[ab 11 Jahren]
Dem Autor der erfolgreichen "Ismael"-Buchreihe, Michael Gerard Bauer, gelingt es in "Der Kampf der Dino-Ritter", Science-Fiction, Ritter und Dinosaurier in nur einem Abenteuer miteinander zu verbinden. Das klingt schon mal spannend - aber wie soll das gehen? Daher eines vorweg: In der Zukunft ist so manches möglich...
... sogar die Zeitreise eines gigantischen Theropoden mit der Bezeichnung "Baryonyx walkeri" in die Gegenwart. Es ist das Jahr 2013 - für uns Leser nicht mehr fern, aber freilich noch nicht unsere Gegenwart, sondern die von Professor Shaw, der alles für das Gelingen dieses einen Projektes geopfert hat. Für fünf Sekunden soll das Urtier durch die Jahrmillionen hindurch, unter der Kuppel des Forschungszentrums erscheinen, ehe es in seine Zeit zurück geschickt wird. Es würde das meistfotografierte Objekt der Welt sein und Professor Shaw würde zweifellos in die Geschichte eingehen.
Der Enthüllungsjournalist Murdo hat da seine Zweifel; aller Versuche des Wissenschaftlers, dieses Wunderwerk mit einfachen Worten zu erklären, zum Trotz. Doch als das Experiment misslingt und der Theropode, statt unter der Kuppel des Forschungszentrums, im späten Mittelalter landet, entscheidet Murdo McCormick sich, bei der Lokalisierung des Dinosauriers zu helfen.
Währenddessen sehen sich die Menschen im Mittelalter einem Ungetüm gegenüber, das sie nur als Drache identifizieren können.
William O´Dale der verstoßene Leibarzt von Lord Avery, wird Zeuge wie der Vogt Osric von dem riesigen Maul des Urzeittiers in Stücke gerissen und verschlungen wird. Einzig tröstend ist, dass es nicht gerade den falschen erwischt hat: Der Vogt ist ein betrügerischer Geldeintreiber und bereichert sich auf Kosten der armen Bevölkerung.
Alarmiert eilt William O´Dale zur Burg. Er will vor dem Drachen warnen und von dem schrecklichen Tod des Vogts berichten. Aber statt ihm Glauben zu schenken, wirft ihn Bernard Tessel, der Burggraf des Lords, in den Kerker. Schon am nächsten Morgen soll William O´Dale wegen Mordes am nächsten Galgen baumeln. Tessel - ebenso korrupt wie der Vogt - hat ein reges Interesse daran, den einstigen Vertrauten des Lords endgültig aus dem Weg zu räumen. Da hilft es auch nicht, dass die Überreste, die der alte Meister Rolfe im Wald vom Vogt fand und nun dem Gericht präsentiert, kaum einen Zweifel an O´Dales Version der Geschichte lassen. William O´ Dales Söhne Roland und Oswald sind verzweifelt. Doch der Ritter Sir Langston kommt ihnen zur Hilfe und hinterlässt ihnen alte Rüstungen und Waffen. Die Brüder werden den Drachen stellen und den Beweis liefern, dass ihr Vater die Wahrheit gesagt hat.
Als die Hinrichtung bereits im Gange ist und William O´Dales letztes Stündlein schlägt, eilt ein Knabe in Ritterrüstung auf die Burg zu.
Er trägt den Zahn des Ungetüms als Beweis bei sich. Dann taucht plötzlich vor aller Augen der Drache auf.
In der Zwischenzeit ist es Murdo gelungen, aufgrund historischer Zeichnungen und Schriften, Zeit und Ort der "Drachenerscheinung" einzugrenzen.Tatsächlich findet er in den alten Dokumenten das Wappen eines Ritters, das Ähnlichkeit mit dem Theropoden zeigt. Professor Shaw setzt alles auf eine Karte und kann das Tier tatsächlich lokalisieren. Doch anstatt das Tier sofort wieder in dessen eigene Zeit zu katapultieren, riskiert Shaw alles, um es doch noch in die Gegenwart zu holen ...
Mit seinem Science-Fiction-Fantasy-Roman bewegt sich der australische Autor Michael Gerard Bauer auf ganz neuem Terrain. Sonst eher den Abenteuern in der Realität zugewandt, geht er dieses Mal sehr ideenreich die unwahrscheinliche Verbindung zwischen Rittersagen und Dinosaurier an. Dabei führt er seine Leser mittels "Zeitmaschine" gleich in drei unterschiedliche Epochen: Die Ur-Zeit, das Mittelalter und die nicht allzu ferne Zukunft. In seiner ganzen Anlage erinnert mich die Geschichte jedoch weder an "Jurassic Parc" noch an "Zurück in die Zukunft", wie vom Verlag angekündigt. Bauers Geschichte besticht vielmehr durch seine eigenständigen Ideen sowie durch seine überaus gelungenen Charakterdarstellungen. Hier zeigt sich wieder Bauers großes Talent, mit seiner lebendigen Erzählweise ein spannendes Geflecht aus Schicksalen und Begegnungen zu erschaffen. Er gibt jedem Held eine eigene, persönliche Geschichte und damit eine nachvollziehbare Motivation für sein Handeln.
Scheint der Roman zunächst ohne Berührungspunkte auf drei Ebenen zu verlaufen, so verwebt sich das Schicksal der Protagonisten unmittelbar ab dem Punkt, da der Dinosaurier fälschlicherweise ins Mittelalter entschwindet. Die Forscher der Zukunft und die ahnungslosen Menschen des Mittelalters, deren Glauben an Drachensagen neu entfacht wird, werden einander niemals begegnen und doch haben sie einen unrevidierbaren Einfluss aufeinander. Bauer erzählt die Geschichte von einem Vater und seinen Söhnen, die einer Intrige zum Opfer gefallen sind und nun unter der Willkür der Mächtigen leiden. Sie erhalten erst durch das Auftreten des vermeintlichen Drachen die Gelegenheit, ihr Schicksal zum Besseren wenden. Die Bösewichte werden allesamt entlarvt, die Edlen belohnt - wie es sich nun einmal in einer Rittersage gehört. Und selbstverständlich ziert am Ende der Drache als Wappentier den Schild des edlen Ritters.
Die Schilderungen aus dem Forschungszentrum versprühen eher die Coolness eines toughen Journalisten in einem Science-Fiction-Thriller. Die trockenen Sprüche des abgebrühten Murdo dürften vor allem Jungen gefallen. In diesem Kontext hat sich Bauer viel Mühe gegeben, das Wunderwerk wissenschaftlich und nachvollziehbar darzustellen. Er geht mit realistischen Hintergründen an den Aufbau der Geschichte, was so manches einleuchtend erscheinen lässt; sogar der "Baryonyx" existierte wirklich. Dabei behält er viele Details im Auge, so dass sich die Ereigniskette ganz logisch und sinnvoll fortsetzt.
Sehr bewusst nimmt Bauer auch die Perspektive des Theropoden auf; diese Schilderungen sind etwas beschreibender und nüchterner, verfehlen aber keinesfalls die gewünschte Wirkung. Bauer zielt darauf ab, das Mitgefühl der Leser für das verwirrte Tier zu wecken, das plötzlich, ganz isoliert, einer fremden Welt ausgesetzt ist und mit seinen primitiven Instinkten versucht, zu überleben.
Gibt es aus Sicht des Dinosauriers naturgemäß keinerlei Anlass für eine humorvolle Perspektive, so schöpft Bauer dies sowohl im Spannungsfeld zwischen Murdo und dem Wissenschaftler aus, als auch bei seinen eigenwilligen Charakteren im Mittelalter. Vor allem der alte Meister Rolfe, der vor dem Gericht ganz ungerührt Körperteile des Vogts anschleppt, ist Bauer überaus gut gelungen, denn dieser geizt bei aller gebotener Unterwürfigkeit nicht mit Sticheleien gegen die Obrigkeit. Wann immer die temporeiche und spannende Erzählweise es zulässt, bringt Bauer seinen besonderen Sinn für groteske Situationen ein, die gerade zum Ende hin ein wenig Schadenfreude aufkommen lässt. Wie der Autor in einem Interview zu Beginn seines Romans ganz richtig resümiert, steht es letztlich 1:0 für den Dinosaurier - aller Bemühungen der Menschen zum Trotz, sich in sein Leben zu mischen.
Zunächst aber verlangt es vom Leser einige Konzentration ab, um sich innerhalb der Zeitsprünge und den zunächst voneinander unabhängigen Geschichten zurechtzufinden. Dabei ist es zunächst, dass ein Symbol am Anfang der Kapitel schon Aufschluss darüber gibt, um wen und um welche Zeit es in der darauffolgenden Episode geht. Ich würde dieses Buch daher Jungen ab 11 Jahren empfehlen. Sie sollten allerdings schon einige Leseerfahrung haben, denn Bauers Sprache ist reichhaltig, bildreich und besticht durch seine für ihn so typischen humorvollen und klugen Zwischentöne. Wenn man einmal in der Geschichte Fuß gefasst hat, wird es umso leichter den Schicksalen der sehr verschiedenartigen Protagonisten zu folgen. Dies erreicht Bauer u.a. sehr geschickt durch seine kurzen Kapitel, die immer mit einem kleinen Cliffhanger enden. Wenn das Kapitel, da der Vogt vom Dinosaurier gefressen wird, damit endet, dass "ein zäher Sprühregen auf die Baumkronen" prasselt, dann wird sich kaum ein Junge dieser martialischen Darstellung entziehen können. Dies und die immer schneller aufeinanderfolgenden Szenenwechsel lässt sie am Ball bleiben, zumal die Dramaturgie des Romans sehr an einen filmischen Ablauf erinnert.
Fazit:
Michael Gerard Bauers Abstecher in die Fantasy-Welt ist wirklich gut gelungen: Die Mixtur zwischen mittelalterlicher Abenteuergeschichte, urzeitlichen Echsen und Science-Fiction ist einfach gut erzählt und dramaturgisch mitreißend umgesetzt. Ein Buch, das gerade Jungs ab 11 Jahren begeistern dürfte.
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