Ritter Rost macht Urlaub

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonMär 2010

Idee

Diese Sonderausgabe ist ein wichtiger Beitrag für die kindgerechte Erklärung von Begriffen in diesem Ausnahmejahr für das Ruhrgebiet. Bewährtes Konzept (Verbindung von Buch und CD) mit bekannten Charakteren, das immer noch viel Spaß macht.

Bilder

Kantige Illustrationen, skurrile Gestalten und effektvoller Einsatz von Farbe. Witzig und bis ins letzte Detail durchdacht.

Text

Texte und Lieder sind so modern und originell arrangiert, dass auch bei mehrmaligem Genuss keine Langeweile aufkommt. Die zusätzlich beigefügten Erklärungsseiten zur Ruhr.2010 sind sprachlich besonders gelungen.

[ab 5 Jahren]

Die Sonderausgabe Ruhr.2010 der Ritter Rost Reihe schickt die Bewohner der Eisenern Burg diesmal auf die Reise nach Schrottland. Für unsere eisernen Helden das Paradies, für die Leser besser bekannt als das Ruhrgebiet.

In "Ritter Rost macht Urlaub" regnet es seit Wochen im Fabelwesenwald und es besteht keine Aussicht darauf, dass das Wetter repariert werden kann. Weil auch Bö so sehr fröstelt, schlägt Koks vor "ins Land der Öfen, des Feuers und der ewigen Hitze" zu fliehen. Zu dritt besteigen sie Graf Zacharias von Zitzewitzens Zielflug-Zeppelin und fliegen nach Schrottland um dort Urlaub zu machen. Tatsächlich landen Sie an einem hübschen kleinen See mit einem hübschen kleinen Strand, der aber kein Geheimtipp mehr ist, sondern von vielen alten Bekannten( wie z.B. dem Bauchredner und Graf Knoblauch) bevölkert wird. Obwohl auch hier die Sonne durch dicke Rußwolken verdeckt ist, tragen alle trotzig ihr Badezeug. König Bleifuß der Verbogene ersinnt schnell einen ritterlichen Wettkampf, um mal wieder festzustellen, wer der "Schönste, der Stärkste und der Klügste ist". Aufgabe ist es, die Wolken zu vertreiben. Der vorlaute Ritter Rost meldet sich, noch bevor bekannt ist, dass der Gewinner auch die schwerverkäufliche Königstochter Magnesia ehelichen soll. Nun ist er verzweifelt. Ohne Bö und Koks scheint die Aufgabe unlösbar.

Während Ritter Rost noch mit seinem Schicksal hadert und wünscht, er wäre lieber zu Hause geblieben, finden das Burgfräulein und der Drache heraus, warum das Wetter so schlecht ist. Tief unter Tage versuchen die Ureinwohner Schrottlands, aus Mangel an Kohle, mit dem Verbrennen ihrer Gelsenkirchener Barock-Möbel und Spitzendeckchen das Feuer am Leben zu halten. Schließlich wissen sie nicht was ihre Aufgabe sein wird, wenn es keine Arbeit mehr im Stollen gibt. Vor lauter Rauch aus den Schornsteinen kommt die Sonne nun nicht mehr zum Vorschein. Da hat Bö eine gute Idee: zukünftig sollen die Spitzendeckchen nicht mehr verbrannt sondern an Touristen verkauft werden. Zur Freude aller Urlauber aber zum Leidwesen der skeptischen Ureinwohner erlischt das Feuer und die düsteren Wolken verschwinden. Ritter Rost, der wild aber erfolglos gegen die Schlechtwetterwolken gekämpft hat, wird für diesen Erfolg stürmisch gefeiert, widerspricht aber auch nicht, sondern prahlt in gewohnter Weise.
Kopfschüttelnd aber gönnerisch legt sich Bö in einen Strandkorb und genießt den Rest des Urlaubstages am Strand. Glücklicherweise hat der König vergessen, seine Wettbewerbsschulden zu bezahlen. Seiner Tochter Magnesia steht es damit frei, den verliebten Eisverkäufer zu heiraten und dem Ritter Rost fällt ein schweres Blech vom Herzen.

Der geistige Vater Ritter Rosts, Jörg Hilbert, kam zum Studieren ins Ruhrgebiet. Der Vater des Komponisten Felix Janosa arbeitete unter Tage. Der Ritter ist aus Ruhrgebietsgold gebaut und wohnt auf der Eisernen Burg, die den Isenburgen in Hattingen und Essen nachempfunden ist. Kein Wunder also, dass der Ritter Rost, insbesondere durch den fünften Band der im terzio-Verlag erschienenen Kinderbuchmusical-Reihe, zum Kinderbotschafter der Kulturhauptstadt 2010 wurde. Janosa, zuständig für die Musik aller Ausgaben, hat dem ganzen den letzten Schliff verpasst und eine Ruhr 2010-Version des Liedes "Kennst du das Land" beigesteuert, die sich gerade zur Ruhr-Hymne entwickelt.

Das bewährte Konzept der Reihe ist auch in diesem Buch, das ursprünglich bereits 1999 erschienen ist, gleichgeblieben. Mit viel Ideenreichtum kommt der blecherne Antiheld aus dem Fabelwesenwald mal wieder in die Verlegenheit mutig zu sein, ist aber wenig erfolgreich darin. Dank des vorlauten Drachen Koks und des mutigen Burgfräuleins Bö mit quasselndem Hut, kann sich der Ritter schließlich gekonnt aus der Affäre ziehen und sonnt sich um Ruhm der Anderen. Was für ein fauler Kerl, aber trotzdem irgendwie sympathisch unvollkommen.

Leider bleiben, im Gegensatz zu den Vorgänger-Geschichten, in dieser Ausgabe so viele Fragen offen. Warum verbrennen die Arbeiter Spitzendeckchen? Wie finden der Eisverkäufer und die Prinzessin Magnesia überhaupt zusammen? Warum werden die Grubenarbeiter als Zwerge dargestellt, die normalerweise in den Vorgarten gehören? Und welches ewige Feuer unter Tage ist denn nur gemeint? Nur Erwachsene mit Ruhrgebietshintergrund können diese Anspielungen auf den Strukturwandel verstehen.

Trotzdem begeistert auch diese Geschichte von Ritter Rost wie immer mit viel Witz und qualitativ gut gemachten Liedern mit modernen Arrangements, die auf der beiliegenden CD zu hören sind und die Handlung wunderbar unterstützen. Text und Noten sind ebenfalls im Buch abgedruckt, so dass die Lieder mitgesungen und -musiziert werden können. In jedem Fall lieben die Kinder die lustigen, häufig auch ein wenig ironischen, Gesangsbeiträge und singen immer lautstark mit. Die Ohren der großen Zuhörer werden ebenfalls geschont, da die eingängigen Rhythmen sich von üblichen Kinderliedern positiv abheben und nachhaltig überzeugen. Über die Qualität von Prinzessin Magnesias derber Vorstellung mit dem Titel "Eine ganz bezaubernde Schlampe" lässt sich sicher streiten. In der Regel gehen aber Kinder mit von Erwachsenen negativ besetzen Ausdrücken problemloser um, als man denkt.

Ergänzt wird der originelle Reisebericht durch die typisch kantigen Illustrationen, die dieses Mal auch ein spezielles Bild des ehemaligen Ruhrpotts entwerfen. Die skurrilen Gestalten bewegen sich zunächst zwischen grauen Fördertürmen, rauchenden Schloten, hinterlegten Spitzendeckchen und im Inneren eines Bergwerkes (dessen Eingang sehr an das Verwaltungsgebäude der Zeche Zollverein erinnert). Verblüffend ähnelt auch einer der Hauptschauplätze dem heutigen Strandbereich des Baldeneysees mit der dahinterliegenden (Krupp-)Villa "Hügel". Nachdem die Wolken vertrieben wurden sind die Farben fröhlich und die Bilder eher ländlich. Mal abgesehen von einigen vereinsamten Fördertürmen ist alles in freundliches Grün und Gelb getaucht und Sprühdosenschmetterlinge tanzen durch das Bild. Sicher eine Anspielung auf die spätere Umstrukturierung der Zechengebiete in Landschaftsparks.

Parallel sind vier kleine Erklärbücher zu den Themen Metropole Ruhr und Kulturhauptstadt, sowie über Ausflugsziele und besondere Ereignisse der Region erschienen. Damit diese komplizierten Begriffe, die dieses Jahr in aller Munde sind, auch von Kindern ab fünf verstanden werden, erklärt Ritter Rost - mit tatkräftiger Unterstützung von Bö - in ganz einfachen Worten die Zusammenhänge. In der Sonderausgabe gibt es auf zwei zusätzlich eingefügten Seiten einen gut verständlichen Auszug daraus. Dort wird sehr deutlich beschrieben, was der Zusammenhang zwischen der Erzählung und dem ehemaligen Ruhrgebiet ist. Gut erklärt, aber auch bitter notwendig, da ansonsten der Eindruck eines verrußten Landstriches bleibt, den das Ruhrgebiet eigentlich seit langer Zeit abgelegt hat. Aber auch die Eltern haben bei der Lektüre die Aufgabe, ergänzende Informationen beizusteuern. Sonst bleiben Fragen wie " Durften denn nur Zwerge unter Tage arbeiten?" unbeantwortet und unterstützen, was das heutige "Gesicht" des Ruhrgebietes angeht, unschönes Schubladendenken.

Fazit:

Die erfolgreiche und sinnvolle Kombination aus Buch und Musik CD funktioniert auch in dieser Ausgabe bestens. Diese Sonderausgabe ist originell und trägt sehr zum besseren Verständnis der speziellen Ausdrücke und Begebenheiten rund um die Themen Ruhrpott und Ruhr.2010 bei.

Gabriele Jansen

 

Ritter Rost macht Urlaub

Jörg Hilbert, Terzio

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