Tikitonga
- Ravensburger
- Erschienen: April 2010
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Fantasievolle Abenteuerbücher über Piraten und fremde Länder kann man nie genug haben. Wenn es dann noch aus der Feder der bekannten Kinderbuchautorin Ursel Scheffler stammt, wird man besonders neugierig. Und tatsächlich ist die Geschichte, um das alte Hausboot "Tikitonga" stellenweise so spannend, dass es schwer ist, das dicke (Vor-) Lesebuch aus der Hand zu legen.
Bosse Waschbär ist fest entschlossen, seine Kariere als Schiffskoch an den Nagel zu hängen. Als er in der kleinen Hafenstadt Portaloo sesshaft werden will, bringt Fiete Frosch, der schnellste Briefträger der Stadt, ihm einen geheimnisvollen Brief. Darin steht, dass Bosse das alte Hausboot seiner abenteuerlustigen Tante Rita erbt. Das Boot, mit Namen Tikitonga ist nicht mehr seetüchtig. Bosse wird aber mit viel Überredungskunst seines Hasenfreundes Quassel davon überzeugt, dass es noch viel zu früh ist die Schiffskochschürze an den Nagel zu hängen. Fiete Frosch, der schon immer davon träumte die Welt zu bereisen, darf die beiden begleiten, da Wasser sein Element ist und er auf hoher See von großem Nutzen sein könnte.
Die Tikitonga wird von der Klabautermaus Tiki bewohnt, die Heimweh nach der Freundschaftsinsel Tonga hat. Daher zieht sie im Hintergrund häufig unbemerkt die Fäden. Für Menschen unsichtbar platziert die Maus z.B. eine alte Seekarte im Blickfeld der drei Seemänner in spe. Die Vorfreude auf einen Schatz treibt sie schließlich dazu an, das alte Boot wieder flott zu machen und in See zu stechen. Die kleine Geheimnisträgerin Tiki ist damit ihrem Ziel ein großes Stück näher gerückt.
Auf Ihrem Weg von Hafen zu Hafen erleben Hase, Frosch, Waschbär und Klabuatermaus die unglaublichsten Abenteuer. Sie halten zusammen in unzähligen gefährlichen Situationen. Meistern die fiesen Anschläge des rachsüchtigen Zauberers Katzimirs, dem Erzfeind von Bosses Tante Rita. Denken sich clevere Lösungen aus, wenn der Sägefisch Krrrk mal wieder Buchstaben in den Schiffsrumpf sägt und retten die Prinzessin Schuhschuh von Siam aus den Händen von Rattenpiraten. Spannend geht es ebenfalls zu, wenn Bosse mit seiner Kochkunst die Gunst der Löwenkönigin des Scheinkönigreiches Kardamom erringt und ein verliebter Zauberdrache die Freunde der Tikitonga in ein neues Abenteuer verwickelt.
So viel sei gesagt: Alle laufen schließlich heil und zufrieden in den Heimathafen Portaloo ein, wo den Helden zu Ehren ein rauschendes Fest gefeiert wird. Und Fiete Frosch kann endlich in die Arme seiner großen Liebe Finchen Specht sinken.
Ursel Scheffler beherrscht ihr Handwerk, da besteht kein Zweifel. Mit "Tikitonga" ist ihr mal wieder ein Buch gelungen, das sowohl zum Vorlesen, aber auch zum Selbstlesen bestens geeignet ist. Es enthält alle Indikatoren eines guten Kinderbuches, denn es ist spannend genug um Selbstleser bei der Stange zu halten, aber nicht zu spannend um die Kleineren vom Schlafen abzuhalten. Es ist lustig (was insbesondere auf die Namen zutrifft: Agent Ratzefutz, der fälschlicherweise immer Rattenfurz genannt wird, Pirat Harry Kiri, der vor nichts zurückschreckt und die Nachrichtenschwalbe Srrrt, deren beinahe lautloses Anschleichen bereits im Namen steckt) aber nicht kindisch. Und es hat eine Bootschaft, die sich artig zwischen den Zeilen bewegt und hier und da mal zum Vorschein kommt, ohne zu nerven.
Dieses Abenteuerbuch ist vor allem ein Buch über Freundschaft. Getreu dem Motto "Zusammen sind wir stark" bewältigen die Freunde so manche brenzlige Situation auf hoher See und an Land. Jeder hat Schwächen, die auch offen zutage treten, aber keiner macht sich lustig darüber. Jeder macht sich die Stärken des anderen zunutze, was dazu führt, dass sie als Team mutig und erfolgreich sein können. Quassel der Hase zum Beispiel ist wasserscheu, aber obwohl er eifersüchtig auf Fiete Frosch ist, kann er sich auf ihn verlassen, wenn es ums Tauchen geht. Dafür kann der sprachgewandte Hase toll Leute ausfragen was Fiete total unangenehm ist. Die Schiffscrew wächst schließlich so sehr zusammen, dass auch über Ängste und emotionale Themen, wie z.B. über das Verliebtsein , gesprochen wird.
Textlich verlangen die Kapitel den Lesern schon einiges ab. Die einzelnen Abenteuer sind in sich geschlossene Geschichten, die in fernen oder erfundenen Ländern spielen. Die kreativen Wortfindungen Ursel Schefflers sind häufig witzig, fordern aber auch den ein oder anderen Gedanken um die Ecke. Damit die einzelnen Kapitel nicht zu lang werden und immer wieder den Dreh zur Gesamterzählung bekommen, bedarf es häufig komprimierter Erklärungen. So wird z.B. geschildert, warum die Klabauter der Insel der Heulenden Hunde dort als gefürchtete Truppe ihr Unwesen treiben. Sie stammen ursprünglich von so geschichtsträchtigen Schiffen wie der Bounty und der Titanic. Der eine ist an der Meuterei, die andere ist am Untergang beteiligt. Hierbei handelt es sich eher um ein kleines Bonbon für die tüchtigen, erwachsenen Vorleser. Mit Kindern von 5 bis 7 Jahren sollten diese Passagen kurz durchgesprochen werden, da sie häufig dem besseren Verständnis dienen. Auch Wörter wie Audienzsaal, arglistig oder flimmernd werden nach kurzer Erläuterung den Sprachschatz der Kinder sinnvoll erweitern.
Das 320 Seiten umfassende Lesebuch ist eher spärlich illustriert. Die in schwarz-weiß gehaltenen Tuschezeichnungen der bekannten Illustratorin Betina Gotzen-Beek sind mit viel Liebe zum Detail entworfen und geben einen guten Eindruck darüber, wie man sich die einzelnen Charaktere vorzustellen hat. "Tikitonga" ist so vielfarbig und fantasievoll geschrieben, dass ein Zuviel an Illustration für die eigene Vorstellungskraft der Kinder eher hinderlich wäre.
Fazit:
Ein gelungenes Buch über Freundschaft und das spannende Leben auf See, das sprachlich fordert aber aufgrund der kreativen Schreibweise enorm viel Spaß beim Lesen macht. Interessant von der ersten Seite an.
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