Wenn ich ein Vöglein wär

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonMai 2010

Idee

Es ist schon erstaunlich wie Mario es schafft mit seiner künstlerischen Besessenheit den Aufgaben eines Amselvater gerecht zu werden. Doch er schafft es und seine Frau vertraut ihm und lässt ihm seine künstlerischen Ambitionen.

Bilder

Hildegard Müller trifft die Körpersprache der Amseln und fängt auch ihre Aktionen wunderbar ein. Erstaunlich, wie viel Ausdruck sie dem niedlichen Amselmann um den Schnabel zaubert.

Text

Die Sprache ist wunderschön und dem Thema ganz entsprechend. Sehr eingängiger Erzählryhtmus, aus diesem Grund eignet sich das Buch besonders gut zum Vorlesen.

Hanna Johansen erzählt aus dem Leben eines ehrgeizigen Amselhahns. Er ist der beste Sänger weit und breit; doch das genügt ihm in diesem Jahr nicht. Er findet die alten Lieder langweilig. Eines Tages hört er die kleine Nana auf ihrer Flöte "Wenn ich ein Vöglein wär´" spielen. Da steht für den gefiederten Sangeskünstler fest: Das will er auch können!

Wenn die Amsel singt, das wissen wir, ist das Ärgste überstanden - der Frühling ist da. In dem Haus, auf dessen Dach der Amselhahn so gerne singt, ist seine Rückkehr nicht unbemerkt geblieben. Das kleine Mädchen Nana freut sich, dass ihr "Mario" wieder da ist.

Mario hat bald eine Menge zu tun. Er füttert seine Küken mit Regenwürmern und verteidigt sein Revier mit seinem Gesang. Zunächst will es ihm nicht recht gelingen, doch nach und nach kommen die alten Melodien wieder. Aber der Künstler Mario ist nicht mehr zufrieden mit den alten Liedern, die nur immer wieder sagen "Guten Morgen! Hau ab! Hier bin ich!". Er findet, dass irgendetwas fehlt. Dann hört er, wie Nana auf ihrer Flöte das alte Lied "Wenn ich ein Vöglein wär`" spielt und ist fortan fest entschlossen, diese Melodie zu lernen. Während die erste Brut aus dem Nest ist und durch die Gegend läuft - denn fliegen können sie noch nicht - legt die Amselfrau schon wieder neue Eier. Mario ist vollauf beschäftigt, das Lied zu üben und die Kinder zu hüten. Schließlich gelingt ihm das Lied immer besser und das bleibt auch anderen Amseldamen nicht verborgen. Dieser Situation ist unsere Amseldame jedoch voll und ganz gewachsen und verscheucht die Rivalin mit lautem Geschrei. Mario findet das ein wenig schade, sagt aber nichts. Stattdessen übt er fleißig weiter. Dabei wird er allzu leichtsinnig und beinahe hätte ihn die Katze erwischt, wenn nicht seine Frau ganz laut "Igittigittigittigitt!" gerufen hätte.

Am Ende sind die älteren Vogelkinder schon davongeflogen und die neuen Küken werden auch bald das Nest verlassen. Mario, der hofft, dass seine Kinder viel von ihm gelernt haben, setzt sich zufrieden auf das Dach uns singt sein neues Lied.

Wie wahrscheinlich viele, beobachte ich "unsere" Amseln in unserem Garten. Ich füttere sie im Winter und freue mich, wenn im Frühjahr endlich wieder ihr wunderschöner Gesang von den Dächern ertönt. Hanna Johansen nimmt uns mit in Marios Welt und schildert einfühlsam, was den tapferen Amselhahn umtreibt. Dabei bleibt sie der Natur der Amseln treu und transportiert ihr Verhalten wunderbar in unsere Menschensprache, ohne zu viel hinein zu interpretieren.

Wir erfahren, während wir Marios Zaudern und Hadern mit seinem Gesang miterleben, wann seine Frau das Nest baut, wann Eier darin liegen und welchen Gefahren die Singvögel ausgesetzt sind. Zwei Bruterfolge hat das Paar in diesem Jahr. Dabei klingt immer wieder humorvoll durch, welchen "Stress" der Amselvater durchstehen muss, da sein Nachwuchs überall herumschwirrt, immerzu hungrig ist aber vor Gefahren nicht davonfliegen kann.
Dies alles erzählt Hanna Johansen fast beläufig, denn Marios Fokus liegt auf dem einen, besonderen Lied, das er unbedingt beherrschen will.

Um es einmal auf die Spitze zu treiben, würde ich sagen, dass die Rollenverteilung bei den "Amsels" ziemlich klar ist. ER will sich künstlerisch weiterentwickeln, gibt sich mit der traditionellen Kunst nicht mehr zufrieden und SIE ist für die praktischen Dinge zuständig. Dennoch: Der Amselvater kümmert sich verantwortungs- und liebevoll um seine Brut und vergisst nur über seinen Gesang, dass auch ihm Gefahren drohen. Wie gut, dass er eine Frau hat, die so hellwach im Leben steht. Ihre Geduld mit ihm ist rührend und man ahnt, dass ihr das Verhalten ihres Hahns ein wenig schleierhaft ist. Denn als Mario ihr das alte Volkslied aus dem 18. Jahrhundert zu Gehör bringt, entgegnet sie ihm nur liebevoll: "Ich glaube, du bist ein Vöglein".

Sehr witzig übersetzt Hanna Johansen die Sprache der Amselhähne, die so wunderschön auf den Dächern und Bäumen singen. Besonders schön gelingt es ihr, die Warnrufe, die die Amseln abgeben, etwa mit einem lautmalerischen "Duckduckduck" oder "Igittigittigitt" darzustellen. Sie beschreibt beispielsweise, wie Mario laut kreischend auf das Dach flüchtet und aufgeregt mit seinen "zwölf Schwanzfedern" und seinen Flügeln wippt.

Kindern wird so auf erzählerische und stimmungsvolle Weise, das Leben einer Amsel nahegebracht - in einer Sprache, die dem Thema ganz entsprechend ist. Dabei sind Hanna Johansens Texte ebenso schlicht wie melodiös. Diese Sprachmelodie wird maßgeblich durch die Zeilenumbrüche - beinahe Versmaße - erzeugt, in der der Text gegliedert ist. Wenn man sich beim Vorlesen diesem Maß anpasst und an den entsprechenden Stellen kurz pausiert, wird man feststellen, dass ein sehr eingängiger Erzählryhtmus entsteht. Vom Verlag ab 8 Jahren empfohlen, finde ich, dass sich das Buch genau aus diesem Grund besonders gut zum Vorlesen eignet und es daher auch schon Kinder ab 6 Jahren begeistern kann.

Die Illustrationen von Hildegard Müller bestehen aus s/w Zeichnungen mit Farbtupfern im Gelb-Orange-Bereich, wie sie jedes Mal beim Schnabel und bei den Augen des Amselhahnes zu sehen sind - aber auch bei der getigerten Katze oder den noch nackten Küken. Einige braune Akzente werden aus diesen Farben gesetzt, wie zum Beispiel im Federkleid der Amselfrau. Marios Aktionen sind besonders schön anzusehen, zum Beispiel wenn er gerade einen Wurm "anvisiert" oder sorgenvoll umherwandert. Die Illustrationen sind meist freigestellt und wirken auf dem leicht abgetönten, festen Papier sehr warm und klar. Hildegard Müller trifft die Körpersprache der Amseln und fängt auch ihre Aktionen, wie zum Beispiel den Nestbau, wunderbar ein. Es ist schon erstaunlich, wie viel Ausdruck sie dem niedlichen Amselmann um den Schnabel zaubert.

Fazit:

Hanna Johansens leise Poesie aus dem heimischen Garten zeigt unsere schwarzgefiederten Sänger, die uns tagtäglich so nahe sind, auf eine wunderschöne Weise. Sehr empfehlenswert für all jene Menschen, die die Natur um sich herum aufmerksam betrachten.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Wenn ich ein Vöglein wär

Hanna Johansen, Hanser

Wenn ich ein Vöglein wär

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