkt, um den sich "Emmi und das Jahr, in dem Weihnachten an Ostern begann" rankt: Die tiefe Sehnsucht nach einer intakten Familie mit Mutter und Vater, kombiniert mit der Eifersucht und Angst, den einzigen Menschen, den man hat, an jemanden anderen zu verlieren. Auch wenn das Thema nicht unbedingt neu und ist und schon viele Kinder- und Jugendbücher füllte, so ist es Angelika Glitz doch gut gelungen, durch die einfühlsame Darstellung der kindlichen Gedankenwelt und damit die seelische Situation der Hauptfigur nach außen zu tragen.
Angelika Glitz lässt die Kinder ihres Buches wie normale 11 Jährige sprechen, ohne überzustrapazieren oder anstrengend zu klingen. Die kleinen Stänkereien mit dem gleichaltrigen Jari, die Eifersüchteleien gegenüber dem neuen Freund der Mutter und das Zusammenspiel von Wut und Liebe gegenüber der Mutter, werden in eine lebensnahe Sprache verpackt. Der Autorin gelingt es, sowohl mit natürlicher Sprache die Hochs und Tiefs der Gefühlslagen, als auch mit humorvollen Sprüchen, die Komik so mancher Situationen überzeugend rüber zu bringen.
Die emotionale Achterbahn, die im Inneren des Mädchens tobt, gepaart mit Schlittenhunde- Abenteuern in der verschneiten Wildnis machen das Buch zu einem "realistischen" Abenteuerbuch. Ohne Magie, Hexen oder Zeitmaschinen scheint es uns zu sagen: "Das könnte auch deine Geschichte sein!"
Die schwarz-weißen Vignetten von Gerda Raidt, die ein jedes der 22 Kapitel einleiten, machen das Buch zu etwas besonderen: Schlittenhunde, die durch verschneiten Winterlandschaften jagen, dicke Fellmützen, die am Kinn festfrieren und gemütlich beleuchtete Holzhäuser mitten im Wald. Raidt bringt uns mit ihren Zeichnungen den Frost und lässt mit präzisem Strich das gemütliche Feuer knistern. Wenn die Sprache der Autorin für die Spannung zuständig ist, so sind es die Tuschezeichnungen, die die Stimmung transportieren und uns Lesern mal wieder vorführt, dass wir nur ein kleiner Teil dieses großen verschneiten Universums sind.
Fazit:
"Emmi und das Jahr, in dem Weihnachten an Ostern begann" ist eine perfekte Einstimmung auf die Winter- und Weihnachtssaison. Es lädt dazu ein, in Decken gehüllt und vor dem Kamin sitzend einfach nur zu schmökern.
Angelika Glitz, Fischer Schatzinsel
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