Der Tag, an dem wir wegliefen

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  • Erschienen: November 2011
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2011

Idee

Ein berührendes und spannendes Abenteuer, das mit viel Gefühl die Geschichte dreier Geschwister erzählt, die in ihrer bedingungslosen Liebe zueinander halten wie Pech und Schwefel. Ein Buch voller Liebe und Humor.

Text

Aus dem Englischen von Eva Riekert. Auf einfühlsame, humorvolle Weise beweist Laura Summers gute Beobachtungsgabe, wenn sie durch den sehr speziellen Blickwinkel der beiden Mädchen erzählt.

[ab 11 Jahren]

Die 14-jährige Vicky hat es nicht leicht mit ihren beiden Geschwistern. Ihr zehnjähriger Bruder Jamie ist ein Rebell, der irgendwie immer in Schwierigkeiten steckt und ihre geistig behinderte Zwillingsschwester Rihanna fordert ihre besondere Aufmerksamkeit. Seit ihre Mutter gestorben ist und dem Vater das Sorgerecht entzogen wurde, leben die drei endlich bei netten Pflegeeltern. Es scheint, als wären sie endlich angekommen, doch dann können sie nicht mehr bleiben und sollen getrennt werden...

Es ist Vicky´s und Rihannas 14. Geburtstag. Rihanna ist furchtbar aufgeregt und lauert schon früh am Morgen auf die Glückwunschkarten, die da kommen mögen. Doch sie wartet vergeblich auf eine Karte des Vaters. Vicky beschwichtigt sie mit einer Geschichte, ihr Vater sei in einem Entwicklungsland mit seinem Lkw unterwegs.

Die drei Geschwister fühlen sich bei ihren Pflegeeltern Sarah und Paul wohl und es scheint, als hätten sie nach den vielen Zwischenstationen endlich ein gutes zu Hause gefunden. Sarah erwartet außerdem ein Baby und alle freuen sich sehr auf den Familienzuwachs.

Schon auf dem Weg zur Schule muss Vicky taktieren, denn sie möchte an diesem Morgen nicht mit ihrer Schwester gehen, weil ihr Schwarm sie begleiten wird. Rihanna ist überhaupt nicht begeistert, stattdessen mit dem jüngeren Bruder Jamie zu gehen und prompt muss Vicky auch schon wieder Feuerwehr spielen, weil die beiden sich bereits auf dem Schulweg in Schwierigkeiten bringen.

Als sie wieder nach Hause kommen, erwartet sie kein Geburtstagsfest, sondern die Nachricht, dass sie nicht länger bei den Pflegeeltern bleiben können. Bei Sarahs Schwangerschaft gibt es ernste Komplikationen. Die Sozialarbeiterin, Mrs. Frankish, die die Kinder betreut, eröffnet den Geschwistern, dass sie woanders unterkommen müssen. Woanders heißt, wieder eine andere Schule, wieder fremd sein. Doch was noch schlimmer ist: Sie können nicht zusammen bleiben.

Während Rihanna noch nicht einordnen kann, was das für sie bedeutet, rebellieren Vicky und Jamie gegen diese Entscheidung. Sie werden auf keinen Fall getrennt.

Sie packen das Nötigste und etwas Proviant ein und verlassen mitten in der Nacht das Haus. Sie lassen sich von einem ehemaligen Arbeitskollegen als blinde Passagiere im Lkw mitnehmen und haben das Ziel, irgendwie zu ihrer einzigen Verwandten zu gelangen. Ihre Großtante Irene ist zwar schon ziemlich alt, doch die Kinder sind sich sicher, dass sie dort, in dem kleinen Haus am See, ein gutes Zuhause haben werden.

Doch sie werden entdeckt und müssen ihren Weg zu Fuß zurücklegen. Sie passieren nach einem kräftezehrenden Fußmarsch einen verwilderten Park und werden von einer blinden alten Frau in Obhut genommen, die die Situation der Kinder nur zu gut versteht. Sie hat auf ihrer Flucht während des zweiten Weltkriegs zulassen müssen, dass sie von ihrem Bruder getrennt wird und ist über seinen Tod nie hinweggekommen. Schließlich setzen sie ihre Reise mit dem Zug fort. Doch hier sind sie unter Leute und die Nachrichten sind voll von der Suchmeldung nach drei Kindern mit ihrer Beschreibung.

Vicky reagiert schnell und verlässt den Zug. Der lange Weg zu Fuß, der Hunger und der Regen setzen den Kindern zu und Rihanna weigert sich, auch nur noch einen Schritt zu gehen. Zwischen Jamie und Vicky kommt es zu einem heftigen Streit. Vollkommen kopflos rennt "Ri", die das nicht erträgt, davon und stürzt einen Abhang hinunter. Obwohl es zuerst schlimm aussieht, hat sich Ri nicht schwer verletzt. Sie finden Unterschlupf in einer Höhle und finden am nächsten Tag heraus, dass sie es tatsächlich bis zu dem See geschafft haben. Doch als sie das Haus ihrer Tante betreten, müssen sie feststellen, dass nun fremde Menschen dort wohnen. Tante Irene ist gestorben.

Obwohl sie Hilfe von Daniel bekommen, der dort nun wohnt, wird es zunehmend eng für die drei. Zum einen haben sie keine Mittel mehr, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen, und zum anderen werden sie auch hier intensiv gesucht. Schließlich muss Vicky stehlen, damit sie etwas zu Essen haben. Für Vicky der absolute Tiefpunkt. Zu allem Überfluss werden sie noch von zwei Jugendlichen des Nachbarortes gemobbt. Es geht so weit, dass die Geschwister mit einem lecken Boot zu einer Insel fliehen. Das Boot kentert und Vicky kann nicht schwimmen. In letzter Sekunde wird sie von Ri gerettet. Die alte Dame hatte Recht: "Ihre Zeit wird kommen."

Die englische Autorin Laura Summers, die unter anderem sehr erfolgreiche Drehbücher für Kinderserien schrieb, hatte die Idee zu dem vorliegenden Buch durch ihr eigenes behindertes Kind. Sehr einfühlsam und glaubhaft wechselt sie die erzählerische Perspektive von Vicky zu Rihanna. Während Vicky versucht, die Vergangenheit zu vergessen, erinnert Rihanna sich gerne und vollkommen wertungsfrei - sie ist nicht nachtragend und nimmt die Dinge so an, wie sie kommen - an ihre gemeinsame Vergangenheit mit ihren Eltern. Durch ihre Erzählungen erfährt man viele wichtige Details über den schweren Weg und die Zustände, in denen die Kinder bei ihrem Vater leben mussten. Ri hat aber nie richtig verstanden, was es bedeutet, dass ihre Mutter gestorben ist.

Auf diese Weise erfahren ihre jungen Leser nicht nur aus der Perspektive der vernünftigen und verantwortungsvollen Vicky, jene Umstände, die die Kinder in dieses riskante Abenteuer gebracht haben, sondern auch die Sichtweise von Ri, die die Dinge und intuitiv beim richtigen Namen nennt. Diese zwei Blickwinkel helfen dem Leser, die Geschwister und ihre Aktionen besser zu verstehen. Nebenbei versteht es Laura Summers außerordentlich gut, die Schilderungen stets mit humorvollen Einzelheiten zu beleben. Dies nimmt der Erzählung die Schwere, die durch das Schicksal der Kinder zweifellos besteht.

Das Abenteuer, die vielen Gefahren und Schwernisse, die sich den Kindern in ihrem Kampf um ihre Familie in den Weg stellen, erzeugen einen enormen Spannungsbogen. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen, wird es für die drei gut ausgehen? Dabei schafft die Autorin es auch in ruhigeren Momenten, die der junge Leser ebenso als Verschnaufpause braucht wie die Geschwister, durchweg abwechslungsreich und lebensnah zu erzählen. Viele Momente der Reise werden von Rihannas Eskapaden und eigenwilligen Aktionen belebt. Sie erzeugen einerseits natürlich eine gewisse Komik, wenn etwa der Zug bald abfährt, der kleine Bruder bereits darin sitzt, und Rihanna sich weigert, die Bahnhofstoilette zu verlassen. Andererseits versteht man aber auch Vickys oft verzweifelte Lage, die sich in ihrer Verantwortung hin und hergerissen fühlt. In diesen Momenten wird deutlich, dass eine viel zu große Last auf ihren Schultern lastet - abgesehen von der Wahrheit über ihren Vater, eine Bürde, die sich selbst zum Schutz ihrer Geschwister auferlegt hat.

Sehr klug fügt Laura Summers ihre Nebendarsteller ein und weist ihnen, wie zum Beispiel bei Elisabeth, der alten Dame, bei der sie für eine Nacht unterkommen können, eine wichtige inhaltliche Rolle zu. Sie wird zu einer wichtigen Instanz, die Vicky in ihrem Tun Mut macht indem sie die Bedeutung der Familie über allem stellt: "Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen."

Letztlich muss Vicky sich der Vergangenheit stellen, um mit ihrer Familie eine gemeinsame Zukunft zu haben. Die Wahrheit verändert alles und es stellt sich heraus, dass es das Beste ist, was Vicky, Rihanna und Jamie passieren konnte.

Fazit:

"Der Tag, an dem wir wegliefen" ist ein vielschichtiges Abenteuer, das sich zusammensetzt aus der abenteuerlichen Flucht der Kinder, den Eigenheiten der liebenswerten Ri, dem bedingungslosen Zusammenhalt der Geschwister und nicht zuletzt durch den immer präsenten Unterton, der seine Leser ahnen lässt, dass es nicht die ganze Wahrheit ist, die wir dort erfahren - kurz, eine fesselnde Mischung, die das Buch unbedingt lesenswert macht.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Der Tag, an dem wir wegliefen

Laura Summers, dtv

Der Tag, an dem wir wegliefen

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