Abgeschoben von den eigenen Eltern - so fühlt sich Carlotta, als ihr Vater beruflich für ein Jahr weg muss und sie aufs Internat soll. Dabei war doch schon lange geplant, dass Carlotta mit ihrer besten Freundin Katie zusammen aufs Gymnasium geht. Trotzig stimmt Carlotta zu, das Internat auf Schloss Prinzensee zu besuchen, in dem auch schon ihr Vater war - aber nur für ein Jahr!
Seit Carlottas Eltern sich getrennt haben, hat sie oft komische Klumpen in Hals und Magen, die sich wie Steine anfühlen, denn alles ist anders geworden. Carlotta wohnt jetzt alleine mit Papa, und Mama hat eine neue Familie. Sie hat so einen kleinen, nilpferdartigen Kerl geheiratet und mit ihm Zwillinge bekommen. Auf ihre beiden Stiefbrüder muss Carlotta jetzt auch noch ständig aufpassen, während Mama mit ihrem neuen Mann abends weggeht. Für das, was Carlotta will, scheint sich niemand mehr so richtig zu interessieren. Dabei war früher doch alles so schön, als sie noch eine Familie waren.
Der größte Kloß bleibt ihr jedoch nebst Pizza im Halse stecken, als Carlottas Vater ihr offenbart, dass er für einen Dokumentarfilm über den Klimawandel für mindestens ein Jahr den Globus umrunden muss - ohne sie! Schnell ist klar, dass sie niemals mit dem Nilpferdmann und den beiden kleinen Schreihälsen bei ihrer Mutter wohnen will. Papa schlägt ihr als Alternative vor, sein altes Internat, Schloss Prinzensee, zu besuchen. Carlotta ist überhaupt nicht begeistert, kann sich aber nach einer Besichtigung vorstellen, es dort wenigstens für ein Jahr lang auszuhalten.
Anders als erwartet vergehen die ersten zwei Wochen im Internat wie im Flug und Carlotta lebt sich schnell ein. Nur mit ihren beiden Zimmergenossinnen wird sie nicht so recht warm, obwohl sie sich redlich Mühe gibt. Sofie kommt aus Belgien, ist spindeldürr, redet selten und versteckt sich immer hinter ihren langen blonden Haaren. Manuela dagegen kann man kaum übersehen: Sie ist ein bisschen pummelig, immer schlecht gelaunt und gibt jedem ständig Widerworte. Außerdem hat sie offenbar ein Geheimnis; denn des Nachts schleicht sie immer aus dem Zimmer und kommt erst in den frühen Morgenstunden wieder. Während Carlotta des Rätsels Lösung sucht, kämpft sie in der Ruder-AG vergeblich darum an alte Erfolge ihres Vaters anzuknüpfen. Und dann gibt es da noch Jonas, den Sohn vom Hausmeister, der auch auf dem Gelände wohnt, Carlotta ständig begegnet und sie immer neckt.
Auch wenn das Leben auf dem Internat manchmal nicht ganz einfach ist, wo man doch ständig mit allen anderen auf kleinem Raum zusammen ist, gewöhnt sich Carlotta immer mehr daran. Sie schafft es, das Rätsel um Manuelas regelmäßiges Verschwinden bei einem Ausflug während eines nächtlichen Gewitters zu lösen. Sie freundet sich nicht nur mit ihr und Sofie an, sondern löst auch ihr Problem mit der Ruder-AG. Der letzte Klumpen im Hals ist jetzt auch verschwunden, weil Carlotta sich mittlerweile unglaublich wohlfühlt und sich nicht mehr mit den Problemen ihrer Eltern herumärgern muss. Das Leben auf dem Internat geht für sie jetzt erst richtig los.
Mit "Carlotta Internat auf Probe" hat Dagmar Hoßfeld für ihre neue Buchreihe einen kurzweiligen Auftakt geschaffen. Es geht dabei um Familie, Freundschaft und natürlich auch um das alltägliche Leben auf dem Internat.
Dreh- und Angelpunkt des Buches sind die vielen verschiedenen Charaktere mit denen Carlotta zu tun hat und deren Interaktion untereinander. Dabei wirken die Darsteller zunächst ziemlich klischeehaft, wobei sie jeweils eine hervorstechende Eigenschaft besitzen. Auf diese Weise prägen sich die Charaktere schnell und problemlos ein. Da sind zum Beispiel Nadine und Simone, zwei zickige Lästermäuler, die immer zusammenstecken, ein überengagierter, langer, dünner Sportlehrer, die eitle und schweigsame Blondine Sofie, oder Jonas, der Sohn vom Hausmeister, der die elitären Schüler auf Schloss Prinzensee nicht leiden kann und immer einen kecken Spruch auf den Lippen hat.
Doch nach und nach durchlaufen einige der Charaktere eine Entwicklung bzw. lassen mehr Tiefe erkennen, wodurch ein unterhaltsamer Kontrast zwischen den oberflächlichen Randfiguren und den facettenreicheren Hauptpersonen entsteht. Am deutlichsten wird dies bei Manuela, die zunächst nur abweisend und ruppig jedem gegenüber ist. Nachts bemerkt Carlotta jedoch, dass die sonst so "toughe" Zimmergenossin gelegentlich weint - und gegen Ende offenbart Manuela sogar ihre Gefühle und erzählt von den privaten Problemen mit ihren Eltern. Hier zeigt Dagmar Hoßfeld, wie sehr der erste Eindruck trügen kann. Im Zusammenspiel mit Carlottas Gefühlswelt ergeben sich im Verlauf schließlich ambivalentere Schilderungen. Denn auch Carlotta ist innerlich hin und hergerissen zwischen ihrer Zuneigung zu ihren kleinen Brüdern und ihrem Gefühl der Ausgegrenztheit. Zwischen den beiden neuen Familienkonstellationen gefangen, hilft ihr der Abstand den sie im Internat gewinnt, um ihr eigenes Leben zu leben und sich frei von den Erwartungen gegenüber ihren Eltern zu machen, seien sie auch noch so nachvollziehbar und legitim. Die Freundschaft zu ihren Zimmergenossinnen Manuela und Sofie hilft ihr dabei und sie findet ein neue Vertrauensbasis und damit ein neues Zugehörigkeitsgefühl. Dennoch fehlt es der Handlung im Verlauf an Originalität, so dass sie ein wenig vorhersehbar und konstruiert wirkt. Nichtsdestotrotz können die Geschichten um Carlotta und ihre Freundinnen Mädchen ab 10 Jahren gut unterhalten; kurzweilig und unkompliziert wie die Wendung der Geschichte versprechen sie ein ebensolches Lesevergnügen.
Fazit:
Wer sich für Internatsgeschichten interessiert, macht mit Dagmar Hoßfelds "Carlotta Internat auf Probe" nichts falsch. Eingängige Charaktere, präpubertäre Gefühle und ein bisschen Familiendrama bilden den Auftakt für weitere Geschichten über Carlotta und entführen junge Leser in den ganz eigenen Mikrokosmos eines Internats.
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