Unsere Tierklinik - Rehkitz in Not

Gleich zwei Bücher von Tatjana Geßler sind zeitgleich bei planet girl unter der Überschrift "Unsere Tierklinik" erschienen: "Kätzchen vermisst" und "Rehkitz in Not". Schon der erste Blick auf das Cover von "Rehkitz in Not" verrät: es handelt sich um ein Mädchenbuch - obwohl auch ein Junge mitspielt. Die Leser/innen erwartet eine spannende Geschichte mit der mutigen und beherzten Marie, ihrer Familie und ihrer besten Freundin Maike - und natürlich mit einem Rehkitz. Mit einem Rehkitz?...

Maries größter Traum ist es, wie ihr Vater, Tierarzt zu werden. Schon jetzt ist sie eine tolle Hilfe in der Praxis.

Eines Tages überrascht ihr Vater sie mit einem eigenen Hund. Ein langer Wunsch geht in Erfüllung und Marie nennt den Kleinen "Straciatella". Freudestrahlend läuft sie zu ihrer Freundin und stellt ihn vor. Diese bekommt zeitgleich ebenfalls einen Wunsch erfüllt: Maike bekommt ein dickes Pony. Es wird Herr Huber genannt - wie der Arzthelfer in der Praxis von Marie´s Vater. Voller Glück machen sie sogleich einen Ausritt zu viert. Dabei entdecken sie ein verletztes Rehkitz mit einer schweren Eisenkette um den Hals. Der Versuch, es einzufangen, schlägt jedoch fehl.

Markus, ein Junge aus der Klasse über Marie, den sie nicht besonders mag und der ihr noch einen Gefallen schuldet, bringt jedoch abends das verletzte Rehkitz in die Praxis. Marie und ihr Vater leisten sofort Erste Hilfe - alles gelingt, das Rehkitz muss jetzt nur noch trinken. Das wird jedoch schwerer als zunächst angenommen. Erst durch die liebevolle Zuwendung Straciatellas fängt das Rehkitz an, aus der Flasche zu trinken und ist so gerettet - zur Freude aller. Aber wie konnte einem zarten Rehkitz nur so etwas zustoßen?

Marie und Maike begeben sich auf eine gefährliche Spurensuche. Bei einem Unwetter verirren sie sich und gelangen immer tiefer in den Wald. Sie entdecken eine Hütte, aber dort beobachten sie, dass ein Wilderer dem Metzger aus der Stadt ein totes Wildschwein verkauft. Zu ihrem Entsetzen müssen sie sehen, dass dort zwei weitere kleine Rehkitze an Eisenketten festgebunden sind. Marie und Maike finden dank der guten Spürnase von Straciatella schließlich den Heimweg.

Ein Plan wird geschmiedet. Die Rettungsaktion in der Nacht, bei der sie die Hilfe von Markus brauchen, startet ohne das Wissen der Eltern. Mit viel Glück und dank der beherzten Hilfe Dritter, gelingt es ihnen dem Wilderer zu entkommen, Hilfe zu holen und somit die Rehkitze zu retten.

Nach einer gehörigen Standpauke der Eltern und dem Versprechen, nie wieder allein so eine gefährliche Aktion zu starten, sind alle froh, dass alles so glimpflich ausgegangen ist. Zur "Strafe" müssen die drei neuen Freunde Marie, Maike und Markus die drei Rehkitze aufpäppeln.

Die Autorin der neuen Buchserie bei planet girl/Thienemann, Tatjana Geßler, stammt selbst aus einer Tierarztfamilie und war schon als Kind eine echte Tierfreundin. Die TV-Moderatorin und Journalistin hat innerhalb der Landesschau beim SWR eine eigene Tiersendung, in der sie spannende Geschichten über Tiere erzählt. So ist es wohl nur logisch, dass sie nun auch kleinen Tierfreundinnen, wie sie selbst eine war, spannende Geschichten über Tiere in Not erzählt und verbindet den nicht unerheblichen Niedlichkeitsfaktor eines Schützlings - wie hier bei einem Rehkitz - mit immer neuen Geschichten zu einer Serie, dessen Dreh- und Angelpunkt die Tierarztpraxis von Maries Vater ist.

Dabei ist "Unsere Tierklinik - Rehkitz in Not" eindeutig ein Mädchenbuch. Wer von dieser Geschichte jedoch mäßige Spannung und gar Gefühlsduselei erwartet, wird von diesem spannungsgeladenen Abenteuer überrascht sein.

Darüber hinaus zeigen die drei Hauptcharaktere (Marie, Maike und Markus) ihren Lesern, was Zusammenhalt und damit echte Freundschaft bewirken können, auch unter weniger abenteuerlichen Umständen wie diese.

Am Ende wird jedoch deutlich, dass eine so gefährliche Rettungsaktion niemals von den Kinder allein hätte durchgeführt werden dürfen. Die Geschehnisse während ihrer Nacht- und Nebelaktion führen den drei Freunden deutlich vor Augen, wie wichtig es ist, sich besser Hilfe von den Erwachsenen zu holen. Die Eltern reagieren, trotz ihrer Furcht um die Kinder, klug und belassen die logische Konsequenz für das übereilte Handeln bei den Kindern: Sie müssen nun die Verantwortung für die drei kleinen Rehkitze übernehmen. Im Verlauf beschreibt Tatjana Geßler deutlich die Emotionen aller Beteiligten, sowohl die der Kinder als auch der Eltern.

Die 13 Kapitel des Buches sind in lesefreundliche Längen unterteilt, so dass ein kapitelabschließendes Vorlesen/Lesen möglich ist; es dürfte jedoch bei dem stetig ansteigenden Spannungsbogen so manches Mal schwer fallen, das Buch beiseite zu legen. Die ideenreiche und altersgerechte Sprache bewirkt eine schnelle Identifikation mit der Protagonistin und lässt den Zuhörer/Leser gut in das Abenteuer eintauchen - vor allem, wenn ein Faible für Tiergeschichten besteht.

Da Tatjana Geßler aus Sicht der dritten Person erzählt, können auch Zuhörer, die noch nicht soviel Spannung und gefahrenreiche Momente vertragen, das Abenteuer gut verkraften. Ebenso die kleinen "Nebengeschichten", wie die Erklärung der anfänglichen Wettschulden von Markus, oder die Ereignisse in der Praxis, geben ein abgerundetes Bild von der Welt in der sich Marie bewegt.

Dadurch, dass Tatjana Geßler die beiden Mädchen vieles beim richtigen Namen nennen lässt, muss sie nicht viel erklären. Eingebettet in dem ganz normalen Alltag, mit seinen vielen kleinen und manchmal auch besonderen Ereignissen, kann sich jedes Mädchen in Marie und Maike wiederentdecken.

Fazit:

"Rehkitz in Not" aus der Tierarztserie für Mädchen stellt das mutige und liebenswerte Mädchen Marie mit ihrer Freundin Maike vor. Tatjana Geßler gelingt es, ihre Leserinnen ganz in die turbulente Welt der beiden Mädchen zu holen. Der Spannungsbogen um die Rettung der Rehkitze hält von der ersten bis zur letzten Seite an. Mit Fingerspitzengefühl und Ernsthaftigkeit gelingt es Tatjana Geßler, die Gefahren einer solchen Rettungsaktion deutlich zu machen und lässt die sehr willkommene Verantwortung - nämlich die Pflege der süßen Rehkitze - für sich sprechen.

Sylke Wilmer-Gruchmann