Die Legende der Wächter - Die Entführung

Die Legende der Wächter - Die Entführung
Die Legende der Wächter - Die Entführung
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2010

Idee

Eine eigenständige Welt mit einem komplexen Gefüge, das die vielen nachfolgenden Abenteuer bereits erahnen lässt. Originelle Verbindung aus Fiktion und Fakten über die faszinierenden Nachtvögel.

Bilder

Auf dem Vorsatzpapier findet sich eine Karte über die Welt der Eulen und ganz zu Anfang schöne Strichzeichnungen der wichtigsten Akteure - von Wahed Khakdan. (Im Innenteil keine weiteren Illustrationen)

Text

Ausführliche Beschreibungen der Umstände, ernsthafte, zuweilen auch emotionalere Betrachtungen, die es auch ungeübten Lesern leicht machen, Sorens Eindrücken zu folgen.

Als Soren, mittlerer Spross zweier stattlicher Schleiereulen, aus seiner Bruthöhle fällt, packen ihn fremde Krallen und verschleppen ihn in das "St. Ägolius-Internat für verwaiste Eulen". Soren ist nicht der einzige, der entführt wurde. Zahllose weitere kleine Eulen verschiedenster Gattungen werden hier unter grausamen Bedingungen festgehalten. Schnell findet Soren heraus, dass das verbrecherische Regime mit dem Raub der Jungvögel einen düsteren Plan verfolgt.

Natürlich ermahnen die Eltern die Kinder - wenn sie ein "Ästling" sind und im Baum herum springen dürfen - nicht zu waghalsig zu werden und auf keinen Fall aus dem Nest zu fallen. Soren ist, ganz anders als sein überheblicher Bruder Kludd, ein zurückhaltender und liebevoller Bruder, der sich immer sehr an die Anordnungen seiner Eltern hält. Umso mehr wundert es ihn, als er sich plötzlich auf der Erde, viele Meter unterhalb des Nests wieder findet. Erst viel später gesteht er sich ein, dass er nicht von selbst gefallen ist: sein großer Bruder Kludd hat ihn gestoßen.

Die Neuzugänge in St. Ägolius, dem Internat für verwaiste Eulen, zu denen nun auch Soren gehört, werden in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Dabei fällt Soren gleich ein kleines Elfenkauzmädchen auf, das sich ihm als Gylfie vorstellt. Doch ihre Namen sollen die angeblichen Waisen von nun an vergessen. Jeder erhält eine Nummer. Erst wer sich für St. Ägolius verdient gemacht hat, darf wieder einen Namen tragen. Unverzüglich wird damit begonnen, die Erinnerungen der kleinen Eulen zu löschen, indem sie die ganze Nacht dem Mond ausgesetzt werden. Gylfie erklärt Soren, dass sie so "mondwirr" gemacht werden sollen. Ihr Marsch durch die Schluchten von St. Ägolius dauert die ganze Nacht - mit kurzen Schlafunterbrechungen. Dabei dürfen sie aber auf keinen Fall ihren Kopf unter ihre Flügel stecken. Ihr Kopf muss stets dem Mond zugewandt sein, sonst drohen drakonische Strafen.

Gylfie und Soren, die die methodische Gehirnwäsche rechtzeitig als solche entlarvt haben, finden Möglichkeiten, sich dieser Prozedur zu entziehen und geben von nun an nur vor, mondwirr zu sein. Am Tag müssen sie hart arbeiten. Dabei werden sie auch im "Gewöllorium" zum Gewölle-Aussortieren eingeteilt. Ziel dieser Maßnahme ist es, die begehrten "Tupfen" zu finden. Was es mit diesen kostbaren Tupfen auf sich hat, bleibt für die beiden Eulenkinder ein Geheimnis. Für die verbrecherischen Herrscher von St. Ägolius allerdings auch. Man weiß nur, dass eine große Macht von den Tupfen ausgehen soll.

Da es nicht erlaubt ist, in St. Ägolius irgendwelche Fragen zu stellen, müssen Soren und Gylfie ihre Recherchen sehr geschickt anstellen. Sie wollen nicht nur aus dem Waisenhaus fliehen, sondern auch mehr über die Motive von St. Ägolius erfahren. Das ist nicht leicht, doch durch Schmeicheleien und Vorspiegelung totaler Mondwirrniss kommen sie schließlich an verantwortungsvollere Posten und begegnen zwei tapferen Widerständlern, die ihnen nicht nur Antworten geben können, sondern ihnen auch das Fliegen beibringen - denn das Fliegenlernen ist im St. Ägolius unter keinen Umständen erlaubt. Zudem wird den Eulenkindern jeglicher Flugdrang genommen, indem ihnen regelmäßig von Vampir-Fledermäusen, Blut abgesaugt wird. Durch diese Maßnahme arg geschwächt, kann sich das Gefieder der Eulen nicht mehr richtig entwickeln und die Willenlosigkeit der Eulen tut ihr Übriges.

Grimbel, einer ihrer beiden geheimen Freunde, verhilft ihnen schließlich zur Flucht. Für Soren und Gylfie ist es das erste Mal, dass sie fliegen. Leider haben sie das Landen nicht lernen können und so kommt es, dass Gylfie schließlich kopfüber an einem Ast hängt. Ein Bartkauz von stattlicher Größe hilft ihr aus der Patsche. "Morgengrau", so der Name des Bartkauzes, erzählt ihnen von seiner Entführung als Küken und wie er den Häschern entkommen konnte. Ganz auf sich allein gestellt, hat sich Morgengrau durchgeschlagen. Soren und Gylfie wird das Ausmaß des verbrecherischen Treibens in St. Ägolius umso deutlicher, als Morgengrau von den zahllosen Verbrechen und der völligen Ahnungslosigkeit der meisten Eulen erzählt. Morgengrau, Soren und Gylfie sind fest entschlossen der "Legende der Wächter", die für das Gute eintreten, zu folgen. Einer alten Sage nach leben die Eulenritter auf der Insel des Großen Ga´Hoole-Baums.

Die amerikanische Kinder- und Jugendbuch-Autorin, Kathryn Lasky, hat bei der Recherche für ein Sachbuch über Eulen ihre Liebe für diese außergewöhnlichen Tiere entdeckt. Sie war so sehr von den Nachtvögeln fasziniert, dass sie eine Fantasy-Saga über sie erschuf, die mittlerweile einen Zyklus von 15 Bänden umfasst. Die ersten drei Bände sind bereits in deutscher Sprache erhältlich; dem ersten Band "die Entführung" folgt "Die Wanderschaft" und schließlich "Die Rettung". Die Legende der Wächter kam auf die Bestsellerliste der New York Times und wurde in zwölf Sprachen übersetzt. 2010 sind die tapferen Eulen aus dem Wald von Tyto nun auch auf der Kinoleinwand zu sehen.

Schon auf den ersten Seiten merkt man, dass Kathryn Lasky sich sehr mit dem Leben der Eulen befasst hat. Sie findet eigene Ausdrücke und Rituale, um das Familienleben und die Entwicklung der kleinen Eulen nachvollziehbar zu machen. Eigenarten der Eulen gegenüber anderen Vogelgattungen webt sie geschickt in die Geschichte ein und beschreibt anschaulich deren unterschiedliche Physiognomie. Die Besonderheit der Schleiereulen, der "Tyto alba", die allesamt aus dem Waldkönigreich Tyto stammen, liegt eindeutig in ihren dunklen Augen und ihrem herzförmigen Gesicht. Die anderen Eulenarten beschreibt Kathryn Lasky über Größe, Augenfarbe sowie Gefieder, wobei sie spezielle Besonderheiten einer Art hervorhebt und sie nicht selten mit dem Charakter des Vogels kombiniert. Wer am Anfang - da im St. Ägolius zunächst viele Gattungen und Namen vorgestellt werden - ein wenig die Orientierung verliert, kann im Anhang des Buchs unter der Überschrift "Eulen und andere Tiere" nachlesen, um wen es sich gerade handelt und welche Rolle derjenige spielt. Am Anfang des Buches zeigen feine Strichzeichnungen das Aussehen der verschiedenen Akteure. Das ist sehr hilfreich, um sich als Nicht-Eulenkenner vorstellen zu können, wie die einzelne Eulenart aussieht. Noch besser hätte ich gefunden, wenn hier auch die unterschiedlichen Größenverhältnisse richtig wiedergegeben wären.

Über weite Strecken des Buches geht es um das System, das hinter dem Regime steckt und wie Soren und Gylflie Wege finden, sich dem zu entziehen. Dabei werden Sorens und Gyflies Spielräume immer enger, je älter und flugtüchtiger sie werden. Die zumeist bedrückenden Stationen ihres Aufenthalts und der Wahnsinn hinter dem Plan, alle Eulen zu unterdrücken und gefügig zu machen, trägt eindeutig gesellschaftspolitische Anspielungen. Es geht um Widerstand - auch unter den fast unmöglichen Bedingungen eines totalitären Regimes - und um Zivilcourage. Vor allem aber um den Kampf für die Freiheit.

Kathryn Laskys Sprache ist emotional, manchmal auch ein wenig langatmig, aber vor dem Hintergrund, dass auch ungeübtere Leser und Leserinnen dieses Buch erleben möchten, ist dies sicherlich kein großes Manko. Etwas zu flach bleiben mir jedoch die Hauptcharaktere in dem ersten Band. Einige Bemerkungen oder Gedanken wirken nicht immer logisch hergeleitet, finden aber vielleicht in den nachfolgenden Bänden ihre Erklärung, wie wohl auch die Charaktere vertieft werden.

Damit stellt der erste Band eher eine Einführung, als eine in sich abgeschlossene Erzählung dar, die ihre Leser ab 10 Jahren über die Faszination für diese so andersartigen Welt erreicht. Vor allem wenn die Besonderheiten dieser wunderschönen und majestätischen Greifvögel, die wir, als "Tagaktive", kaum zu Gesicht bekommen, einmal Interesse geweckt haben, kann ich mir gut vorstellen, dass junge Leser auch zu den Nachfolgebänden greifen werden - zumal es sich abzeichnet, dass die Geschichte um Soren noch richtig an Fahrt gewinnt. Dies ist zweifellos auch der Grund, warum der Kinofilm den Inhalt der ersten drei Bände erzählt.

Fazit:

Kathryn Lasky erzählt eine Geschichte über Freiheitswillen und Zivilcourage, die sich ganz in der Welt der Eulen abspielt. Dabei vermischt sie geschickt fantastische Elemente mit interessanten Einblicken in die Natur der Nachtvögel. Sorgsam führt sie ihre jungen Leser im ersten Band an den traurigen Ausgangspunkt heran, die den Helden einer uralten Legende folgen lässt, um seine Welt zu retten. Ein interessanter Auftakt für die zahlreichen, nachfolgenden Abenteuer.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Die Legende der Wächter - Die Entführung

Kathryn Lasky, Ravensburger

Die Legende der Wächter - Die Entführung

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