Das Prinzenkind, ein Buch, das uns vom ersten Augenblick an einhüllt in ein magisches Ambiente, das besticht und begeistert durch seine fantastischen Bilder. Leider erzählt es eine Geschichte, die so gar nicht zu dem Zauber, den die Bilder versprühen, passen will.
Ein neuer Tag bricht an, und es muß ein ganz besonderer Tag sein, denn unter den Tieren herrscht Unruhe. Sie machen sich auf den Weg, alle tragen ihren schönsten und wertvollsten Schmuck, ihr Fell ist verziert mit Federn, Muscheln, Steinchen. Ornamente in schillernden Farben auf Schnäbeln, Haut oder Fell verleihen ihnen eine abstrakte, fast gespenstische Schönheit. Von überall her kommen die Tiere in friedlicher Absicht, ein jedes trägt ein wertvolles Geschenk mit sich. Manche haben ein Lied oder ein Kunststück einstudiert, andere möchten etwas verschenken, das ihnen besonders viel bedeutet.
Wir begleiten einige Tiere ein Stück ihres Weges zum geheimnisvollen Ziel - worauf bereiten sie sich wohl so gewissenhaft vor? Welches Ereignis regt so sehr ihre Fantasie an, beflügelt sie? Nach und nach wird es klar, sie alle sind gekommen, um das neugeborene Prinzenkind zu sehen und zu begrüßen. Am Ende der Reise werden sie belohnt: dort sitzt es - majestätisch - ein Fröschlein mit winzig kleiner Krone, auf einem Seerosenblatt in der Mitte des Sees.
Das Prinzenkind von Maranke Rinck gehört zu jener Sorte Buch, das auf Grund seiner herausrragenden Bilder sofort in seinen Bann, zieht. Beginnend bei dem bestechend in Szene gesetzten Umschlagbild bis zur letzten Seite, die ein winzig kleines Prinzenkind auf einem Seerosenblatt vor der gewaltigen Kulisse der versammelten Tiergemeinde zeigt, begleitet ein Zauber jede einzelne Szene. Auf den ersten Blick wirken die Bilder so realistisch als handele es sich um Fotografien. Beim genaueren Hinsehen aber sieht man deutlich Pinselstriche und Schraffuren.
Auf jeder Doppelseite wird ein Tier großformatig, detailliert und in seiner Art typisch und unverkennbar dargestellt. Die schillernde Aura, die den Blick des Betrachters fesselt, wird kreiert durch eine ausgewogene, einfühlsame Farbkomposition, durch ausgefallene Ornamente, Schmuck, Federn oder auch Kopfbedeckungen die die Tiere schmücken. Fast wirkt alles befremdlich, die Tiere scheinen vermenschlicht, aber dennoch, die Faszination am Dargestellten bleibt. Sehr effektvoll auch der Kontrast zwischen dem oft sehr verwaschenen Hintergrund und den scharfen Konturen der im Vordergrund stehenden Tiere. Genüßlich saugt der Betrachter die geheimnisvolle, romantisch-verklärte Stimmung die diese Bilder ihm bereiten in sich auf - und die erzählte Geschichte wird zunächst einmal in den Hintergrund gedrängt.
Wendet man sich aber dann voller Erwartung und Ungeduld dem Text zu, so steht eine herbe Enttäuschung bevor. Verschiedene Tiere werden ein Stückchen auf ihrem Weg zum Treffpunkt begleitet und der Leser bekommt Einblick in die Gedanken der Tiere. Er wird gewahr, welches Geschenk das Tier bei sich trägt, auf welche Weise z.B. der Kranich den würdevollen Gang übt, mit dem er vortreten möchte um sein Geschenk zu überreichen. Der Marabu und seine Artgenossen trainieren für ein Kunststück, das sie vorführen möchten. Die Schneekatze findet eine wunderschöne, geheimnisvolle Kristallkugel die ihr den Weg zum Prinzenkind weist.
In blumiger Sprache wird jeweils eine kleine Episode erzählt. Zwar wird schnell klar, daß all diese losgelösten Episoden am Ende, nämlich beim Anblick des Prinzenkindes, zusammenfinden, dennoch wirken sie unzusammenhängend, lassen keinen Lesefluss aufkommen. Selbst losgelöst betrachtet, stiftet die ein oder andere Geschichte Verwirrung. So macht sich z.B. die Eidechse Sorgen, ihr vorauseilender Freund könne sie vergessen. Wie sie darauf kommt, und wodurch sie sich am Ende wieder beruhigt, bleibt wohl das Geheimnis der Echse, den Leser bzw. Vorleser überzeugt ihre Geschichte nicht. Das Erzählte profitiert zwar vom sich aufbauenden Spannungsbogen, denn die Neugier auf das kommende Ereignis nimmt stetig zu, aber auch der ";Show-down"; behält (leider) die eingeschlagene Linie bei: das Bild rührt und fasziniert, die textliche Variante dazu enttäuscht. Dies hat zur Folge, das man das Buch zwar gerne noch einmal zur Hand nimmt um intensiv die Bilder zu betrachten, die Geschichte ein zweites Mal zu lesen, kommt aber kaum in den Sinn.
Fazit:
Ein Buch, das allein durch seine faszinierende und sehr außergewöhnliche Bebilderung positiv aus der Masse heraussticht. Für große und kleine Romantiker ein Buch, das man gerne und oft anschaut, für die Leseratte, die auf eine Geschichte lauert kaum das richtige Futter.
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