[ab 5 Jahren]
Nicht jeder fühlt sich im Scheinwerferlicht wohl. Wenn es aber jemanden gibt, der ganz fest an einen glaubt, lässt sich auch diese Angst überwinden.
Ein kleiner Junge singt seinem Bruder leidenschaftlich gern vor. Zunächst nur Lieder, die jeder kennen würde, später dann mit großer Vorliebe selbst ausgedachte Lieder. Dabei hat es ihm besonders ein Lied, welches sich der Junge speziell für den Bruder ausgedacht hat, angetan und bringt ihn immer wieder zum Lachen. Singen ist also kein Problem, so lange es privat bleibt. Doch dann soll der Junge beim Frühlingsfest in der Schule auf der Bühne stehen. Das will er überhaupt nicht und als er sich vehement weigert, bittet in die Lehrerin, nur den Schlusssatz zu sagen. Doch schon bei den Proben bringt der Junge kein Wort über die Lippen, bis er den Satz schließlich viel zu leise und sehr hastig ausstößt. In der Nacht vor der Aufführung kann der Junge kaum einschlafen. Er wälzt sich im Bett umher und träumt schlecht von Monstern, die ihn auffressen. Beim Frühstück bekommt er keinen Bissen herunter und kann die Vorfreude seiner Eltern gar nicht teilen. Auch das freudige "Singen, singen!" seines Bruders macht ihn nicht froh.
Dann beginnt die Aufführung. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt und alle Kinder singen und lachen und haben Spaß auf der Bühne. Der Junge steht in seinem Maulwurfskostüm daneben. Ihm ist schlecht, außerdem kann er sich vor Aufregung plötzlich auch gar nicht mehr an seinen Text erinnern. Also flüchtet er sich in die Garderobe und will von dort gar nicht mehr weg. Er hat Angst und schämt sich, ist gleichzeitig aber auch wütend über sich selbst und seinen geringen Mut. So findet ihn sein kleiner Bruder und will den kleinen Maulwurf auf die Bühne ziehen. Und dort in der Garderobe sitzend, Hand in Hand mit seinem Bruder, ist der Junge plötzlich gar nicht mehr so allein. Und als der kleine Bruder schließlich sagt, dass er mit seinem großen Bruder, dem besten Sänger der Welt, auf die Bühne gehen will, um zu singen, rafft sich der Junge auf. Und so gehen sie gemeinsam auf die Bühne und der Junge sagt klar und deutlich den ihm übertragenen Schlusssatz. Und gerade, als der Applaus beginnt, gibt er seinem Bruder noch eine ganz besondere Zugabe und singt ihm vor dem vollen Saal ihr Lied und, wenn er gedurft hätte, noch viel mehr.
Wer kann sich wohl nicht an Situationen erinnern, in denen man vor vielen Leuten stand (oder wußte, dass man vor ihnen stehen muss) und schon verließ einen der Mut? Der Liedtext, den man in- und auswendig konnte, ist wie weggepustet und selbst der zu Hause albernste Clown steht verschüchtert und ängstlich auf der Bühne. Ganz klar, dass in solchen Momenten nur eine gehörige Portion Mut und Selbstvertrauen hilft, und die kann fast jeder geben, selbst der kleinste Bruder. Sehr schön zeigt dieses Buch, dass nicht viel dazu gehört, "nur" warme und aufrichtige Worte und schon ist viel erreicht.
Dabei ist besonders die Darstellung des Konfliktes, in dem sich der kleine Junge befindet, sehr gelungen. In der Ich-Perspektive geschrieben erzählt der Junge seine Geschichte und lässt die Leser seine Zwickmühle gut nachempfinden. Das ungute und unzufriedene Gefühl verstärkt sich kontinuierlich mit dem Fortschreiten der Handlung, der Stein im Magen wird von Seite zu Seite größer, bis er in der Garderobe den Jungen zu Boden zu drücken droht. Jeder kennt den inneren Konflikt, der einen in solchen Situationen gefangen hält, die Abwägung des Für und des Wider, den Versuch, die eigenen Gefühle mit rationalen Gedanken in den Griff zu bekommen. Doch manchmal bedarf es trotzdem noch des äußeren Einflusses, bedarf es eines Helfers, der bedingungslos an einen glaubt, den Stein aufhebt und leichtfüßig davon trägt. Es ist schön, dass Ulf Nilsson dafür nicht eine größere und stärkere Person gewählt hat, sondern deutlich macht, dass auch Jüngere und Kleinere Mut und Selbstvertrauen verleihen können und dieses nicht immer nur von Eltern, Lehrern o. Ä. vermittelt werden kann.
Mit viel wörtlicher Rede erzählt und wahrhaft wie aus Kindermund ist die Geschichte nicht nur spannend, sondern auch kurzweilig. Immer wieder gibt es Textpassagen zu entdecken, die zum Schmunzeln anregen, weil sie bekannte Situationen so eindrücklich und plastisch schildern, wie z.B die zwei Brüder, die sich bei ihren selbstgedichteten Liedern köstlich amüsieren.
Eva Eriksson hat dazu den perfekten illustrativen Mitspieler geschaffen. Ihre Figuren sind sehr ausdrucksstark und überzeugend und transportieren die geschilderte Situation gut auf der bildlichen Ebene. Es dominieren gedeckte Farbtöne, die der Thematik eine ernsthafte Stimmung verleihen, ohne jedoch gedrückt zu wirken.
Fazit:
Es braucht so wenig, um jemandem Mut und Selbstvertrauen zu geben und ihn über sich selbst hinauswachsen zu lassen - eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Vertrauen, überzeugend erzählt und wunderschön bebildert.
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