Am dunklen Fluss

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJan 2011

Idee

Sehr dichte Charaktere und eine beeindruckende Geschichte, die das Leben der so unterschiedlichen Darsteller erzählt.

Bilder

Die s/w Illustrationen von David Small zeigen spannende Momentaufnahmen im Leben der Protagonisten. Mit leichtem Strich fängt er die eindringliche Atmosphäre und die Darsteller treffend ein.

Text

Sehr melodiöse, eindringliche Sprache, gleichzeitig schlicht und klar. Deutsche Übersetzung von Mirjam Pressler

[ab 11 Jahren]

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Ein alter Hund, der an der Kette liegt und drei Katzen, die seine einzige Familie sind, halten ihre Leser in Kathi Appelts Debüt-Roman "Am dunklen Fluss" in Atem. Bedroht von dem bösartigen Jäger mit Namen "Hechtmaul" sind sie Teil einer Geschichte die über tausend Jahre zurückliegt - in den Kiefernwäldern im Osten von Texas. In diesem wilden, einsamen Wald am Großen Tartine, dem Fluss der Tränen, warten uralte Kreaturen darauf, dass ihre Zeit kommen wird.

Ranger, ein in die Jahre gekommener Bluthund, liegt angekettet am windschiefen Haus von "Hechtmaul", seinem Besitzer. Der Mann, dessen wertvollster Besitz sein Gewehr ist, kennt nur Härte und Grausamkeit. Von dem trunksüchtigen Vater als Kind derart geschlagen, dass ihm der Kiefer brach, ist "Hechtmaul seitdem entstellt. Der Junge, der nicht einmal Liebe zu seiner Mutter empfindet, sucht Zuflucht in den einsamen Kiefernwäldern am "Fluss der Tränen". Hier gelingt es ihm zu überleben. Ranger ist dem Jäger stets ein wertvoller Gefährte; doch als der treue Jagdhund den Abschuss eines Luchses verhindert, da er begreift, dass das Luchsweibchen Junge hat, schießt er seinem Hund ins Bein. Seitdem liegt Ranger an der Kette und singt sein trauriges Lied.

Das hört eine kleine dreifarbige Katze, die von den Menschen im Wald ausgesetzt wurde. Sie ist trächtig und obwohl sie weiß, dass Hund die Feinde der Katzen sind, geht sie dem traurigen Gesang des Hundes nach. Beide, Hund und Katze, haben einander gesucht und gefunden und bleiben zusammen. Verborgen vor den Blicken des brutalen Mannes, bringt die kleine Katze zwei graue Kätzchen zur Welt: Sabina und Puck. Ranger hat nun eine Familie und liebt seine drei Kätzchen von ganzem Herzen. Die Kinder kennen die oberste Regel, sie dürfen nie das Versteck verlassen - nur dort sind sie in Sicherheit. Doch eines Tages verlässt der neugierige Puck das Versteck und wird prompt von "Hechtmaul" gepackt. Sabina, die verzweifelt versucht ihren Sohn zu retten, landet mit Puck in einem Sack. Bösartig wie "Hechtmaul" ist, wirft er den Sack mit den beiden Katzen in den Großen Tartine. Nur Puck gelingt es, wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen. Ganz auf sich allein gestellt, versucht er sein Versprechen, das er seiner Mutter gegeben hat, zu erfüllen. Er soll zu Sabina und Ranger zurückkehren und den alten Hund von seiner Kette befreien. Doch Puck hat nie gelernt, richtig zu jagen. Trotz der furchtbaren Erkenntnis, dass er seine Mutter niemals wiedersehen wird, erwachen Pucks Überlebenskräfte und es gelingt ihm schließlich, für sich zu sorgen und wieder zu Kräften zu kommen. Er weiß, um zu seiner Familie zurück zu kehren, muss er irgendwie über den Fluss gelangen.

Neben der Geschichte von Ranger und den drei Katzen erzählt Kathi Appelt noch eine weitere, die sich in den Sümpfen vor tausend Jahren ereignete. Sie handelt von einem uralten Wesen, das einst von den Meeren herkam. Die schwarze giftige Mokassin-Schlange ist eine Gestaltwandlerin. Befreundet mit dem König der Alligatoren, dem größten und ältesten Alligator, den die tausend Jahre hervorgebracht haben, lebt sie zufrieden in den Sümpfen der Tartine-Brüder, dem großen und dem kleinen Flussarm.

Doch sie sehnt sich nach ihresgleichen und als sie ihre Tochter findet, verliert sie sie an die Liebe eines Mannes. Sie ist voller Gift und sinnt nach Rache.

Unter der einst mächtigen Kiefer ist Großmutter Mokassin tausend Jahre gefangen. Und es ist genau diese Kiefer, in der in der Nacht, als "Hechtmaul" als Junge in den Wald kommt, ein gewaltiger Blitz einschlägt. Doch die Kiefer stirbt nicht sofort. Ihr Stamm ist noch stark und bietet Puck einen sicheren Zufluchtsort. Und nicht nur das: der alte Baum stürzt und wird Puck zu einer soliden Brücke über den reißenden Fluss. Doch dabei geben die Wurzeln des alten Baumes das Gefängnis von Großmutter Mokassin frei...

Der Debüt-Roman der Texanerin Kathi Appelt ist durch seine Vielschichtigkeit und aufgrund seiner besonderen Atmosphäre ein überaus gelungenes Erstlingswerk. So erstaunt es kaum, dass "Am dunken Fluss" bereits zahlreiche Preise erhielt, es kam auf die Auswahlliste des National Book Awards und wurde mit der Newbery Medal of Honor ausgezeichnet.

Schon nach wenigen Kapiteln kann man von dem Schicksal des armen alten Hundes und seiner Katzenfamilie nicht mehr lassen. Sie alle - auch die bösen und bitteren Darsteller dieser über tausend Jahre umfassenden Geschichte in den wilden, sumpfigen Wäldern Texas - verbindet eines: Nämlich der Verlust. Doch ein jeder entwickelt aus diesem Schicksalsschlag eine andere Haltung dem Leben gegenüber. Ranger behält sein gutes, tapferes Herz - ebenso wie die beiden grauen Zwillingskatzen. Und dies erzeugt neben all der Grausamkeit, die Kathi Appelt ihren Lesern nicht erspart, ein helles, warmes Grundgefühl, nämlich Hoffnung. Sie dringt durch die Schilderungen Kathi Appelts hindurch und lässt auch die jungen Leser nicht hoffnungslos zurück. Mit ihrer warmherzigen Sprache verleiht sie der Geschichte Ruhe und sie versteht es, Andeutungen wie kleine Markierungen zu setzen, die auf bessere Zeiten hindeuten.

Im Verlauf scheint es mehr und mehr, als habe Kathi Appelt selbst die Position der uralten Bäume, auf die sie sich immer wieder bezieht, eingenommen. Sie schildert, was sie in den vielen Jahren gesehen haben und kann auf diese Weise eine sehr alte Geschichte zu einer ganz neuen werden lassen. Über tausend Jahre miteinander verbunden, fügt sie die unterschiedlichen Lebenswege zusammen, so, wie es sein soll und doch so überraschend und spannend. Die meist sehr kurzen Kapitel wirken dabei wie Einblendungen, die uns einen intensiven Blick in die verschiedenen Ereignishorizonte gewähren. Alle sind jeweils mit einem Leitgedanken verbunden, der die Überleitung zu dem anderen Handlungsstrang herstellt. Dabei verdichtet Kathi Appelt die Handlung derart, dass man mit Herzklopfen die Geschehnisse verfolgt. So manches Mal steht das Schicksal der kleinen Familie auf Messers Schneide, doch ohne die echte Bedrohung erhielte die Geschichte niemals diese Glaubwürdigkeit und demzufolge auch nicht diesen derart fesselnden Spannungsbogen.

Beeindruckend ist dabei Kathi Appelts eigene Sprachmelodie, die u.a. durch ihre eindringlichen Wiederholungen nicht nur sehr einnehmend wirkt, sondern gerade jungen Lesern die Orientierung innerhalb der verschiedenen Rückblenden und Zeithorizonte erleichtert. Ihre treffende und abwechslungsreiche, manchmal fast beschwörende Sprache ist sicherlich auch der feinfühligen Übersetzung der vielfach ausgezeichneten Autorin und Übersetzerin Mirjam Pressler zu verdanken.

Am Ende schließt sich der Kreis in dem ausgehenden Leben der alten Weihrauchkiefer; die Schicksale verdichten sich zu einem Netz aus Erinnerungen, Versprechen, Täuschung und Rache, angetrieben durch Kraft der Liebe, die so stark sein kann, dass sie Wunder vollbringen aber auch zerstören kann. Ob Puck es schafft, Ranger zu befreien und auch Sabina vor Hechtmaul zu beschützen, sei hier nicht verraten. Nur so viel: Es lohnt sich, den kleinen Kolibri im Auge zu behalten.

Fazit:

Die poetische Geschichte um einen alten Hund und seine Katzenfamilie bleibt noch lange im Gedächtnis, so mitreißend und tiefgründig ist Kathi Appelts Debüt-Roman. Hier liegen Licht und Schatten so nahe beeinander, dass man einfach nicht anders kann, als mit den tapferen Helden mitzubangen. Ein Buch, das die Herzen der ganzen Familie erobern wird.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Am dunklen Fluss

Kathi Appelt, Ravensburger

Am dunklen Fluss

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