[ab 9 Jahren]
Es ist niemals einfach Abschied zu nehmen, vor allem nicht, wenn es für immer ist. Das muss auch Mats einsehen, als der Tierarzt ihm sagt, dass sein geliebter Hund Samson schon bald seine letzte Reise antreten wird. Mats will Samson auf dieser Reise jedoch nicht alleine lassen. Gemeinsam mit seinem Hund reist er von zuhause aus und muss lernen der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Mats ist 10 Jahre alt und lebt mit seinem Hund Samson und seiner Mutter Eva in einem kleinen Häuschen in Hamburg. Als Mats 5 Jahre alt ist stirbt sein Vater bei einem Autounfall. Seitdem ist Eva immer sehr abwesend und Mats kleines Universum dreht sich nur noch um Samson. Als ihm der Tierarzt eines Tages mitteilt, dass Samson bald sterben muss bricht für Mats eine Welt zusammen. Anfangs will er diese Situation gar nicht wahr haben, doch auch er muss einsehen, dass Samson sich verändert hat: Er kann kaum noch laufen, isst und trinkt sehr wenig und schläft fast den ganzen Tag.
Mats beschließt Samsons letzte Reise mit ihm gemeinsam anzutreten. Er will mit ihm zusammen seinem Erfinder-Opa "Windschief" (eigentlich liebevoll Da Vinci genannt, doch von Mats immer missverstanden) in der Nähe von Frankfurt besuchen und packt heimlich einen Koffer. Mitten in der Nacht verstaut Mats den Koffer auf einem Bollerwagen, bettet Samson daneben und macht sich auf zum Hamburger Hauptbahnhof. Vor dort startet eine abenteuerliche Reise mit der Bahn, bei der er mehrfach fast von der Polizei aufgegriffen wird. Doch schließlich erreicht Mats mitten in einem Wald das kleine Häuschen seines Opas, aus dessen Mitte ein alter Wallnussbaum herauswächst.
Opa Windschief freut sich sehr seinen Enkel nach 5 Jahren endlich wiederzusehen und kümmert sich auch gleich um den kranken Samson. Auch wenn es Mats schwer fällt zu beobachten, wie Samson immer müder und schwerfälliger wird, erlebt er eine schöne Zeit bei seinem Opa: Mats lernt zwei Kinder in seinem Alter kennen und schließt mit ihnen Freundschaft, er erkennt die Vorzüge des Landlebens und beobachtet teils fasziniert, teils entsetzt seinen Opa und dessen verrückte Erfindungen.
In dieser Zeit macht sich Mats Mutter Eva natürlich unglaubliche Sorgen, um ihren Sohn. Sie fährt ebenfalls nach Frankfurt und beobachtet und bewacht Mats heimlich. Als Samson schließlich stirbt gibt sie sich unfreiwillig zu erkennen. Sie kann Mats tiefe Trauer nicht wirklich nachvollziehen und drückt sich so ungeschickt aus, dass Mats sich ganz allein und völlig missverstanden fühlt. Doch mithilfe seiner neuen Freunde lässt sich die etwas brenzlige Situation doch noch regeln. Gemeinsam feiern alle eine tränenreiche Abschiedsfeier und begraben Samson in der Nähe von Opas Häuschen. Mats pflanzt einen kleinen Wallnussbaum auf sein Grab als Zeichen neuen Lebens.
Mit Samsons Reise hat Anette Mierswa bewusst ein ganz unübliches Kinderbuch geschrieben. Hier stehen nicht wie sonst so oft die Leichtigkeit, der Frohsinn und die Unbeschwertheit von Kindern im Mittelpunkt, sondern ein nachdenkliches und eher schwermütiges Thema, nämlich der Abschied von einem liebgewonnenen Kameraden. Sehr behutsam und einfühlsam schildert sie die zerrissene Gefühlswelt vom zehnjährigen Mats, der um seinen einzigen Spielkameraden Samson trauert.
Mats lernt auf seiner Reise viel über sich selbst und seine Gefühle. Vor allem aber lernt er das dem Unvermeidliche zu akzeptieren, nämlich der Tatsache, dass Samson bald nicht mehr bei ihm sein wird. Dabei ist ihm Opa Windschief eine große Hilfe. Er ist robust und manchmal etwas ruppig und seltsam, aber er weiß wie das Leben läuft und hat schon früh gelernt, alleine klar zu kommen. Er kümmert sich liebevoll um Samson, obwohl ihm sicherlich von Anfang an klar ist, dass der Hund nicht mehr lange zu leben hat. Mats erlebt mit seinen Opa eine ganz andere Lebensweise als in der Stadt und führt lange tiefsinnige Gespräche mit ihm, in denen er zum ersten Mal seine Gefühle offenbart. Mats erfährt von seinem Opa zum Beispiel, was es heißt glücklich zu sein, und diskutiert mit ihm, welche Farbe der Tod hat. Außerdem erklärt ihm Opa Windschief, dass das Leben auch ohne Samson weitergeht und dass der Tod nicht schlimm ist, wenn man vorher, so wie Samson, ein glückliches Leben geführt hat. In diesen Gesprächen finden sich einige Lebensweisheiten und philosophische Ansätze, die sich auch schon junge Leser nachdenklich stimmen können.
Trotz der neuen Umgebung und den Gesprächen mit seinem Opa leidet Mats unter starken Verlustängsten, da er schon seinen Vater verloren hat - und nun ist auch sein treuer Gefährte Samson krank. Auch das fortgeschrittene Alter seines Opas wird ihm bewusst. Mats hat Angst, dass immer wenn es ihm besonders gut geht, ein lieber Freund sterben muss. Die Thematik des Todes ist allgegenwärtig. Doch Mats erlernt durch den Umgang mit den sehr unterschiedlichen Charakteren neue Methoden mit seiner Verlustangst umzugehen. Durch seine neuen Freunde kann Mats seiner ursprünglichen Einsamkeit entfliehen und so leichter mit seinem Verlust umgehen. Besonders schön macht Annette Mierswa deutlich, dass auf jedes Ende auch ein Neuanfang folgt. Denn während es Samson besonders schlecht geht, nimmt ein kleines Katzenbaby von Opa Windschief nach und nach Kontakt zu Mats auf und tröstet ihn. Und auch die Metapher mit dem neuen Leben in Form eines Wallnussbäumchens auf dem Grab von Samson ist sehr gelungen.
Trotz der guten Umsetzung der Thematik durch Annette Mierswa sollten sich Eltern genau überlegen, ob das Buch geeignet für das eigene Kind ist. Denn trotz einiger lustiger Momente, vor allem im Zusammenhang mit Opa Windschief, ist die Geschichte doch eher schwermütig. Gerade bei beeinflussbaren oder ängstlichen Kindern könnten unnötige Verlustängste geschürt werden. Dagegen kann die Geschichte anderen, die selbst einen lieben Angehörigen verloren haben, vielleicht ein wenig Unterstützung bieten, um mit ihrem Schmerz umzugehen.
Fazit:
Samsons Reise ist eine bewegende Geschichte über die Gefühlswelt eines kleinen Jungen und den Verlust seines geliebten Hundes. Mit berührenden Metaphern und klugen Dialogen gelingt Annette Mierswa die Balance zwischen Trauerbewältigung und einem schönen, lebensbejahenden Kinderbuch, in dem das Glück am Ende überwiegt.
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