Der wunderbare Baum

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Der wunderbare Baum
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2009

Idee

Witzige Geschichte mit unverholener Ironie. Schnell werden die Kinder sich solidarisch mit der kleinen Häsin erklären, frei nach dem Motto: Ntungulu Mengenye!

Bilder

lebendig, farbenfroh, in ihrer Charakteristik sehr reduziert, doch ihre Farbbrilllianz und die vielen Muster und Strukturen machen die fröhlichen Illustrationen schwungvoll und ausdrucksstark.

Text

Die Sprache ist klar und sehr gut verständlich für Kinder ab 4 Jahren. Die Dialoge lockern den Text auf und trotz inahltlicher Wiederholungen wirkt der Text leicht und abwechslungsreich.

Nach einer mündlichen Überlieferung aus Tansania erzählt John Kilaka von einer Zeit, da die großen und kleinen Tiere zusammenlebten. Als im Land eine große Dürre ausbricht, müssen die Tiere hungern. Doch es gibt noch einen Baum, über und über beladen mit saftigen Früchten, der den drängenden Hunger der Tiere stillen könnte. Als die Früchte jedoch, trotz aller Bemühungen, nicht herunterfallen wollen, hat die kleine Häsin eine Idee: Sie schlägt vor, die weise Schildkröte um Rat zu bitten...

Alle Tiere finden, dass die Häsin da einen sehr guten Einfall hat. Doch sie selbst, da sie so klein ist, darf nicht gehen. Die großen Tiere sollen die Schildkröte um Rat fragen. So ziehen der Büffel und der Elefant los und erhalten das Zauberwort "Ntungulu Mengenye" - den Namen des Baumes - bei dessen Nennung die reifen Früchte von selbst herunterfallen würden. Elefant und Büffel sind überrascht, wie einfach alles ist. Doch auf dem Rückweg stolpert der Elefant und vergisst den Namen des Baumes. Da sich der Büffel auf den großen Elefanten verlassen hat, kann er sich auch nicht mehr entsinnen. So kehren die beiden größten Tiere ohne den Namen des Baumes zurück. Die Tiere sind enttäuscht und schicken das Nashorn, die Giraffe und das Zebra. Hier vergisst die Giraffe, auf die sich die beiden anderen Gefährten verlassen haben, über zwei grüne Blätter, welchen Namen ihr die Schildkröte genannt hat. Mit ebenfalls leeren Händen zurück, empören sich die anderen Tiere, wie drei Tiere nur einen Namen vergessen können. Schließlich werden die nächstgrößeren, der Löwe und der Leopard, zur Schildkröte geschickt, aber ach, auch sie kehren ohne den Namen zurück.

Nun steht fest: Alle großen Tiere haben versagt und konnten sich einen einfachen Namen nicht merken. Letztlich darf dann doch die Häsin gehen, um den Namen des Baumes mitzubringen. Und siehe da, sie ist die einzige, die den Namen nochmals wiederholt und sich auf ihrem Rückweg durch nichts ablenken lässt. Als die Häsin unter dem wunderbaren Baum den Namen "Ntungulu Mengenye" sagt, fallen die köstlichen Früchte zu Boden und alle Tiere können sich mehr als satt fressen.

Die traditionelle afrikanische Geschichte, die von John Kilaka in einem Dorf im Südwesten Tansanias aufgenommen, aufgeschrieben und illustriert wurde, erzählt mit unverholenem Spott und einer gehörigen Portion Witz, dass die "Großen" nicht deshalb alles besser können, nur weil sie groß sind. Durch die Vorurteile der "Großen" scheidet die kleine Häsin per se als Retterin in der Not aus - obwohl sie es war, die die richtige Idee hatte. Und so stolpern die "Großen" - im Falle des Elefanten im wahrsten Sinne des Wortes - über ihre eigene Überheblichkeit. Nur die Häsin wiederholt noch einmal gewissenhaft den Namen des Baumes und lässt sich bei ihrem wichtigen Auftrag von nichts ablenken. Etwas Schadenfreude auf Seiten der jungen Mitleser ist da schon erlaubt - und sicherlich auch vom Erzähler gewünscht.

Damit ermutigt die über viele Generationen überlieferte Geschichte die kleinen Zuhörer zu mehr Selbstvertrauen. So könnte "Ntungulu Mengenye!" schon bald zum Protest-Ausruf werden, wenn den Kleinen mal wieder nicht genug zugetraut wird. Oft schon beim ersten Vorlesen haben sich die, für unsere europäischen Ohren, fremdartigen Laute "Ntungulu Mengenye" bei den Kindern fest verankert - sind sie doch echte Sprachtalente. Dabei ist "Ntungulu Mengenye" auch in der afrikanischen Sprache ein Fantasiewort - wobei, wie der John Kilaka in seinem Nachwort anmerkt, vieles in ihrer Sprache so ähnlich klingt.

Der Text, aus dem Englischen von Barbara Brennwald, ist klar strukturiert und in kurze Sätze gefasst. Damit ist er bereits für Kinder ab vier Jahren sehr gut verständlich. Die vielfach eingestreuten Dialoge lockern den Text auf und trotz der inhaltlichen Wiederholungen - es kommen ja drei abgesandte Gruppen ohne den Namen des Baumes zurück - wirkt der Text leicht und abwechslungsreich.

Die Illustrationen wirken überaus lebendig und farbenfroh, in ihrer Darstellung sogar ein wenig naiv; doch bei genauerem Hinsehen erkennt man ihre Schönheit und Harmonie: Die Figuren, klar und reduziert angelegt, zeigen durch ihre Farbbrilllianz, in Ergänzung mit den abwechslungsreichen Muster und Strukturen, Ausdrucksstärke und Lebensfreude. Da trägt die Häsin ein zartes rosafarbenes Kleid, der Löwe ein weites, grün gemustertes Hemd und der Leopard ist, trotz seiner bunt gemusterten Kleidung, über und über mit hellen Flecken auf seinem dunklen Fell bedeckt. Die lässige Haltung der Schildkröte auf ihrem Stuhl wirkt sehr menschlich - und auch hier entsprechen Kleidung und Umgebung dem afrikanischen Stil. Die Gesichter der tierischen Darsteller wirken eher gleichförmig und starr; sie erinnern an Tiermasken und entsprechen damit der traditionsverhafteten Ausdrucksform dieser besonderen, noch jungen Kunstrichtung Tansanias.

John Kilaka zählt zu den bekanntesten Tingatinga-Illustratoren Tansanias. Ender der 60er Jahre wurde die tansanische Tingatinga-Malerei durch Edward Saidi begründet. Er kam auf die Idee, mit Fahrradlack auf quadratischen Spanplatten Tiere und Pflanzen zu malen. Viele griffen diese neue und doch so traditionell wirkende Kunstform auf und entwickelten sie weiter. Sie ist heute ein fester Bestandteil der tansanischen Kultur.

Fazit:

Der tansanische Autor und Illustrator John Kilaka beschert uns ein farbenprächtiges Buch über ein kluges, kleines und so manch törichtes, großes Tier. Die traditionelle, afrikansiche Geschichte zeigt Kindern, dass es Dinge gibt, die die Kleinen besser können als die Großen. Ein durch und durch liebenswertes Buch, das einen Hauch Afrika zu uns bringt und dennoch ganz auf der Wellenlänge seiner jungen Zielgruppe liegt.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Der wunderbare Baum

John Kilaka, NordSüd

Der wunderbare Baum

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