Sally Jones

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonSep 2009

Idee

Kurzweiliges, reichbebildertes Buch, das von der ersten Seite an fesselt. Inhaltlich richtet es sich jedoch nicht speziell an Kinder und dürfte auch Erwachsenen eine willkommene Abwechslung sein.

Bilder

Die Illustrationen beeindrucken durch ihre Aufwendigkeit und ihren besonderen Stil. Der große Variations- und Einfallsreichtum in den markanten und atmosphärischen Darstellungen, setzen die den knappen Texte effektvoll in Szene.

Text

Entsprechend eines Berichtes, der die Stationen aus Sallys Leben benennt und beschreibt, ist die Sprache klar strukturiert, ein wenig distanziert und garantiert schnelle Leseerfolge. Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs.

Der schwedische Autor Jakob Wegelius führt uns mit seiner "Weltreise in Bildern" hundert Jahre zurück in die Kolonialzeit, mitten in ein tropisches Unwetter. In dieser Nacht wird ein kleines Gorilla-Mädchen geboren, das später als "Sally Jones" heimatlos um die Welt reisen wird...

Die Prophezeiung des Sippenältesten der Gorilla-Gruppe, dass Sally Jones für die Zukunft manches Unheil bevorsteht, sollte sich schon bald bewahrheiten, denn Wilderer nehmen das Gorilla-Baby gefangen. Sally landet auf einem Markt, wo ein türkischer Elfenbeinhändler sie für fünfzig Francs ersteht. Er reist zurück nach Istanbul. Um Zollgebühren zu sparen, gibt er das Gorillajunge als Menschenbaby aus und stellt einen falschen Pass für sie aus. Auf diese Weise erhält sie den Namen Sally Jones.

Die Verlobte des Elfenbeinhändlers, die Sally als Geschenk erhalten soll, ist von dem kleinen Affen überhaupt nicht begeistert. Sally landet schließlich in einem Basar und fristet ein trauriges Dasein. Nachdem der Händler schon fast die Hoffnung auf einen Käufer für Sally aufgegeben hatte, kommt eine Dame und kauft ihm das Gorillajunge für viel Geld ab. Frau Schultz, so der Name der tierlieben Witwe, nimmt sich zunächst liebevoll des klugen Gorilla-Mädchens an. Sally vergisst ihren zuvor erlittenen Kummer und bekommt mit allerlei Suchspielen jede Menge Abwechslung. Doch die Suchspiele werden immer verzwickter, denn die Tierliebe von Frau Schultz geht nur so weit, wie Sally ihr von Nutzen ist. Bald schon gibt es in Istanbul eine wahre Einbruchwelle - und niemand kann sich erklären, wie der Dieb eindringen konnte. Es sei denn, man kann klettern wie ein Affe... als Sally eines nachts in eine Polizeifalle tappt, macht sich Frau Schultz schleunigst aus dem Staub und überlässt Sally ihrem Schicksal. In einem engen Käfig im Istanbuler Zoo versucht Sally so lange es geht, von ihren Erinnerungen zu zehren. Zunächst ist sie sich sicher, dass Frau Schultz sie abholen kommt - oder dass es sie es auf jeden Fall würde, wenn sie könnte. Doch dann verblassen Sally´s Erinnerungen mehr und mehr. Erst die Gesellschaft eines Orang-Utans mit Namen Baba kann sie aus ihrer Lethargie befreien. Er hat schlimmes Heimweh nach seiner Urang-Utan-Familie und Sally Jones tröstet ihren neuen Freund so gut es geht. Durch die Verlegung an eine andere Stelle des Zoos, zeigt sich Sally sehr ungehalten und aggressiv. Die Pfleger haben keine Ahnung, was in dem Gorilla vorgeht und geben Sally schließlich an einen Zirkus ab, der damit wirbt, dass Sally ein besonders gefährlicher Gorilla ist. Doch dem ist natürlich nicht so. Sally landet schließlich bei dem Zauberer Magic Silvio, der ihr viele Aufgaben überträgt; sogar das Maschinenschreiben lernt Sally hier. Da sie nun auch lesen kann, studiert sie viele Bücher über die Heimat ihres Freundes Baba, den Dschungel von Borneo.

Als die Gelegenheit günstig ist, flieht Sally Jones, die auch Autofahren gelernt hat, mit dem Lastwagen zum Istanbuler Zoo. Dort befreit sie Baba auf spektakuläre Weise. Sie gehen als Blinde Passagiere an Bord eines Schiffes - mit Ziel Südostasien - werden entdeckt und vom Chief des Maschinenraums kurzerhand zur Arbeit rekrutiert. Als die "Otago" Schiffbruch erleidet, können sich Chief Koskela und die beiden Affen auf Borneo retten. Baba erkennt seine Heimat sofort wieder. Er und Sally Jones suchen und finden seine Orang-Utan-Familie. Doch auch hier ist Sally fremd und kann nicht bleiben. Mit gebrochenem Herzen muß Sally einsehen, dass Baba sie schon im dem Moment vergessen hatte, als er mit seiner Herde alleine weiterzieht. Vollkommen mutlos lässt sich Sally von Wildscheinjägern des Dayakvolks fangen und gelangt in die Hände des vorgeblichen Naturforschers Kaspar Meyer, der glaubt, eine wisseschaftliche Sensation entdeckt zu haben: Ein Gorilla in Borneo. Doch seine Forschungsexpedition endet mit dem Ruin seiner spendablen Tante und einem monatelangen Gefängnisaufenthalt, da er Kollegen angegriffen hat, die seine Behauptung, es gäbe eine neue Gorillaart auf Borneo, nicht bestätigen wollen. Verbittert verfällt der unfähige Forscher noch mehr dem Alkohol und lässt seine Wut tagtäglich an Sally aus, die er verprügelt. Eines Tages wehrt sich Sally. Meyer fällt dabei unglücklich und stirbt. Um die Beerdigung zahlen zu können, wird Sally an eine Bar verkauft und draußen angekettet. Doch dann kommt ein betrunkener, finnischer Seemann, der das kluge Gorilla-Mädchen Sally sofort wieder erkennt. ...

... doch hier ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende. Sallys Wege quer über die ganze Welt bleiben verschlungen und voller Beschwernisse. Wie so oft, wenn es scheint, als habe Sally Jones endlich den richtigen Platz gefunden, spült sie das Schicksal an einen anderen Ort. Eines aber sei hier verraten: So schlecht wie in der "Gorilla-Bar" geht es Sally fortan nicht mehr. Zwar bekommt die Geschichte am Ende einen Dreh, der uns Leser freudig mit Sally mitfiebern lässt - schafft sie es doch, der angeblichen Frau Schultz ein ganz empfindliches Schnippchen zu schlagen -, doch drängte sich mir im Verlauf der Geschichte die Frage auf, warum der schwedische Autor Jakob Wegelius seine Protagonistin so sehr hin- und herschubst. Die Antwort könnte ganz einfach lauten: Weil es unheimlich spannend ist! Und das gilt für Kinder als auch für Erwachsene gleichermaßen.

"Sally Jones - eine Weltreise in Bildern" wurde 2008 mit dem Augustpreis für das beste schwedische Kinderbuch ausgezeichnet. Entsprechend eines Berichtes, der die Stationen aus Sallys Leben benennt und beschreibt, ist die Sprache klar strukturiert und manchmal, durch seine Kürze, ein wenig distanziert. Dies hat zum einen den Effekt, dass gerade Leser ab acht Jahren sehr schnell in der Geschichte vorankommen aber es wirft auch die Frage auf, ob und wie weit Kinder mit Sally Jones mitfühlen werden. Jakob Wegelius´ Geschichte berührt die Welt der Kinder nicht. In der Welt der Sally Jones gibt es keine Kinder; sie lernt keine kennen und auch in den Illustrationen wird man vergeblich nach ihnen suchen. Sally Jones´ Geschichte erzählt vielmehr von der Erwachsenenwelt; von Wilderern, Dieben, Schlitzohren und nicht zuletzt von Menschen, die ihr Versagen an dem wehrlosen Tier auslassen.

Doch dieser oftmals gar nicht schöne Blick auf die Welt hat natürlich für Kinder seinen Reiz und lässt sie voller Neugier Sallys Geschichte verfolgen. Wenn so viel Ungerechtigkeit geschieht, möchte man doch endlich an den Punkt der Erzählung kommen, da Sally mit ihrem Schicksal versöhnt wird. Dieser Spannungsbogen zieht sich dann auch bis zum überraschenden Ende.

Die "Typen", die Wegelius hier zeichnet, sind in der Mehrzahl ebenfalls nicht schön anzusehen und zeigen im wahrsten Sinne des Wortes ungeschminkt und offen ihre verschlagene Natur. Der türkische Elfenbeinhändler, die Hochstaplerin Frau Schultz oder etwa der angebliche Wissenschaftler wirken allesamt höchst unsympathisch. Dagegen stellt Wegelius den Chief, der eher einen traurigen aber doch herzlichen Eindruck vermittelt.

Die Illustrationen von Jakob Wegelius beeindrucken durch ihre Aufwändigkeit und ihren besonderen Stil. Seine Bilder, eine Mischung aus Schwarz-Weiß-Zeichnungen mit Aquarell- und Pastellkreide, wirken wie Ausschnitte eines alten Kinofilms. Mit großem Variations- und Einfallsreichtum stattet er die einzelnen Stationen in Sallys Leben aus. Auf jede der immerhin 122 Seiten finden wir eine solche ganzseitige Illustration, in denen die Textpassagen eingerahmt sind. Die Verbindung zwischen dem kurzen Text und den erzählenden Bildern geht wunderbar auf. Mehr noch: Ohne diese Dichte an Illustration würde das Buch nicht funktionieren. Durch die markanten wie atmosphärischen Illustrationen von Jakob Wegelius entsteht eine Nostalgie, die unversehens in die Kolonialzeit zurückversetzt. Fast möchte man schon glauben, die hier geschilderte Geschichte hätte wirklich so passieren können. Doch Wegelius´ Fantasie macht an dieser Stelle keinen Punkt. Immer fantastischer werden die Fähigkeiten, die Sally im Laufe ihres Lebens erwirbt. Sie kann Schiffsmotoren warten, lesen, Schreibmaschine schreiben, Wäsche waschen - und lernt außerdem noch das Autofahren (was Kinder auch am allermeisten wundert und amüsiert). Doch eines hat die sanftmütige Sally nicht gelernt: Das Sprechen. In diesem Punkt hält sich das schwedische Multitalent Wegelius leider an die Realität. Denn andernfalls hätte Sally so manchem dummen Menschen wohl das Passende gesagt.

Fazit:

Ein Buch, bei dem jeder zweimal hinschaut. Hat man einmal einen Blick auf die Geschichte der "Sally Jones" geworfen, lässt einen dieses ergreifende und reichbebilderte Buch nicht mehr los. Selbst "Lesemuffel" dürften von dieser Lektüre gefesselt sein. Da dieses kunstvoll gestaltete Buch von Jakob Wegelius kein reines Kinderbuch ist, wird es, als echtes Liebhaberstück, auch unter den Erwachsenen begeisterte Leser finden.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

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