Die elf-jährige Sophie ist extrem schüchtern. Ihre Scheu verliert sie nur gegenüber Tieren. Da lernt sie auf einem Hof für abgeschobene Tiere einen ausgesetzten, total verschüchterten Hund kennen. Sie setzt sich selbst zur Aufgabe, dem Tier mehr Selbstbewusstsein zu vermitteln, und geht darin so auf, dass sie dabei ihre eigene Schüchternheit vergisst.
Sophie hat vor vielem Angst, im Umgang mit ihren Mitmenschen fehlt es ihr vor allem an Selbstbewusstsein. Zu gerne wäre sie mehr so wie ihr großer Bruder oder ihre Klassenkameraden, allen voran die von ihr bewunderte Marietta, die nicht nur gut aussieht und bei allen beliebt ist, sondern immer weiß, wie man sich richtig verhält und in Szene setzt.
Außer mehr Selbstvertrauen wünscht sie sich auch einen anderen Vornamen. Ihr Mathematiklehrer hat nämlich die unerträgliche Angewohnheit, viele seiner Sätze mit "soso" anzufangen, und der Anfang "so" klingt wie der Anfang ihres Vornamens, so dass sie nie weiß, ob der Lehrer sie aufrufen oder nur "soso" sagen will, wenn ein "so..." erklingt.
Auf ihrer Wunschliste steht auch ein anderer Job für ihre Mutter. Ihr Vater hat seine Familie schon vor vielen Jahren verlassen und um alle über Wasser zu halten, hat die Mutter einen miesen Job als belegte Brötchen-Verkäuferin am Bahnhof. Oft muss sie bis spät in die Nacht dort arbeiten und zu allem Unglück fühlt sie sich von einer Rockerbande bedroht, seit sie bei der Polizei gegen einen von ihnen ausgesagt hat. Sophies Traum ist eine Wohnung, in der genügend Platz für ein Atelier für die Mutter ist, die eigentlich gelernte Schneiderin ist.
In einer größeren Wohnung müsste es auch möglich sein, Haustiere zu haben, in ihrer jetzigen, engen Mietwohnung ist das nicht möglich. So ist sie gezwungen, aus einem nahegelegenen Teich immer wieder zwei kleine Fische zu fischen, die sie jeweils für vier Wochen bei sich in der Wohnung in einem Behelfsaquarium hat. Jedes Fischpärchen hat die wohlklingenden Namen Ceremonio und Vitella, und wird immer nach vier Wochen wieder freigelassen.
Sophie hat viel Phantasie, die sie in den Abenteuern ihrer Wunschheldin Leandra auslebt, die mit vielen Tieren auf einer einsamen Insel wohnt. Eine Art Gegenstück zu Leandras einsamer Insel mit vielen Tieren in der realen Welt ist der Hof von Günther und Andrea, draußen vor der Stadt. Dieser Hof ist so etwas wie ein Gnadenhof für Tiere, die keiner mehr will und für Sophie ein kleines Paradies, denn inmitten all dieser Tiere kann sie ihrer großen Tierliebe freien Lauf lassen.
Eine besondere Zuneigung fasst sie zu einem völlig verängstigten, ausgesetzten Hund, dem sie heimlich den Indianernamen "Cochise" gibt und den sie am liebsten für sich behalten würde.
Während sie versucht, dem Hund die Angst zu nehmen, stürzt sie sich so begeistert in diese Aufgabe, dass sie darüber ihre eigene Schüchternheit vergisst. Und als der Vermieter ihnen die Wohnung kündigt, wird dank Günthers und Andreas Hof sogar ihr Traum von einer größeren Wohnung wahr, in der ihre Mutter ein Schneideratelier haben kann und sie endlich inmitten von Tieren draußen vor der Stadt wie auf Leandras einsamer Insel wohnen kann.
Geschickt gelingt es der Autorin Bettina Obrecht ihre Leserinnen - junge Mädchen ab zehn Jahren - mit der Geschichte um Sophie in den Bann zu ziehen. Sie greift die Gefühle der Zielgruppe gekonnt auf und versteht es, auf originelle Weise, typische Probleme der Vorpubertät zu schildern. Die sympathische Heldin macht es leicht, sich auf das Buch einzulassen.
Das fängt schon mit dem die Zielgruppe sicher ansprechenden Titelbild an: Darauf ist ein liegendes Mädchen zu sehen, dass zärtlich einen ebenfalls liegenden, knuddeligen und vertrauenseinflössenden, großen Hund streichelt. Der Titel und der Name der Autorin sind kunstvoll verschnörkelt geschrieben und wirken wie handgemalt, so wie es viele Kinder machen, wenn sie sich im Schulunterricht langweilen und herumkritzeln. Der Titel : "Ich wär so gern..." wartet nur darauf, vom Leser ergänzt zu werden. Die Farbe des Einbandes, ein schön sattes himbeerrot, wirkt sehr einladend.
Auch die Erzählperspektive der Ich-Erzählerin erlaubt der Leserin eine schnelle Identifikation mit der sympathischen Heldin des Buches: Sophie. Schon der erste Satz "Ich bin nicht jemand, der besonders gerne zur Schule geht", wird bei den meisten Lesern auf Zustimmung stoßen. Auch in Sophies Sorgen und Nöten wie mangelndes Selbstvertrauen oder der niedrige Beliebtheitsgrad bei ihren Klassenkameraden werden sich viele Leserinnen wiederfinden. So wie Sophie am liebsten Cochise für sich behalten will, ist es der Traum vieler junger Mädchen einen eigenen Hund zu besitzen.
Die Autorin scheut sich nicht, auch so ein schwieriges Thema wie "Vorurteile" anzusprechen. So hat Sophies Mutter grundlos Angst vor den Jugendlichen, die mit großen Hunden am Hauptbahnhof herumlungern. Als diese Cochise im dichten Straßenverkehr vor einem Unfall retten, lernt sie die Jugendlichen näher kennen und erkennt, dass sie nur der Rockerbande ähnlich sehen, gegen die sie ausgesagt hat. Auch Günther und Andrea sind mehr als nur idealistische Sonderlinge, für die die meisten sie sicher halten, sondern leben tatkräftig und zupackend ihren Traum, abgeschobenen Tieren, die sonst keiner will, ein Zuhause zugeben.
Die Mischung aus viel Gefühl, Unsicherheit und dem Drang, sich selbst zu entwickeln macht die Geschichte schließlich rund - wie auch das Happy End, das für Mädchen diesen Alters tröstlich und gleichzeitig unerlässlich zugleich ist.
Die Sprache ist einfach und kindgerecht, die Kapitel sind kurz und mit aussagekräftigen Titeln versehen. Mit nur knapp über 150 Seiten eignet sich das Buch auch für leseunlustige Mädchen.
Fazit:
Ein flüssig zu lesendes Mädchenbuch, das das Lieblingsthema "Tiere" aufgreift und sich kindgerecht in die Sorgen und Nöte heranwachsender Mädchen hineinversetzt.
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