Ferien im Schrank
- Thienemann
- Erschienen: Mai 2010
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Warum die schwierige Wahl für neue Möbel treffen, wenn das Einrichtungshaus doch ein vielseitiges Sortiment an Wohnideen bereit stellt? Anton und seine Familie drehen den Spieß beim Möbelkauf um: nicht die Möbel kommen zu ihnen, sondern sie ziehen zu den Möbeln! Und damit erleben sie die wahrscheinlich ungewöhnlichsten Ferien ihres Lebens!
Endlich stehen die großen Ferien vor der Tür! Und seit langem sind sich der zehnjährige Anton und seine zwei Jahre ältere Schwester Ida bei einer Entscheidung einig: Sie wollen den anstehenden Urlaub viel lieber gegen neu eingerichtete Zimmer tauschen. Denn "schweinchenrosa Schnörkelbett" und "kackbraunes Sofa" sind wirklich peinlich! Das alles haben sie ihrer Mutter und deren Ungeschmack zu verdanken, wegen dem sie in ihrem kleinen Zwergenhäuschen in einer Art Mini-Museum für Einrichtungsgegenstände im Rentenalter leben. Mama ist sichtbar geknickt und enttäuscht, als sie die Bitte ihrer Kinder hört. Das Geld ist knapp, sie hatten doch seit Jahren auf einen Urlaub gespart und zum Beispiel auf die Reparaturen der alten Strom- und Rohrleitungen im Haus verzichtet. Es muss sich etwas ändern, damit sich alle in den alten vier Wänden wohlfühlen.
Mama gibt dem Wunsch der beiden schweren Herzens nach. Sofort werden Möbelkataloge gewälzt. Für eine Woche dürfen sie jeden Tag ein neues Möbelstück aussuchen und mitnehmen. Doch schon am ersten Abend gibt es pubertierendes Theater: Ida gefällt das neue rote Regal doch nicht, sie möchte umtauschen. Nach drei Tagen Hin und Her mit Rückgabe, Aufbau, Abbau, Streitereien und verstopften Klo wird es Mama langsam zu bunt. "Am liebsten würde ich alles stehen und liegen lassen und abhauen!" ist ihre frustrierte Reaktion. Dazu weiß Anton einen genialen Rat: Er schlägt vor zu Couch & Co. zu ziehen. Denn wo sonst sollte man besser leben können als in einer voll ausgestatteten Wohnwelt? Angesichts der verzweifelten Lage stimmt Mama sofort zu.
Und so beginnt am nächsten Morgen ihr kleines Abenteuer. Pünktlich zur Ladenschließung haben Anton, Ida, Mama und ihr jüngster Bruder Michel einen Plan ausgeheckt. Sie verstecken sich in einem der zahlreichen Schränke der Schlafzimmerabteilung und warten dort, bis kein Laut mehr zu hören ist. Nun bleibt nur noch die Spannung, ob es einen Nachtwächter gibt. Doch der verharrt jede Nacht in seinem Dienstzimmer. Also ist keine Gefahr in Sicht, es herrscht freie Bahn für Entfaltung und Erkundung!
Tagsüber können sie es sich in der Gartenmöbelabteilung gemütlich machen, abends bleibt die Qual der Wahl, welche der unzähligen Schlafzimmer und Küchen sie ausprobieren. Verglichen mit ihrem eigenen Zuhause, ist das Leben hier Luxus pur! So werden nach anfänglicher Vorsicht nach und nach alle Abteilungen durchforstet, das Schranksitzen bei Ladenschluss und das Ausleihen von Speisen aus dem SB-Restaurant werden zur Routine. Um sich richtig heimisch zu fühlen, holt Anton heimlich seine und Nachbars Kaninchen von zuhause. Er quartiert alle acht Tiere in zwei Bettkästen ein.
Doch das unbeschwerte Leben bei Couch & Co. hält aber auch eine Menge Tücken bereit. Ein unverhoffter verkaufsoffener Sonntag lässt das Familiengeheimnis beinahe auffliegen und Ida sucht verzweifelt "ihr" geliehenes Sparbärchen, das ihr kleiner Bruder netterweise ordnungsgemäß in den großen Angebotsstapel zurück geräumt hat.
Eines Abends beschleicht Anton das ungute Gefühl, bei seinem Rundgang beobachtet zu werden. Und tatsächlich wird er von Tiffy, die Tochter des Nachtwächters, "überfallen". Schnell freunden sich die beiden an. Tiffy findet den besonderen Urlaubsplan richtig cool und verspricht, dass sie das Familiengeheimnis für sich behält.
An einem Abend ist es dann soweit: Herr Yilmaz, der Nachtwächter, vermisst Tiffy und macht sich auf die Suche durch das Einrichtungshaus. Er entdeckt Mama und Michel und gerät außer Rand und Band. Doch Tiffy schafft es, zwischen Vater und Familie zu vermitteln und sie führen ihn beim gemeinsamen Frühstück und Grillen in der Gartenmöbelabteilung in die Vorzüge der regelwidrigen Unterkunft ein. Mama und Herr Yilmaz scheinen sich sogar richtig gerne zu mögen.
Doch dann müssen sie das Geschäft fluchtartig verlassen: Michel hat Antons Kaninchen, die sich mittlerweile zu einer Anzahl von 37 Tieren vermehrt haben, die Freiheit geschenkt und nun hoppeln sie durch alle Abteilungen und hinterlassen ihre Köttel im Salat im SB-Restaurant. Das Möbelhaus wird wegen Seuchenplage geschlossen. Zurück zuhause stehen viele Veränderungen bevor. Mama ist endlich bereit, das alte Haus in Schuss zu bringen. Es zeigt sich, dass Mamas Ungeschmack doch einen ganz großen Gewinn bringt...
Annette Roeder hat mit "Ferien im Schrank" ein beschwingtes und unterhaltsames Kinderbuch geschaffen. Gemäß dem Titel der Reihe Meine nicht ganz normale Familie nimmt sie den Leser mit zu einem außergewöhnlichen Ferienerlebnis. Der Inhalt des Buches bietet ausreichend Identifikationsmöglichkeiten: Anton und seine Schwester Ida spiegeln ein alltägliches Geschwisterpaar wider. Ihr Umgang miteinander samt Sticheleien und Streitereien sind den Lesern aus ihrer eigenen Lebenswelt bekannt. Beide Kinder werden als selbstständig und selbstbewusst dargestellt. Zudem verfolgen sie die kindlichen Wünsche nach Veränderung und Tatendrang und wirken somit authentisch. Der Leser kann sich somit schnell in die Geschichte integrieren und Sympathie zu den beiden Hauptpersonen aufbauen.
Mit Spannung werden die ersten Tage und vorsichtigen Erkundungstouren durch das Einrichtungshaus beschrieben. Immer wieder werden von der Autorin neue, einfallsreiche Aktivitäten hinzugefügt, so dass Antons und Idas Ferien zu einem umfangreichen Abenteuer werden. Alle Ereignisse sind wirklichkeitsgetreu auf das Geschehen in einem Einrichtungshaus zugeschnitten. Der Leser erkennt die Fiktion des Buches allein durch die sich häufenden, abnormen Erlebnisse, die während der dreiwöchigen Aufenthaltsdauer wohl kaum passiert sein können. Genau dieses Wechselspiel zwischen Realität und Fiktion wird den Leser in seinen Bann ziehen.
Der sachlogische Aufbau und die leichte, nicht zu komplizierte Schreibweise fügen sich zu einer ideenreichen, unterhaltsamen Leseatmosphäre zusammen, die die Leselust weckt.
Fazit:
Kinderleicht geschrieben, lässt "Ferien im Schrank" den jungen Leser an den außergewöhnlichen Ferien von Anton und Ida teilhaben.
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