Ein großer Bruder und eine kleine Schwester, eine oftmals explosive Mischung, bei der nicht selten lauthals geschimpft und gestritten wird. Kurz, eine gewöhnliche Alltagssituation in einer Familie mit mehreren Kindern. Aber auch dem geduldigsten großen Bruder kann das mal zu bunt werden...
Luise ist eine kleine reizende, ebenso entschlossene wie unwiderstehliche kleine Schwester, deren ständige Präsenz den großen Bruder Jakob ganz schön auf die Nerven geht. Nie lässt Luise ihren Bruder in Ruhe, sie ist immer allgegenwärtig, sie tanzt in seinem Zimmer, sie spielt mit seinen Spielsachen und sie hopst auf seinem Bett. Jakob ist nie allein. Und dann hat die kleine Schwester auch noch immer das letzte Wort. Jakob möchte ausziehen, aber Luise sagt, "du bleibst trotzdem immer mein Bruder, das kannst du nicht ändern." Jakob ist verzweifelt und rennt mit seinem Buch aus dem Haus. Luise natürlich hinterher. Jakob schließt die Augen und stellt sich vor, Luise wäre ein Hund. Alles wäre so viel angenehmer: ein Hund würde nicht in seinem Zimmer tanzen, ein Hund würde nicht gegen seine Tür hämmern, ein Hund würde nicht den ganzen Tag reden, ein Hund würde überhaupt nicht reden.
Warum ist es plötzlich so still? Luise ist weg. Jakob sucht verzweifelt überall nach seiner kleinen Schwester. Plötzlich kommt ein komischer kleiner Hund direkt auf ihn zugerannt und schleckt ihm durch das Gesicht. "Luise?", fragt Jakob, "Wau!" bellt der Hund. Jakob ist total verwirrt und wünscht sich auf der Stelle seine kleine Schwester zurück und hofft, das sein heimlicher Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist.
Die Geschichte nimmt eine gute Wende. Luise fährt, auf dem Roller des neuen Nachbarsjungen fröhlich winkend, an Jakob vorbei und der kleine Hund verschwindet so schnell wie er gekommen ist. Glücklich und erleichtert verabschiedet sich Jakob von Luise: "Bis später!"
Eine charmant, warmherzige und witzige Geschichte über eine Alltagssituation, wie sie in Familien mit mehreren Kindern täglich vorkommt. Die Handlung wird in kurzen Sätzen erzählt und in Aquarell-Technik sehr gut in Szene gesetzt. Die Illustrationen sind sehr dynamisch und ergänzen den Text auf beeindruckende Weise. Wie zum Beispiel, wenn Luise gegen die Zimmertür ihres großen Bruders hämmert, zeigt ihr Schattenbild die Umrisse eines großen Elefanten. Das unterstreicht die Stärke und Ausdauer der kleinen hartnäckigen Schwester. Mit vielen kleinen authentischen Details laden die Illustrationen zu einem fröhlichen Wiedererkennen aller beteiligten "Leidensgenossen" ein - Eltern nicht ausgenommen. Auch halten sie so manche Neckerei parat, denn es fällt auf, dass der kleine Hund die gleiche Fellfarbe hat, wie der widerspenstige Haarschopf der kleinen Luise.
Am Ende ist Jakob so froh darüber, dass seine Schwester doch kein Hund ist - was man besonders an seiner Mimik erkennen kann - dass er vor Freude sogar einen Luftsprung macht.
Bemerkenswert ist dabei auch die klassische Wende der Handlung, die eine befriedigende Lösung für beide Charaktere findet, ohne die Einmischung der Eltern als höhere Instanz. Die Geschwister gestehen sich die Liebe zueinander ein und regeln ihr Bedürfnis, unabhängig voneinander zu sein, selbst. Geschwisterkonflikte haben oft keine tiefgründigen Hintergründe. Sie ergeben sich einfach aus der Nähe, die Familienmitglieder miteinander haben, denn Nähe erzeugt Reibung.
Fazit:
Große Brüder haben es nicht leicht - kleine Schwestern aber auch nicht."Bitte, Luise! Wenn die kleine Schwester nervt" ist ein sehr gelungenes Bilderbuch zu einem klassischen Familienthema, überzeugend durch die große Übereinstimmung zwischen Text und Illustration umgesetzt. Alltagsnah und humorvoll zeigen Autorin Frieda Wishinsky und Illustratorin Marie Louise Gay einen Geschwisterkonflikt, der sich am Ende, wie so oft, von selbst und ganz positiv auflöst.
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