Bei Vollmond

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJan 2012

Idee

Eine Vollmondnacht birgt ein Geheimnis und für die Tiere des Waldes eine schöne Begebenheit

Bilder

Scherenschnitte und das Spiel zwischen Licht und Dunkelheit lassen das Buch zu einem kleinen Kunstwerk werden, welches ästhetisch sehr überzeugt.

Text

Nur jeweils ein Satz pro Doppelseite transportiert die Handlung und tritt sonst ganz hinter die Bilder zurück.

Wie unheimlich eine Vollmondnacht sein kann, führt "Bei Vollmond" mit einer ganz besonderen und überraschenden Technik beeindruckend vor Augen

Nachts im Wald ist mehr los, als man denkt. Besonders, wenn ein unbekanntes Geräusch die Tiere des Waldes aufschreckt. Dann öffnet der Wolf noch einmal seine Augen, schreckt der Fuchs auf und fliegt die Eule davon. Es geht etwas Sonderbares vor sich, aber was? Auch Hirsche, Wildschweine, Fledermaus und Hasen lauschen auf das Geräusch und sind beunruhigt. Denn die Nacht birgt offensichtlich ein Geheimnis, das können alle spüren. Und tatsächlich ist etwas Wunderbares passiert: ein Bärenjunges wurde geboren.

Bei Vollmond verändert sich die Welt. Vertrautes sieht neu und unbekannt aus, jedes Geräusch trägt eine neue Deutung in sich und über allem liegt eine leicht unheimliche Stimmung. Diese besondere Zwischenstimmung hat Antoine Guilloppé im Buch "bei Vollmond" fast magisch eingefangen und begeistert damit wohl jeden Leser, egal, ob groß oder klein. Seine Leistung liegt dabei weniger in der textlichen Finesse - hier beschränkt er sich auf jeweils einen einfachen Satz pro Doppelseite - als vielmehr auf die Art und Weise der Illustration. Denn Guilloppé lässt in seinem Buch eine alte und scheinbar fast vergessene Kunst wieder aufleben und überrascht durch wunderbare, poetische Scherenschnitte sowie dem gekonnten Wechselspiel von Schwarz und Weiß.

Die exakt ausgestanzten Bilder auf einem fast quadratischen Seitenformat erzählen ausdrucksstark die Geschichte der handelnden Tiere und untermalen den sie begleitenden Satz. Dabei wechseln sich weiße und schwarze Doppelseiten ab, so dass durch einen schwarzen Scherenschnitt jeweils der weiße Hintergrund leuchtet. Blättert man die Seite um, ist der Scherenschnitt nicht nur spiegelverkehrt, sondern auch noch weiß und leuchtet diesmal von dem nun schwarzen Grund. Es ist faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich die Schnitte in schwarz - bedrohlich und geheimnisvoll - und weiß - zart und schützenswert, teilweise sogar heiter - wirken. Dieser geniale Effekt ist sicherlich ein Puzzleteil, das zu der ganz besonderen Atmosphäre dieses Buches beiträgt.

Antoine Guilloppé, in Frankreich gut bekannt als Bilderbuchkünstler, hat bei diesen Scherenschnitten außergewöhnliche Liebe zum Detail bewiesen. So sind die im Buch vorkommenden Tiere nicht räumlich losgelöst, sondern in ihrer natürlichen Umgebung, wie beispielsweise ins Dickicht gekauert, oder durch die Lüfte schwebend, zu sehen. Dadurch bedingt ergeben sich spannende Perspektivwechsel: mal Auge in Auge mit den Tieren, ein anderes Mal von unten nach oben durch die Blätter spähend. Die Tiere an sich wirken unglaublich ausdrucksstark und lebendig und durch z.B. die erkennbare Fellstruktur und die fast greifbare Nähe, die durch die Stanzungen entsteht, beinahe plastisch. Dadurch verleiten die Bilder geradezu dazu, sacht mit der Hand über sie hinweg zu streichen, sie zu berühren, die sichtbare Struktur zu erfühlen und die filigranen Details zu bewundern. Aufgrund des recht schweren und dicken Papiers dürfte "Bei Vollmond" auch den Entdeckungswillen kleinerer Kinder einige Male recht gut aushalten. Empfehlenswert ist jedoch trotzdem eher das gemeinsame Betrachten bzw. ein vorsichtiger Umgang. Auch wenn es unter praktischem Gesichtspunkten daher vielleicht nicht unbedingt als Kinderbuch zu empfehlen ist, ist es das doch inhaltlich und vor allem ästhetisch.

So gelingt es Guilloppé vor allem durch seine ungewöhnlichen Bilder in Kombination mit wenigen begleitenden Sätzen eine kontinuierliche Spannung zu erzeugen, die sich schließlich auf der letzten Seite entlädt. Waren vorher die Tiere immer in Anspannung und Hab-Acht-Stellung zu sehen, ist dort plötzlich ein kleines Bärenjunges zu sehen (als einziges Tier nicht ausgestanzt), das zusammen gekuschelt friedlich schläft, über ihm der leuchtend weiße Vollmond. Ein wunderbares, poetisches Ende der vorangegangenen Momentaufnahmen.

Fazit:

"Bei Vollmond" ist mit Sicherheit kein "normales" Kinderbuch. Der geschickte Einsatz von Schwarz und Weiß, aber vor allem hochwertige, künstlerische scherenschnittartige Ausstanzungen machen das Buch zu einem faszinierenden Gesamtkunstwerk mit "Wow-Effekt", welches Kinder und Erwachsene gleichermaßen in seinen Bann zieht.

Claudia Goldammer

 

Bei Vollmond

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