Erik ist ein großer Elch, mit ziemlich langen Beinen und einem stattlichen Geweih. Er möchte unbedingt in das Buch passen, aber das ist leider nicht groß genug für ihn ...
...egal wie sehr Erik "schiebt und scharrt und strampelt". Vergebens. Dann versucht er es "pressend, quetschend, zwängend rückwärts", wobei sein Freund, das kleine Streifenhörnchen, mit aller Kraft an seinem Schwanz zieht. Eriks Bauch und sein Kopf passen leicht in das Buch, doch zusammen mit dem Geweih und seinen langen Beinen wird es einfach nichts. Doch kurz bevor Erik enttäuscht aufgeben will, hat das pfiffige Streifenhörnchen eine Idee. Eine buchstäblich "großartige Idee". Wir sehen noch, wie es Erik ins Elch-Ohr flüstert und dann kommt es, wie im Hamsterrad rennend, mit einem Klebeband wieder. Erik, der im Gegensatz zu uns eingeweiht ist, sammelt nun mit Streifenhörnchen jede Art von Papier ein: Liniertes, kariertes, Geschenkpapier, Tapete, Packpapier ...
Aus dem zu kleinen Buch wird schließlich eines mit einer sehr, sehr großen Seite zum Aufklappen. Und siehe da: Der ganze Erik ist darauf zu sehen!
So einfach die Idee an sich eigentlich ist, so liebenswert-witzig ist sie von Catherine Rayner umgesetzt. Das überaus charmante Bilderbuch, in dem die Akteure direkt mit dem Medium selbst, nämlich dem Buch, interagieren, erschien bereits 2009 bei Macmillian Children´s Book unter dem Titel "Ernest". Die schlichten, eher minimalistischen Illustrationen auf dem Millimeter-Papier eines Zeichentisches versprühen einen unverwechselbaren Charme. Erik mit seinen Knopfaugen und seiner dicken, weichen, braunen Elchschnute inmitten seines hellen Fells, ist schon auf dem Cover ein echter Hingucker. Sein Freund, das Streifenhörnchen, unterstreicht mit seinen witzigen Aktionen - um und auf Erik - sowohl die stattliche Größe des liebenswerten Elches als auch dessen eigene Quirligkeit. Mal reckt es keck den Kopf zu seinem Freund auf oder liegt grübelnd auf dem Rücken des ebenso ratlosen Huftiers. Auge in Auge können die beiden nur miteinander sprechen, wenn sich Streifenhörnchen an das Geweih des großen Freundes hängt.
Dabei fällt Catherine Rayners lockerer, schneller Strich ins Auge, der unbekümmert und ganz natürlich wirkt. Damit bringt sie Eriks schlaksige Art auf den Punkt. Bei dem Streifenhörnchen musste sie ein wenig ruhiger und genauer arbeiten, auf diese Weise ist jeweils ein in doppelter Hinsicht gegensätzlicher Charakter entstanden. Die beiden ergänzen sich nicht nur sehr gut, es ist auch ein gut gewähltes Mittel der Autorin und Illustratorin. Denn, mal ehrlich, noch einen Elch hätte das Buch kaum verkraftet und wir hätten gleich zweimal nur "Tierausschnitte" gesehen.
Der Eindruck, dass man als Leser im unmittelbaren Geschehen ist, wird noch durch den Einsatz der besonderen stilistischen Mittel unterstützt. Ähnlich wie bei der Collagentechnik, setzt Catherine Rayner sehr einfallsreich verschiedenste Muster und Papierschnipsel ein, um den authentischen Eindruck, die beiden bastelten gerade tatsächlich an dem Buch, zu verstärken. Besonders schön: Beim Einsammeln des Papiers hat Erik auch einige gestreifte, linierte oder mit Sternchen bedruckte Papierbögen auf seinem Geweih aufgespießt. Wieder einmal, weil er ja zu groß für das Buch ist, sind hier nur Augen, Ohren, "Schnute" und Geweih zu sehen. Zum Ende, dem Clou des Buches, finden wir daher viele unterschiedlich gemusterte Papierschnipsel und -bögen, die, mit einzelnen Klebestreifen gut sichtbar aneinandergeheftet, die Arbeit der beiden Freunde zeigt. Damit wirkt die letzte Seite, die man zweimal aufklappen muss, um Erik in seiner ganzen Pracht zu sehen, tatsächlich wie selbst gebastelt.
Fazit:
Charmant, einfallsreich und einfach hinreißend. So kommt Erik der Elch daher und beweist, dass man auch mit sehr wenig Text eine einzigartige Geschichte erzählen kann - wenn man nur die richtige Idee hat. Catherine Rayner hatte sie - und hat darüber hinaus einen wirklich unverwechselbaren, liebenswerten Charakter geschaffen, der Kinder jeden Alters begeistern wird.
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