[ab 11 Jahren]
Die elf-jährige Violet lebt in einer beschaulichen Kleinstadt irgendwo in Florida. Am liebsten ist sie mit ihrer besten Freundin Lottie zusammen oder streift durch die Natur mit ihrem Kinderfreund Eddie. Dann jedoch zieht Melissa aus der Großstadt in die Kleinstadt. Lottie freundet sich mit ihr an und interessiert sich plötzlich auch wie diese für Make-up, BHs und Filmstars. Spannungen liegen nun in der Luft und daran ist nicht nur die Sommerhitze Schuld...
Wenn es nach Violet, der Hauptperson in Danette Haworth ginge, könnte alles so bleiben, wie es ist. Wie Pippi Langstrumpf will sie nicht älter werden. Mit ihren Kinderfreunden Lottie und Eddie verbringt sie eine idyllische Kindheit, in der die Natur eine große Rolle spielt. So stromert sie gerne durch den Wald oder kann Stunden damit verbringen, sich an eine Libelle anzuschleichen.
Ihren Vater kennt sie nicht, da er schon vor ihrer Geburt gestorben ist. Mit ihrer Mutter, die in einer Bäckerei arbeitet, versteht sie sich gut. Geschwister hat sie leider keine, auch darum fühlt sie sich so wohl in der Großfamilie ihrer besten Freundin Lottie, die drei jüngere Schwestern hat, und in der alle Violet wie ein Familienmitglied ansehen.
Als älteste Tochter hat Lottie viele Pflichten im Haushalt, und wenn sie keine Zeit oder Lust hat, hat Violet noch Eddie, mit dem sie schon seit Kleinkindtagen befreundet ist.
In diese Idylle platzt Melissa aus der Großstadt, die mit Natur nichts am Hut hat und sich lieber für Schminken und Fernsehserien interessiert. Violet selbst hält sie für uninteressant und eine Angeberin. Make-up und BHs findet sie albern und doof. Doch für Violet unbegreiflich, freundet sich "ihre" Lottie nun mit Melissa an. So viele Veränderungen stürzen auf einmal auf Violet ein: Plötzlich ist sie nicht mehr Lotties einzige, "beste" Freundin. Ist sie wirklich in Eddie verliebt, wie Melissa es beinahe eifersüchtig behauptet? Lottie, deren richtiger Name "Charlotte" ist, nennt sich auf einmal "Char", weil sie ihren kindischen Spitznamen leid ist. "Char" will auch endlich einen richtigen BH und "übt" solange mit ihrem Bikini-Oberteil. Muss Violet nun auch "erwachsen" werden?
Violets Frust auf Lottie und Melissa nimmt zu und als in Lotties Zuhause der Blitz einschlägt, fühlt sich Violet mitschuldig. Das Haus wird durch das Feuer zerstört, die Versicherung will nicht zahlen. Doch da bringt sie ausgerechnet die Angeberin Melissa auf eine rettende Idee ...
Die Szenerie wirkt auf den ersten Blick ein wenig altmodisch. Es gibt keine Handys, Internet oder Computerspiele. Violet, Eddie und Lottie spielen in der Natur, sie müssen ihren Eltern bei der Hausarbeit helfen und sie gehen sonntags in die Kirche. Daher würde ich die Geschichte in den fünfziger oder sechziger Jahren ansiedeln.
Befremdlich mag auch der Handlungsort, eine kleine, verschlafene Stadt in der Gluthitze eines subtropischen Hochsommers wirken. Violet und ihre Freunde kommen in die sechsten Klasse, also in die Junior high, eine Art Mittelschule vor der High-School (der Oberstufe sozusagen). Die Grundschule ist zu Ende, ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Dies sollte man als Hintergrundinformation wissen: diese Information ist zwar nicht für das Verstehen des Buches unabdingbar, trotzdem wäre es schöner, wenn im Anhang eine kleine Anmerkung zum amerikanischen Schulsystem wäre.
Einerseits wirkt das Buch sehr amerikanisch, andererseits sind die angesprochenen Themen jedoch universell und überall aktuell: Freundschaft und Loyalität, erstes Verliebtsein, Heranwachsen und Erwachsen werden.
Der Autorin gelingt es hervorragend, das Gefühlschaos der Hauptperson, Violet, darzustellen: die Eifersüchteleien zwischen Melissa und ihr, die verwirrenden Gefühle zu Eddie, der "Verrat" an ihm.... Genau mit diesen Problemen müssen sich auch heute noch heranwachsende Mädchen auseinandersetzen und das macht den großen Reiz dieses Buches aus. Die Handlung wird ganz aus Violets Sicht geschildert, was die schnelle Identifikation der Leserin mit der eigenwilligen, aber sympathischen Heldin fördert. Es werden keine glatten Lösungen präsentiert, stattdessen wird die Leserin zum Nachdenken angeregt: warum handeln die Personen so, wie würde ich mich verhalten.
Das Tempo der Handlung ist flott, die Kapitel kurz und das Buch hat unter 150 Seiten. Die Sprache verzichtet auf unnötige Worte, ist jedoch trotzdem atmosphärisch dicht, ohne den kindlichen Leser zu überfordern: man spürt beim Lesen quasi die Hitze eines Hochsommers in Florida und die aufgeladene Gewitterspannung in der Luft.
Schon der Titel macht neugierig auf mehr: was bedeutet "beinahe" vom Blitz getroffen zu werden? Auch das Titelbild ist wenig konventionell: Darauf sieht man ein Mädchen, das in halbhohen Wasser einen Kopfstand macht, so dass nur ihre Beine zu sehen sind. Der Titel selbst ist schön verschnörkelt, wie ja bei der angesprochenen Zielgruppe (Mädchen ab elf) beliebt, daneben geschrieben.
Zu Recht hat das Buch in Kalifornien einen Literaturpreis gewonnen und auch hierzulande kann man diesem besonderen Buch eine große Verbreitung wünschen.
Fazit:
Ein atmosphärisch dichtes Kinderbuch, das es gekonnt versteht, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt eines heranwachsenden Mädchen und dessen Sorgen und Nöte hineinzuversetzen.
Deine Meinung zu »Der Sommer, als ich beinahe vom Blitz getroffen wurde«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!