Keine Angst vor Ungeheuern
- Sauerländer
- Erschienen: August 2012
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Wer kennt das nicht? Manchmal ist man einfach ungeschickt oder tolpatschig. Manchmal denkt man ein bisschen langsamer und versteht nicht alles sofort. Und wird dafür ausgelacht und ausgeschimpft. So geht's auch Michel. Aber dann wird er zum Held ...
"Trottel", "Holzkopf", "Dussel" - das sind nur einige der Schimpfworte, die sich Michel immer wieder gefallen lassen muss. So meckert zum Beispiel seine Mutter, wenn er beim Naschen einen Topf auf den Boden fallen lässt. Oder der Nachbar, wenn dem Jungen beim Schafehüten die Tiere ausbüxen und in den Blumengarten nebenan einfallen. Oder auch die Lehrerin, wenn er aus zwei plus zwei fünf macht. Kein Wunder, dass sich Michel oft einsam fühlt, ungeliebt und zu nichts nütze.
Während er eines Tages alleine durch den Wald stromert, ertönt ganz in der Nähe plötzlich ein markerschütternder Schrei: "Monster!". Ein Holzfäller hat das Ungeheuer entdeckt und schnell laufen alle um ihr Leben. Dabei rufen sie laut um Hilfe und wünschen sich einen Held, der sie vor dem Monster rettet. Doch schnell ist allen klar, nur ein Trottel, ein Dussel, ein Depp würde sich dem Vieh in den Weg stellen. Da stutzt Michel - sagen nicht immer alle, er wäre genau das? Ist er vielleicht ein Held? Ist es genau das, wozu er gut ist? Und während sich alle auf die königliche Burg retten, stellt sich der furchtlose Michel dem Ungeheuer entgegen und warnt ihn, er sei ein Depp und ein Doofmann. Da geschieht etwas unerwartetes: Das riesige Ungetüm wirkt auf einmal überhaupt nicht mehr gefährlich, sondern nur noch traurig. Denn das Monster erkennt die Schimpfworte, es sind dieselben, mit denen es selbst verspottet wird. Die beiden Außenseiter freunden sich an und Michel wird tatsächlich als Held gefeiert.
Keine Frage: Jeder, ob groß oder klein, findet sich in Michel augenblicklich wieder. Denn wohl jeder von uns ist schon als Doofmann oder Trottel beschimpft worden und kennt diese Mischung aus Scham, Trauer und Einsamkeit, die oft damit einhergeht. Auch Drei- oder Vierjährige erkennen sich wieder - und erleben unmittelbar, welche emotionalen Auswirkungen leichtfertige und vielleicht gar nicht immer ernst gemeinte Beschimpfungen haben können. Dass man, wie der Protagonist, manchmal sogar zu dem wird, zu dem einen andere abstempeln. Es ist ein Lernprozess für jeden, dass es einfach okay ist, so zu sein, wie man ist.
Doch bevor hier womöglich der moralische Zeigefinger winken kann, tritt das Monster auf die Bildfläche. Und das ist so umwerfend ausdrucksstark, dass der pädagogische Nutzen der Geschichte eher unauffällig und von den kleinen Lesern unbemerkt geschluckt wird. Was hat die Geschichte denn auch für ein tolles Ende: Der tolpatschige Außenseiter gewinnt ein riesiges Monster als allerbesten Freund!
Die originelle Geschichte wird wunderschön untermalt - im wahrsten Sinne des Wortes - von den liebevollen Illustrationen von Chris Wormell. Eine großartige Idee: Statt Gänsefüßchen für die Texte der einzelnen Protagonisten gibt's hier Sprechblasen. In denen des großen Monsters stehen nur Großbuchstaben, klar. Wenn der Holzfäller seinen Warnschrei ausstößt, zieht sich die Sprechblase mit gezacktem Rand und fettgedruckter Schrift über fast die ganze Seite.
Fazit:
Die Geschichte ist ganz auf die Leser im Kindergartenalter und deren Sorgen zugeschnitten. Ganz wie es die Art von Chris Wormell ist, werden die jungen Leser mit seinen lebendigen Illustrationen und seiner Erzählfreude humorvoll und sanft an ein schwieriges Thema herangeführt. Ein originelles Bilderbuch mit einem pointierteren Ende.
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