So eine lange Nase

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Kinderbuch Couch
85%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonMär 2010

Idee

originelle Handlung um zwei Kinder und ein in die Jahre gekommener Zauberer. Die Charaktere werden lebendig beschrieben; durch das Abwechselnde Erzählen, lernen wir beide Kinder gut kennen.

Text

Lukas Hartmann erzählt abwechselnd aus der Perspektive der beiden Geschwisterkinder. Auch in der Sprache finden sich die Unterschiede wieder, sie entführt mit Leichtigkeit in zauberhafte-verrückte Welt Zervans.

Pit und seine Schwester Lena können dem spontanen Griechenland-Urlaub nichts abgewinnen. Es gibt keine Kinder zum Spielen und der "Briller" und die "Emse" - so nennen sie ihre Eltern - wollen ihre Ruhe. Sowieso sind die Erwachsenen nur mit sich selbst beschäftigt; kein Wunder also, dass sich die beiden Kinder aufmachen, um mit dem Zauberer Zervan in ganz außergewöhnlicher Mission davonzufliegen...

Pit erzählt; von der bevorstehenden Reise, seiner kostbaren alten Stoppuhr, die er von seinem Opa geerbt hat und von seinen Eltern, die immerzu streiten. In Griechenland angekommen, müssen er und seine ältere Schwester Lena schnell feststellen, dass am Strand rein gar nichts los ist. Immerzu dösen die Eltern auf ihren Sonnenliegen ein und denken gar nicht daran, mit ihren Kindern etwas zu unternehmen. Abends, nach dem Abendessen im Hotel, wird dann ein neuer Streit vom Zaun gebrochen.

Sie passen einen geeigneten Moment ab und machen sich auf Erkundungstour. Zunächst nur an besonders schönen Strandmuscheln interessiert, treibt sie ihre Neugier schließlich eine Steilküste empor. Das ist schon gewagt genug, doch dann hören sie, als sie sich ihren Weg auf der flachen Seite wieder herunter bahnen, merkwürdige Hilferufe. Und das Wehklagen scheint ausgerechnet von einem der kleinen Inselchen zu kommen. Nun gibt es für Lena kein zurück mehr: Sie müssen dem Menschen helfen. Von Felsen zu Felsen setzen sie schließlich zu der merkwürdigen kleinen Insel mit der "schrägen Sofalehne" über.

Hier übernimmt Lena das Erzählen, denn die Ausdrucksweise der Person, die sie auf der Insel treffen, ist so eigenartig, dass Pit sie nicht wiedergeben kann. Der merkwürdige alte Schrat, den sie in einer Höhle antreffen, ist wohl verzweifelt aber nicht in Lebensgefahr. Er erklärt den Kindern, dass er ein Zauberer sei, Zervan heiße und sich seit zweihundertfünfzig Jahren auf der Insel versteckt hält. Zervan kommt kaum aus seiner Höhle und versucht ständig, sein Gesicht vor den Blicken der Kinder abzuschirmen. Zervan hat ein ziemlich großes Problem in seinem Gesicht: Eine riesige, geradezu monströse, rot leuchtende Nase. Die hat ihm ein Widersacher angehext und Zervan findet keine Formel, um sie wieder los zu werden. Und überhaupt weiß Zervan nicht mehr die einfachsten Zauberformeln, die ein Zauberer nun einmal wissen muss.

Der erste Besuch bleibt noch unentdeckt. Doch als sie am nächsten Tag zu Zervan gehen, um ihm von ihrem Plan zu
berichten, Zervan solle sich doch von ihrem Onkel Otto, seines Zeichens plastischer Chirurg, operieren lassen, schaffen sie es nicht rechtzeitig. Pit und Lena kommen im Dunkeln zum Strand des Hotels zurück; alle Welt sucht sie, zu Wasser und zu Lande. Obwohl der "Briller" vor den Leuten noch den Freundlichen mimt, ist seine Wut auf die Kinder groß, seine Scham ebenso und die Strafe drakonisch: Lena und Pit sollen den ganzen nächsten Tag nicht mehr aus ihrem Zimmer kommen! Pit und Lena sind verzweifelt, wie sollen sie Zervan helfen? Noch optimistisch, dass sie irgendwie entkommen werden, leistet der Briller aber ganze Arbeit und vernagelt sogar das Fenster.

Lena hat schon einen Plan: Erstens, sie denken ganz fest an Zervan und bitten ihn um Hilfe, zweitens Lena schneidert aus der Lederjacke vom Briller ein Futeral für Zervans riesige Nase und drittens schlagen sie mit dem Stuhl das Fenster ein. Zervan, der die Hilferufe der Kinder empfangen hat, schickt mit einem Wetterzauber dichten Nebel zum Strand. Die Kinder können entkommen.

Für Pit und Lena steht fest: Sie werden Zervan zu ihrem Onkel bringen und ihre Eltern können ihnen gestohlen bleiben. Der fliegende Teppich wird geflickt, Zervan erinnert sich durch einem ziemlich eigenartigen Zufall an den Flugzauber und schon geht es los!

Als "Treibstoff" für die magische Kraft Zervans brauchen sie nur "Randensaft" (Rote Beete) - aber sie stranden dennoch hoch in den Bergen. Sie werden gerettet, bringen einen Hubschrauber unsanft zum Landen und beinahe wären sie verhaftet worden. Doch am Ende haben sie ihr wahres Ziel erreicht - auch wenn der Hauptkommissar nun verrückt spielt, Onkel Otto einen Nervenzusammenbruch erleidet und die ganze Welt sich einredet, dass der fliegende Teppich ein besoners innovatives Fluggerät sei.

Für den Roman "So eine lange Nase" wurde Lukas Hartmann mit dem Schweizer Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Die fantastische Geschichte für Kinder ab acht Jahren und erschien Anfang 2010 bei Diogienes als Hardcover.
Der vielgereiste schweizer Autor schildert mit "So eine lange Nase" eine ebenso amüsante wie anrührende Geschichte. Durch die abwechselnden Schilderungen, einmal durch Pit und einmal durch Lena, erfährt man die Geschichte nicht nur aus zwei recht interessanten Perspektiven, es werden sowohl Jungen als auch Mädchen angesprochen. Natürlich, ganz wie es bei Geschwistern so ist, versucht der eine die Aussagen des anderen zu relativieren, besonders wenn es um die Schwächung der eigenen Position geht. Aber auch in der Sprache finden sich die Unterschiede zwischen den beiden liebenswerten Kindern wieder.

Und liebenswert sind sie. Daher ist der Leser auch ohne lange zu überlegen bereit, sich auf ihre Seite zu stellen, wenn es Krach mit den Eltern gibt. Kein Wunder, denn der "Briller" zeigt sich als als echter Familientyrann und die "Emse" ist zu schwach, um sich wirklich gegen ihn durchzusetzen. Und das ist besonders traurig, wenn es um die Belange der Kinder geht. So streiten sie ständig und glauben, dass ihre Kinder nichts davon mitbekämen. Doch Pit und Lena machen sich schon seit langem bange Gedanken, ob sich ihre Eltern trennen könnten. Sie reden zunächst nicht darüber, doch die Begegnung mit Zervan macht ihnen Mut, sogar darüber offen zu sprechen.

Das schweißt sie zusammen und so können sie den Ausbruch aus dieser unglüclicklichen Familienkonstellation gemeinsam wagen. Wie einer eigenen inneren, scheinbar unwiderlegbaren Logik folgend, nehmen sie das Abenteuer auf sich und brausen mit Zervan in die Schweiz zurück.
Die Flucht mit Zervan auf dem fliegenden Teppich stellt auch eine Flucht aus ihrem Elternhaus dar. Sie machen sich unabhängig, gehen ihre eigenen Wege, da sie selbst kaum Beachtung bei ihren Eltern finden. Der Abnabelungsprozess nimmt seinen Lauf, als sie auf die Konsequenzen für ihr Fortlaufen pfeifen.

Ein schlechtes Gewissen haben sie schon ein wenig; aber allein schon die Tatsache, dass die Kinder ihre Eltern untereinander mit "Briller" und "Emse" nennen, zeigt ihren Frust und auch die Entfremdung. Auch dem Leser wird es dadurch leicht gemacht, nicht allzu viel Mitgefühl für diese beiden Streithähne aufzubringen. Eine beklemmende Familienkonstellation, die Lukas Hartmann jedoch nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern im Hintergrund belässt; bedeutsam zwar, aber nicht dominant.

Der Zauberer, etwas schrullig und manchmal auch mäkelig, erinnert mich ein wenig an den berühmten "Catweazle". Auch Zervan scheint aus der Zeit gefallen zu sein, besonders was seine Unkenntnis der Erfindungen des 20. Jahrhunderts angeht. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Reaktion der "realen" Umwelt auf die Geschehnisse um Zervan. Natürlich finden die Menschen allerlei Erklärungen für die eigenartigen Ereignisse und die Verwirrung der Mitmenschen wird von Lukas Hartmann wunderbar komisch geschildert.

Schade ist nur, dass das Buch in seiner Aufmachung Kinder nicht auf Anhieb ansprechen wird - eignet sich sein Inhalt doch wunderbar für die kindliche Fantasie und das Widerspiegeln der eigenen Erfahrungen und Vorstellungen. Sehr gut ließe sich dieses Buch als Gemeinschaftslektüre oder auch zum Vorlesen einsetzen. So spannend, wie Lukas Hartmann seine Geschichte auf die Spitze treibt - von der Realität hinein in den zauberhaft-verqueren Wirkungskreis Zervans - bleiben die Zuhörer mit Sicherheit gebannt bei der Sache. Sprachlich und atmosphärisch, so empfand ich es, haftet der Geschichte ein wenig das Flair der 70er Jahre an, obwohl es keinerlei Bezüge oder Anspielungen zu bestimmten Zeitabschnitten gibt. Also: zeitlose Unterhaltung für Jungen und Mädchen ab acht Jahren. Für die schweizer Ausdrücke - wie zum Beispiel "Randensaft" - gibt es am Ende des Buches ein Glossar, das die unbekannten Wörter erklärt.
Zu guter Letzt gibt es auch ein glückliches und berührendes Ende für Zervan und seine beiden kleinen Freunde. Kein wirkliches Happy End gibt es aber für die Eltern, sie bleiben - Versöhnungszauber hin oder her - streitsüchtig und nervig. Dennoch scheint es, dass sie doch ein wenig verstanden haben, was in ihren Kindern vorgeht. Die Kinder aber haben Zervan, der ihnen das Zaubern beibringt und sie versteht.

Fazit:

Lukas Hartmanns Roman für Kinder "So eine lange Nase" ist reich an Vorstellungskraft und beweist eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe. Unbeschwert und feinsinnig erzählt der schweizer Autor von einer turbulenten Reise, die einiges mehr zurechtrückt als nur eine zu lang geratene Nase. Mit einem Zauberer wie Zervan an der Seite ist nichts unmöglich - selbst unverbesserliche Eltern kann man mit seiner Hilfe noch etwas umerziehen.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

So eine lange Nase

Lukas Hartmann, Diogenes

So eine lange Nase

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