A.L.F. - Jona als Experte für Außerirdische und ihre Lebensweise weiß ganz genau, was diese Abkürzung bedeutet. Und er ist sich sicher, dass Außerirdische unter uns Menschen sind, um unser Leben kennen zu lernen. Sein großes Wissen hilft ihm sofort zu erkennen, dass sein neuer Mitschüler Henri A.L.F. ist. Mit großer Spannung lernt er Henris "andere" Welt kennen....
Schon lange geht der 9-jährige Jona mit offenen Augen durch die Welt - und er erkennt viele Zeichen, die auf A.L.F. hinweisen. A.L.F. - das steht für Außerirdische Lebensform. Auf dem Fachgebiet über Außerirdische und ihren galaktischen Kosmos ist er zum Experten geworden, in der Bibliothek gibt es kein Sachbuch, das er noch nicht in den Händen hielt. Und er ist sich sicher, dass es auf der Erde eine Menge Außerirdische gibt, die getarnt unter uns leben. Leider hat sein Kennerblick ihn bislang immer getäuscht und die vermeintlichen Außerirdischen entpuppten sich als "normale" Menschen - die noch dazu auf seine merkwürdigen Begrüßungszeremonien erbost oder gar wütend reagierten.
Nie im Leben hätte er aber gedacht, dass ihm das Schicksal hinterher gelaufen kommt und er seinem außerirdischen Freund in der Schule begegnet. An einem ganz und gar gewöhnlichen Montag kommt er als neuer Mitschüler namens Henri in Jonas Klasse und erhält prompt den Platz an seinem Tisch. Mit seiner in sich gekehrten Art erscheint er Jona zunächst als gewöhnlicher unauffälliger Junge, doch dann kombiniert er richtig: das Federmäppchen mit Planeten bedruckt, die STAR WARS-Sticker auf allen Heften, die extreme Ordnung im Tornister - dieses Mal kann ihn sein Kennergespür nicht täuschen, hier hat er es mit einem übermenschlichen Wesen zu tun! Nach den bisherigen Reinfällen will er die Sache jedoch klar stellen und schreibt einen Zettel. "Hallo, Henri. Willkommen! Bist du A.L.F.?" Wenn dieser Henri wirklich ein Außerirdischer ist, dann wird er die Abkürzung ganz sicher kennen. Aufgeregt schiebt er den Zettel hinüber - und erntet ein verdutztes Gesicht von Henri. Es dauert eine Ewigkeit, bis er antwortet: "Halo Jonatan wie getz? Ja. Ich bin A.L.F." Seit Jahren hatte Jona auf diesen Satz gewartet und da steht er nun.
Klar, wenn Henri getarnt als gewöhnlicher Junge in die Schule kommt, dann wird sein Auftrag sein, das menschliche Leben zu erkunden. Was liegt da anderes näher, als einen fairen Tausch zu machen: Jona weiht Henri in das normale Alltagsleben ein und im Gegenzug berichtet Henri ihm von seinem galaktischen Leben! Jona ist voller Übereifer und überschüttet Henri mit seinem genialen Plan. Dieser schaut immer noch überrumpelt drein, willigt aber in Jonas Plan ein.
Um alle Erkenntnisse für die Menschheit festzuhalten ordnet Jona an, dass beide einen Forschungsbericht mit dem Inhalt "Ernährung, Lebensraum und Familie, Sprache, Sommerferien und Weihnachten, Feinde und Freunde" anlegen. Nur leider ist Henri nicht so kooperativ wie Jona es sich gewünscht hat... Gerne kommt er fast jeden Tag mit zu Jona nach Hause und staunt über die guten und herzlichen Lebensverhältnisse in seiner Familie. Eine Gegeneinladung erhält Jona aber nicht und auch ansonsten gibt Henri fast nichts von seinem Leben preis. Erst nachdem er an der Schule bekannter wird, erfährt Jona seinen Wohnort - und den wahren Grund seines Schweigens... Die Wahrheit über Henris Leben ist schmerzhaft; dabei ist es nicht die Erkenntnis, dass er gar kein Außerirdischer ist, die Jona traurig macht, sondern der Einblick in ein karges, armes Kinderleben, welches Henris Lebenswahrheit ist. In gewisser Weise hatte Jona also doch recht: Henri lebt in einer anderen Welt - auch wenn dieses Fremde aber wohl näher ist als er denkt.
Susann Opel-Götz hat mit "Außerirdisch ist woanders" ein herzbewegendes Kinderbuch geschrieben, das das Thema Freundschaft und soziale Unterschiede geschickt vermittelt. Im Zentrum dieses Buches steht Jona, der seine eigenen Erlebnisse dank seiner selbst benannten "Kurzfass-Schwäche" in Ich-Form wiedergibt. Durch seine umfassenden Kenntnisse zum Thema Außerirdische erkennt ihn der Leser schnell als pfiffigen, wissbegierigen Jungen, der selbst gegenüber Erwachsenen und seiner pubertierenden Schwester nicht auf den Mund gefallen ist. Doch selbst wenn er noch so sehr für die Existenz von galaktischen Wesen in unserer Welt plädiert, merkt der Leser bald, dass dieses eher eine Wunschvorstellung von Jona ist.
In seinen neuen Mitschüler hat er jedoch ein "Opfer" gefunden, das einige, selbst erdachte Merkmale eines Außerirdischen aufweist. Henri ist allerdings ein normaler Junge, der lediglich andere Charaktereigenschaften besitzt und in Lebensverhältnissen aufgewachsen ist, die ganz im Kontrast zu Jonas Leben stehen. Durch seine eigene Verschwiegenheit erfährt der Leser immer nur in Bruchstücken Details aus Henris Leben, die sich nach und nach zu einem traurigen Bild zusammenfügen: Er lebt in einer erbärmlichen Wohnung im sozialen Randviertel, seine Mutter ist Alkoholikerin und es fehlt oftmals das Geld, um Lebensmittel zu kaufen. Auch Jona muss immer mehr erkennen, dass die fremde Welt, aus der Henri kommt, nicht ein anderer Planet sondern in der gleichen Stadt zu finden ist. So hat diese Begegnung doch sein Weltbild verändert - und ihm einen Freund geliefert, den er unter anderen Vorzeichen nie näher kennen gelernt hätte.
Durch den gut strukturierten Aufbau, der von Jonas ausgewähltem Inhalt des Forschungsberichtes geleitet wird, zieht sich für den Leser ein roter Faden durch das Buch, der fast bis zum Ende unter dem Deckmantel, dass Henri ein Außerirdischer ist, verfasst ist. Somit gibt es viele witzige Stellen, die von Jona ganz klar galaktisch gedeutet werden, bei denen der Leser aber erschließt, dass bei Henri andere Eigenheiten vorherrschen. Opel-Götz schafft es auf diese Weise, ihre Leser langsam an Henris trauriges Leben heranzuführen und vermeidet mit den vielen witzigen Schilderungen aus dem Alltag der beiden Freunde eine allzu bedrückende Stimmung. Sie hat somit ein humorvolles und zugleich tiefsinniges Buch verfasst, dessen wahrer inhaltlicher und emotionaler Kern anhand des Titels und des Klappentextes gar nicht ersichtlich sind. Erst das selbstständige Lesen zeigt, wie sehr es bei "Außerirdisch ist woanders" um das Thema Freundschaft und die außergewöhnliche Kraft der Fantasie, die sowohl schützen aber auch die Wahrheit verstellen kann, geht.
Fazit:
Jona scheint für sein Expertenwissen über Außerirdische endlich belohnt zu werden - und lernt einen Jungen kennen, der aus einer fremden Welt kommt. Diese ist allerdings gleich um die Ecke und nicht im Weltall... Ein gelungenes Buch, das aufzeigt, dass ein Mensch nicht aufgrund seiner sozialen Lebensverhältnisse beurteilt werden sollte - und dass es immer spannend ist, wenn man auf andere Menschen neugierig ist.
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