Der Ruf des Kulanjango

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  • Erschienen: April 2012
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2012

Idee

Ein stimmungsvoller Roman mit überraschenden Wendungen und sympathischen Charakteren.

Text

Poesie pur bei der Beschreibung der Natur und der Tiere, durchweg aber frischer, kurzweiliger Erzählstil, nahe am Geschehen. Aus dem Englischen von Siggi Seuß.

Das Nest der Fischadler auf der Farm von Callums Familie soll unter allen Umständen geheim bleiben. Doch
Callum und seine Freundin Iona müssen sich schon bald Hilfe holen, um das verletzte Fischadlerweibchen zu retten. Zum Glück wissen auch Callums Familie und der Wildhüter, der dem Tier einen Sender anlegt, wie wichtig es ist, den Nistplatz der Wildvögel geheim zu halten. Die beiden Freunde freuen sich darauf, das Adlerweibchen auf ihrem Weg nach Afrika über Google Earth verfolgen zu können. Doch dann kommt alles anders und Callum muss allein die Sorge für den Vogel tragen ...

Plötzlich war Iona da. Callum und seine Freunde Euan und Rob entdecken sie, als sie im Fluss mit bloßer Hand eine Forelle fängt. Callum, der Robs abweisende Haltung dem Mädchen gegenüber nicht gut heißen kann, nimmt Kontakt zu Iona auf - und sie weiht ihn in ihr großes Geheimnis ein. Sie hat hat dem Land seiner Farm ein Fischadlernest entdeckt. Von ihrem gut verborgenen Versteck auf einem Baum können sie beobachten, wie sich ein Weibchen dem dem Nest nähert. Zunächst sieht es fast danach aus, als würde es die Baukünste des Adlermännchen nicht für ausreichend halten. Doch dann landet sie tatsächlich auf dem Horst und für Callum und Iona beginnt ein wunderbarer Sommer. Sie genießen ihre Freiheit und beobachten glücklich, wie das Junge wächst und gedeiht. Als das Weibchen sich eines Tages in einer Angelschnur verfängt und sich am Fuß verletzt, müssen sie Hilfe holen. Der Wildhüter unternimmt die richtigen Schritte, die Bergung des verletzten Tieres gelingt und "Iris", so nennt Iona das Fischadlerweibchen, erhält einen Sender. Einen magischen Moment lang hält Callum das Tier in seinen Händen - ihre Blicke treffen sich - dann entlässt er den stolzen Wildvogel in die Freiheit. Für Callum und für Iris ein Moment, der sich tief in ihrem Bewusstsein einbrennt.

Iona und Callum sind froh, dass Iris nun einen Sender trägt, mit dem sie ihre lange Reise in ihr Winterquartier in Afrika verfolgen können. Noch immer gilt es, das Nest geheim zu halten. Dabei entfernt sich Callum immer weiter von seinen Freunden Rob und Euan, die Iona, die neu in ihre Klasse gekommen ist, mit allen Mitteln versuchen zu schikanieren. Callum wendet sich schließlich ganz Iona zu. Er erfährt von ihrer schwierigen Familiensituation und schon bald wird Iona Teil seiner Familie, die sie mit offenen Armen aufnimmt. Iona feiert einen unbeschwerten Geburtstag im Kreise von Callums Familie und sie planen, eine Nacht in ihrem Geheimversteck zu verbringen, ehe das Weibchen weiterzieht. Doch durch einen schweren Schicksalsschlag kommt plötzlich alles anders und Callum muss Iona versprechen, von nun an allein auf Iris aufzupassen.

Schließlich, wenn auch zunächst widerstrebend, vertraut sich Callum seinen Freunden Rob und Euan an. Gemeinsam verfolgen sie Iris´ Flug durch Wüsten und Gebirge, bis sich ihre Spur in einem Sandsturm verliert. Callum ist zunächst überglücklich, als er Iris wieder orten kann doch dann verschwindet sie spurlos in den Mangrovensümpfen von Gambia. Da er ihr nicht folgen kann, muss sich Callum etwas einfallen lassen. Er schreibt verschiedene Organisationen an, zunächst vergebens, doch dann meldet sich ein Mädchen namens Jeneba aus einem Hospital, die verspricht zu helfen. Die Kinder schreiben sich zahlreiche e-mails und die Jungen erfahren viel über das Leben Jenebas und das der Menschen in dem kleinen Dorf. Doch dann wird Callum und seinen Freunden klar, dass Jeneba selbst dringend Hilfe braucht und setzen alles in Bewegung, um dem Mädchen zu helfen...

Gill Lewis erzählt in ihrem Kinderbuch-Debüt "Der Ruf des Kulanjango" eine berührende Freundschaftsgeschichte, die in ihrer Vielschichtigkeit und ihren überraschenden Wendungen überzeugt. Die freischaffende Autorin, die mit ihrer Familie in Somerset im Südwesten Englands lebt, hat schon als Kind Tiere geliebt und im Gartenschuppen ihrer Eltern Mäuse, Vögel und andere Kleintiere versorgt. Später studierte sie Tiermedizin und war schließlich als Tierärztin tätig. Ihre Geschichte zweier Kinder, die über die Entdeckung der Fischadler zu Freunden werden und einander schwören, dass sie jedes Leid von ihren Schützlingen fernhalten, erschien im Original unter dem Titel "Sky Hawks" und wurde sogleich in 20 Sprachen übersetzt.

Gill Lewis´ Sprache und die Atmosphäre,die sie mit leichter Hand erschafft, nimmt seine Leser auf Anhieb mit in die Weiten der schottischen Landschaft, mit ihren glitzernden Seen, Bergen und steinigen Schluchten. Bereits im Prolog findet sich ein Vorgeschmack auf diese intensive Reise, die wir mit dem Protagonisten Callum unternehmen und kündigt an: "... Das Muster dieser Landschaft ist tief in ihrem Gedächtnis eingegraben. Sie lässt sich von den Strömungen der Luft tragen, die sich über die Berge winden wie Stromschnellen ... Sie kommt".

Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Das Buch besteht nicht nur aus diesen poetischen Ausführungen. Auf frische, ursprüngliche Weise bleibt Gill Lewis im Verlauf der Handlung nahe am Geschehen. Gefühlvoll aber nicht allzu pathetisch hält sie sich mit wenigen, aber dafür umso intensiveren Beschreibungen auf, was die Geschichte kurzweilig voranschreiten lässt. Sie hält jedoch inne, in Momenten, die für den Zwölfjährigen bedeutsam sind. Es ist seine Sicht auf die Geschehnisse, durch die wir seine Geschichte erleben. Callum erzählt ebenso von seinem ganz normalen Alltag - von seiner Familie und seinen Freunden - wie auch von seiner Heimat, die für ihn Freiheit und Abenteuer bedeuten und zugleich die heimelige Gemütlichkeit eines Farmhauses. Die Geborgenheit, die Callum in seiner Familie findet, ist auch für den Leser ein beruhigender Moment, denn die Geschichte nimmt so manche unerwartete Wendung.

Unversehens katapultiert uns Iris´ Reise schließlich nach Afrika. Während in Callums Heimat die Winterstürme toben, sind die herzlichen und oftmals witzigen e-mails von Jeneba aus Gambia ein wohltuender Kontrast. Dies eröffnet einen ganz neuen, ungeahnten Handlungsstrang. Gerade zum Ende der Geschichte hin wechseln sich die verschiedenen Spannungsbögen so rasant ab, dass man das Buch sicherlich nicht eher zur Seite legen wird, bis das Ende erzählt ist.
Auch die Erlebnisse und "Betrachtungen" des Adlerweibchens, die Gill Lewis mit ihren Worten, aus einer beobachtenden Perspektive heraus wiedergibt, zeigen intensive Einblicke, die zum Zauber der Geschichte beitragen. Die Perspektive des Adlerweibchens ist durch kursive Schrift gekennzeichnet und findet sich nur an wirklich entscheidenden Punkten der Geschichte.

Dabei gelingt es Gill Lewis, eine ganze Reihe interessanter Einzelheiten über die seltenen Greifvögel zu vermitteln. Durch Callums Blick und durch seine Sinneseindrücke erlangt der Leser eine Vorstellung von der Kraft und der Schönheit der Adler - aber auch von ihren beeindruckend effektiven Jagdwaffen, ihren Krallen.

Gleichzeitig weckt sie mit ihrem Roman die Bewunderung ihrer Leser für Callums Mut und seinem unbedingten Willen, niemals aufzugeben. Sie lässt sie - wenn auch vielleicht an manchen Stellen etwas zu "weichgespült" - an der Freude teilhaben, dass Callums Weg durch die Hilfsbereitschaft so vieler Menschen, seien sie auch noch so verschieden, zu einem echten Happy End führt. Vor allem zeigt sie aber einen tapferen, liebenswerten Jungen, der in seiner Treue zu seiner Freundin und seinem wilden Schützling so manche scheinbar unbezwingbare Hürde zu nehmen weiß.

Fazit:

Gill Lewis erzählt in ihrem Kinderbuch-Debüt "Der Ruf des Kulanjango" eine vielschichtige, spannende und berührende Freundschaftsgeschichte, die trotz aller Rückschläge der Kraft der Hoffnung Flügel verleiht.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Der Ruf des Kulanjango

Gill Lewis, dtv

Der Ruf des Kulanjango

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