Willy. Mama wollte doch winken!
- Thienemann
- Erschienen: Juni 2011
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Willys Mama hat fest versprochen, jeden Morgen von der Arbeit aus dem Bus zu zuwinken, in dem Klein Willy sitzt. Aber ob sie es auch wirklich schafft?
Für das kleine Küken Willy hat sich das Leben sehr verändert, seit Mama in der Eierlikörfabrik arbeitet. Nun macht ihm das Au-Pair Poulette sein Müsli und ermahnt ihn zur morgendlichen Eile, um den Kindergartenbus noch zu erreichen. Doch zum Glück fährt dieser an Mamas Arbeit vorbei und sie hat versprochen, ihm jedes Mal aus dem Fenster heraus zu zuwinken. Und Willy weiß genau, wo ihr Fenster ist. Doch an diesem Tag erspäht Willy weder auf der Hin- noch auf der Rückfahrt seine Mama, denn Mama hatte Termine oder musste einen Telefonanruf entgegen nehmen. Und auch am Abend kommt Mama erst so spät nach Hause, dass Willy dann schon schlafend im Bett liegt. Auch am nächsten Tag kann Willy auf dem Weg zum Kindergarten keine Mama am Fenster sehen. Er wird immer trauriger und kommt völlig niedergeschlagen im Kindergarten an. Still und leise beschließt er für sich, nie wieder zu dem Fenster hinauf zu schauen und beginnt versonnen, einen großen Turm aus Bauklötzen zu bauen. Es gerät zum spannenden Wettstreit zwischen ihm und Kater Carlos, der sonst immer die größten Türme baut. Und auch, als Carlos ruft "Hey, Willy, da ist deine Mama, da draußen am Fenster!" schaut er nicht hin. Und tatsächlich baut er an diesem Tag den größten Turm! Als er später beim Abendessen stolz davon erzählt, hat Mama vollstes Verständnis dafür, dass er in dieser aufregenden Situation nicht zum Fenster sehen konnte.
Es mag Eltern zwar das Herz brechen, aber sicher hat jeder seinem Kind schon einmal etwas versprochen, was am Ende nicht gehalten werden konnte. So kann es auch mit den kleinen Aufmerksamkeiten und Liebesbeweisen gehen, die Kinder einfordern und die Eltern nur zu gern zu geben bereit sind. Aber manchmal machen andere Dinge einen dicken Strich durch die Rechnung und am Ende sind Eltern und Kinder enttäuscht. Besonders häufig mag es so Kindern mit berufstätigen Eltern gehen, die durch ihren Job so eingespannt sind, dass sie bei einem Fußballspiel oder einer Theateraufführung nicht dabei sein können. Das ist für Kind und Eltern enttäuschend, aber häufig durch äußere Umstände verschuldet. Wie häufig kommt es dann zu Missstimmungen, ebenso wie bei Willy und seiner Mama.
Andrea Hensgen bringt das Thema des Buches konkret auf den Punkt, ergreift dabei jedoch nicht für eine der beiden Seiten Partei, sondern beleuchtet beide Situationen. So kann sich der Leser gut in Willys Situation aber auch in die seiner Mama hinein versetzen und beide verstehen. Trotzdem bleibt für Kinder die Tätigkeit der Mutter relativ abstrakt, denn was bedeutet Chef oder was ist ein Kunde? Hier wäre etwas mehr Übersetzungsleistung der Autorin schön gewesen. Mehr Einfühlungsvermögen beweist sie hingegen bei der Schilderung des Turmbauwettbewerbs, der sehr plastisch, jedoch auch etwas konstruiert erscheint und gänzlich im Kontrast zu der sonst eher langsamen Erzählart des Buches steht.
Grundsätzlich mangelt es der Handlung etwas an Einfallsreichtum und überraschenden Ideen, wodurch sich auch kein rechter Spannungsbogen aufbaut. Zudem erscheint es auch thematisch unstimmig, dass Willy sich während des Wettbewerbs nicht zu seiner Mama umdreht, weil er denkt, Carlo könnte ihn damit herein legen wollen. Wäre es der Geschichte und Willys Entwicklung nicht zuträglicher gewesen, ihn in diesem Moment seinen Stolz ausleben zu lassen und ihn sich nicht umdrehen zu lassen, weil er es nicht will? So wirkt er doch nur wieder wie der kleine traurige Willy in Angst vor einer neuen Enttäuschung.
Der textliche Umfang des Buches ist altersgerecht, sprachlich solide aber ohne größere Raffinesse oder sprachlichen Schwung. Erzählte Textpassagen wechseln sich mit wörtlicher Rede ab und schildern Szenen, wie sie im Leben vieler Eltern tagtäglich stattfinden. Durch die relativ kurzen Satzspalten können auch kleine Erstleser den Zeilen gut folgen ohne den Faden zu verlieren.
Die Handlung der Geschichte ist stringent erzählt und verliert sich nicht in Seitenarabesken, wirkt mitunter jedoch etwas langatmig durch die vielen detaillierten Beschreibungen von z.B. Willys Schulweg. Kleinere Kinder verlieren mitunter dabei schnell die Aufmerksamkeit, können sich jedoch in der Betrachtung der stimmungsvollen und ansprechenden Illustrationen von Henning Löhlein verlieren. Diese Bebilderungen sind in sehr freundlichen Farben gehalten, auf denen es viele Details zu entdecken gibt. Auf den großflächigen doppelseitigen Bildern ist der Text auf hell unterlegten Seitenabschnitten hervorgehoben und dadurch aus den Illustrationen heraus gelöst. Die handelnden Charaktere sind emotional überzeugend dargestellt und es geht dem Leser durchaus nah, wenn der kleine Willy im großen Bus sehnsüchtig zu Mamas Bürofenster empor sieht.
Fazit:
Ein immer wieder aktuelles Thema in eine nachvollziehbare Geschichte um den kleinen Willy gepackt, der lernt, mit einer Enttäuschung umzugehen und dadurch ein gutes Stück selbständiger wird.
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