Oskar und Mathilda - Ein Stiefel voll Glück
- Coppenrath
- Erschienen: September 2010
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Oskars Vater ist plötzlich einfach verschwunden. Die Mutter und Oskar verlassen ihr Zuhause und ziehen in ein Gartenhaus inmitten eines Villen-Vororts. Nur seinen alten Teddy, eine Tüte Mokkabohnen, ein Backbuch und einen einzelnen Stiefel nimmt Oskar mit - und seine Leidenschaft für die Zahl Drei. Dass er in seiner misslichen Lage gerade auf die kluge und eigensinnige Mathilda trifft, ist sein Glück.
Das Gästehaus im Garten von dem älteren Herrn Heinrichen ist winzig und bietet nur das Nötigste. Oskars Mutter versucht das Beste aus ihrer Situation zu machen und macht eine fröhliche Miene. Doch Oskar fühlt sich einfach mies. Er kann sich gar nicht vorstellen, sich hier je heimisch zu fühlen.
Dann lernen wir Mathilda von Dommel kennen, die gerade Privatunterricht beim "schönen Schorsch" hat. Während sie über Adjektive und Adverbien nachgrübeln soll, macht sie sich lieber Gedanken darüber, wie man einen Mofa-Motor zum Laufen bringt. Mathilda ist schlauer als Einstein, doch der bemühte Lehrer ist für diese Erkenntnis zu langsam und langweilt das aufgeweckte Mädchen. Wieder einmal schafft es Mathilda, in einem günstigen Moment zu türmen und huscht, wie immer, durch die Hecke zu ihrem Nachbarn "Opa Heinrichen".
Hier trifft sie plötzlich auf Oskar. Sie wundert sich sehr über den Stiefel, den der fremde Junge unter dem Arm trägt. Oskar findet das Mädchen mit den Wuschelhaaren auch recht eigenartig. Doch anhand der Anzahl ihrer Schritte, die sie jeweils von der Hecke zum Gartenhaus brauchen, weiß Oskar, dass es gut war, Mathilda zu treffen - denn beide Zahlen lassen sich durch Drei teilen.
Durch einen merkwürdigen Zufall landet Oskar in Mathildas Geheimversteck, das direkt über der kleinen Wohnung im Gartenhaus liegt. Und da Oskar nun schon mal da ist, weiht Mathilda ihn in ihr größtes Geheimnis ein. Ihr Versteck bietet allerlei gebrauchte Dinge, die man als Spürnase braucht. Das Mädchen erzählt, dass sie alles von ihren Eltern bekäme, wenn sie nur danach fragen würde. Doch das will Mathilda nicht.
Oskar versteht, dass er und seine Mutter - verglichen mit den von Dommels - ganz und gar nicht reich sind. Aber das stört ihn nicht. Vielleicht auch deshalb, weil Mathilda rundheraus sagt, dass sie die "piekfeine" Gesellschaft nicht mag und dass sie empört darüber ist, dass sie sie so viel und die anderen an "der Bohmfelder" so wenig zum Leben haben. Damit meint sie auch ihren Freund Julius, dessen heißgeliebtes Mofa kaputtgegangen ist, wofür er so lange gespart hat. Sie durfte den Motor behalten und hat dabei ein schlechtes Gewissen. Zumindest aber fühlt sie sich dafür verantwortlich irgendetwas mit dem Motor anzustellen - und sei es nur festzustellen, ob er noch funktioniert.
Dann gibt es aber ein Problem: Opa Heinrichen hat einen Drohbrief bekommen. Wenn er nicht innerhalb einer Woche seinen Garten in Ordnung bringt, würden das andere für ihn übernehmen, lautet der Inhalt.
Schließlich steht sogar die Polizei vor der Tür. Es gab eine Anzeige. Opa Heinrichen wird verdächtigt, die vorbildlich gepflegten Gärten seiner Nachbarn vorsätzlich zu verunreinigen. Auch Oskars Mutter wird befragt, deren Aufenthalt den Nachbarn ebenfalls ein Dorn im Auge ist. Während sich Mathildas Eltern und die anderen Nachbarn immer mehr in das unglaubliche Vergehen an ihrer repräsentativen Ordnung hineinsteigern, passieren sehr merkwürdige Dinge in Opa Heinrichens Haus. Eines Nachts geht das Licht ständig an und aus und eine weiße Gestalt "spukt" durch Haus und Garten.
Mathilda ahnt bereits, dass es sich nur um eine Verschwörung der Nachbarn handeln kann. Doch wer ist die Person, die nachts in Opa Heinrichens Haus eindringt und den ganzen Unrat sowie den Löwenzahn auf Frau Seselfinks englischem Rasen zu verantworten hat? Mathilda klügelt einen ziemlich verwegenen Plan aus und stellt sich dabei auf eine weitere schlaflose Nacht ein. Vor allem hofft sie, dass Opa Heinrichen die Stellung hält.
Mit ihrem ersten Band über Oskar und Mathilda zeigt uns Patricia Schröder eine ebenso gegensätzliche wie auch alltägliche Welt der Kinder. Das wird deutlich, wenn man die Lebensumstände der beiden Kinder Oskar und Mathilda betrachtet. Wie die Tatsache, dass der soziale Brennpunkt der Stadt, die "Bohmfelder Straße" nur eine halbe Stunde von dem Stadtteil der Superreichen entfernt ist, so liegen auch die sozialen Umstände, in denen die beiden Freunde heranwachsen, in Opa Heinrichens Garten so nahe und doch so weit auseinander. Oskar, der mit seiner Mutter in eine mehr als günstige Behausung umziehen muss, da der Vater nun nicht mehr für deren Lebensunterhalt sorgt, weiß genau wie viel ihm und seiner Mutter geblieben ist, nachdem sie alles verkauft haben. Mathilda zählt sich selbst zu den "feinen Pinkeln"; doch sie rebelliert gegen die vordergründig schöne und doch so leblose Welt mit ihren getrimmten Gärten und ihren penibelst gepflegten Häusern. Sie verurteilt die ungleiche Verteilung des Wohlstandes auf ziemlich unverblümte Weise, dabei geht sie auch manchmal zu weit. Ein wenig gönnerhaft wirkt es nämlich schon, wenn sie bei einer Haushaltsauflösung "dem Typen" in einem der Hochhäuser fünfmal mehr für einen WLAN-Stick bezahlt, als gefordert.
Mathilda ist ihren Freunden gegenüber loyal und macht keine Unterschiede, zu welcher Schicht jemand gehört. Patricia Schröder nimmt diese kindliche Klarheit mit der Rolle der beiden Kinder auf und zeigt mit ihrem Blick auf die Welt, wie "arm" Kinder auf beiden Seiten der Gesellschaft sein können. Für Mathilda ist der Garten von Opa Heinrichen ihr einziger Zufluchtsort. Hier darf sie wild sein, darf sich ausprobieren, spielen und Kind sein.
Beide Kinder verbindet der traurige Umstand, dass ihnen ihre Väter sehr fehlen. Der eine, in Mathildas Fall, hat scheinbar keinerlei Interesse an seiner Tochter; die sonst so entschlossene Mathilda weiß nicht, wie sie an ihre Eltern herankommen soll. Sie nehmen sie einfach nicht ernst. Das findet Oskar fast noch schlimmer als seine eigene Situation, denn sein Vater kann nicht bei ihm sein. Wie sich im Verlauf der Geschichte herausstellt, ist der Vater in einer Psychiatrischen Klinik.
Ganz zart sind unter der immer größer werdenden Vertrautheit auch erste Gefühle der Verliebtheit zu erahnen. Dabei ist Mathilda wie immer sehr offen und sagt frei heraus, wie sehr sie ihr "Oskarchen" mag. Oskar hingegen zeigt ihr dies eher durch eine seiner berühmten Mokka-Torten, die er für sie backt.
Oskars Vernarrtheit in die Zahl Drei - die "Dreier-Magie" - scheint Oskars Halt in der unsicheren Lebenssituation zu sein. Tatsächlich lotet er jede neue Situation auf das rechnerische Ergebnis Drei aus. Wenn die Anzahl der Schüler in seiner neuen Klasse mit ihm durch drei teilbar ist und die Anzahl der Mädchen und Jungen jeweils ebenso, dann hat Oskar die Gewissheit, dass alles gut wird.
Für die lesenden Kinder ab etwa acht Jahren sind es mitunter auch kleine mathematische Herausforderungen, die sie im Rahmen der humorvollen und spannenden Geschichte sicherlich gerne annehmen.
Patricia Schröder verwendet in ihrer quirligen Erzählung viele Dialoge und lässt ihre Leser an den Gedanken der beiden Protagonisten teilhaben. Kindern wird die freche, direkte Art Mathildas ebenso gefallen wie Oskars ruhige und eher bedächte Haltung. Das und Oskars teilweise etwas verschrobene Attitüden - und die haben sympathischer Weise beide Kinder - bietet den Lesern, sowohl Jungen als auch Mädchen ab 8 Jahren, sehr lebendige Identifikationsfiguren.
Fazit:
In Patricias Schröders erstem Band über die Abenteuer von Oskar und Mathilda erzählt die vielseitige Autorin nicht nur eine turbulente Detektivgeschichte, sondern auch eine Geschichte über Verlassenheit und Unsicherheit.
Dass dies der Stoff sein kann, aus dem wunderbare Freundschaftsgeschichten entstehen können, beweist Patricia Schröder in "Oskar und Mathilda" mit Humor und Einfühlungsvermögen.
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