[ab 7 Jahren]
Prinzessin Fibi sieht nicht ein, dass sie nicht raufen, fluchen oder sich schmutzig machen darf. Sie findet ein Leben ohne Spass und Abenteuer sterbenslangweilig. Und was, bitte, ist schon so schlimm daran, dass sie gerne mit ihrem Werkzeugkasten herumwerkelt und sich dabei schmutzig macht? Eine Krone wäre dabei sowieso nur hinderlich. Doch dann ist ein echtes Abenteuer in Gestalt eines ziemlich schlecht gelaunten Drachens in Sicht...
... und dieser Unhold ist neben seiner Gefrässigkeit auch noch ganz schön zerstörungswütig. Das „Sündenregister" des Drachens wird immer länger - schließlich hat er fünf Schafe verschlungen, eine Scheune platt gemacht, mit seiner Schwanzspitze zwanzig Laternenpfähle abrasiert, die Drachentöter samt und sonders verprügelt und den halben Wald abgefackelt. Gespannt beobachtet Fibi, wie ein tapferer Drachentöter nach dem anderen in die Schlacht zieht. Siegesgewiss ziehen sie aus und wie ein Häufchen Elend kehren sie vom Kampf zurück - falls man diesen sehr einseitigen Schlagabtausch überhaupt so nennen kann.
Nun findet Fibi, ist es an der Zeit, dem Drachen mal ein paar Fragen zu stellen.
Mit ihrem Werkzeugkasten der Marke „Klopf & Hämmer", stürzt sie sich in das Abenteuer. Der Drache hat sich in einer Höhle verkrochen. Zunächst einmal muß Fibi dem Drachen eine schlechte Kinderstube vorwerfen. War er doch ziemlich ausfallend und hat -im wahrsten Sinne des Wortes - sehr erhitzt auf die Prinzessin reagiert. So zur Rede gestellt, ist der Drachen recht peinlich berührt und die beiden kommen ins Gespräch. Dabei stellt sich heraus, dass der Drache unter furchtbaren Zahnschmerzen leidet. Da fällt Fibi ihr allseits nützlicher Werkzeugkasten ein. Man kann sich denken, was sie mit der Beißzange, der Spitzzange und der Kombizange vorhat. Der Drache, der „ornamentöse, desaströse, katastrophöse Angst vorm Zahnarzt" hat, willigt am Ende zerknirscht ein. Fibi zieht dem Drachen den schmerzenden, faulen Zahn. Und siehe da: Dem Drachen geht es wieder gut. Und er tut, was ein dankbarer Drache tun muss: Er fliegt Fibi auf seinem Rücken zurück zum Schloss, wo Fibis Mutter bereits auf sie wartet.
Mit seiner neuen Serie für Erstleser, dem „Tulipan ABC", hat der Tulipan Verlag eine Buchreihe herausgegeben, die in drei Lese-Stufen A, B und C unterteilt ist. „Prinzessin Fibi und der Drache" gehört zu der Lesestufe B und eignet sich damit für Leseanfänger ab sieben Jahren.
Nun gibt es ja bereits einige erfolgreiche Erstlesereihen anderer Verlage, die, je nach Leseerfahrung, verschiedene Schwierigkeitsstufen anbieten. Ihr Ziel ist es, dem Alter entsprechende Anreize zum Lesen zu bieten, um Lesetempo und -umfang auf unterhaltsame Weise zu steigern.
Dies hat auch das „Tulipan ABC" mit den bisher bekannten Reihen gemein. Was also macht die neue Reihe vom Tulipan Verlag so besonders? Der Unterschied fällt sogleich beim Betrachten der, wie hier, sehr zahlreichen und hochwertigen Illustrationen auf, wie auch des schönen Formates, das dem Büchlein ein hochwertiges Erscheinungsbild gibt. Viele namhafte Autoren und Illustratoren haben sich an der neuen Reihe beteiligt und allerlei Themen aufgegriffen. Da gibt es Geschichten mit und über Cowboys, Superhelden und Wunschhunden ... und eben auch über unkonventionelle Prinzessinnen und ihre Drachenabenteuer.
„Die Kinder sollen gefordert, aber nicht überfordert werden. Neben den Mühen der Ebene muss es also immer wieder auch kleine Lesetriumphe geben." So die Autorin Gudrun Likar im Interview mit der Kinderbuch-Couch. Bei „Prinzessin Fibi und der Drache" werden auf spielerisch-leichte und humorvolle Weise Leseerfolge erreicht. Der anspruchsvolle und zugleich ungewöhnliche Sprachstil der Autorin fordert wirklich heraus und belohnt aber durch allerlei witzige und spannende Wendungen. Einfallsreich spielt Gudrun Likar mit Verben wie „abrasiert" oder „platt gemacht" und würzt ihre Erzählung mit witzigen Dialogen zwischen Fibi und dem Drachen, der offensichtlich eine Schwäche für dramatisch klingende Fremdwörter hat.
Kurz: Gudrun Likar würzt ihre Charaktere und ihre Geschichte mit so mancher unwiderstehlichen Eigenheit, dass der Spass trotz der Anstrengung vorprogrammiert ist. Schön, und auch von der Autorin selbst empfohlen, ist, wenn Eltern und Kind sich beim Vorlesen abwechseln.
Sabine Büchners lebendige Illustrationen begleiten den Text und erzählen selbst so manches Detail am Rande. Vor weissem Hintergrund „tummeln" sie sich um den Text - jedoch ohne das Gesamtbild jemals unruhig wirken zu lassen. Das liegt zum einen an den eher gedeckten Farben, die Sabine Büchner hier für ihre Stichzeichnungen verwendet hat, aber auch an den klaren Akzenten, die sie innerhalb der Geschichte setzt. Das macht es den Leseanfängern leicht, neugierig zu bleiben. Durch die gut bemessene Textmenge auf jeder Doppelseite ist zudem ein zügiges Vorankommen garantiert. Besonders gelungen ist Sabine Büchner ohne Frage der Drache. Mit seinem sehr rundlichen Körper, den viel zu klein geratenen Gliedmaßen und den runden Kulleraugen wirkt er alles andere als bedrohlich. Fibi, die in karierten Shorts, geringeltem Shirt und grossflächig gepunktetem Pullunder in Szene gesetzt wird (und trotzdem ein kleines Krönchen trägt), fällt durch ihre ruhige und überlegte Art auch in den Illustrationen auf. Eigenwillig wie ihre Kleidung ist auch ihr Verstand. Ist sie doch die einzige, die darauf kommt, der Ursache auf den Grund zu gehen, statt sofort in die Schlacht zu ziehen. Dabei leistet Fibi nicht zuletzt auch einen Beitrag zum Thema „Deeskalation" (der Drache würde dieses Wort lieben).
Fazit:
Gudrun Likar macht das Lesen für Kinder interessant: Sie fordert ohne zu überfordern, sie zeigt Einfallsreichtum und spielt mit der Sprache. Zusammen mit den Illustrationen von Sabine Büchner ergibt dies eine humorvolle und zugleich hochwertige Einheit, die Kinder mit viel Spass über so manche Lesehürde springen lässt. „Prinzessin Fibi und der Drache" ist ein rundum empfehlenswertes Buch für Leseanfänger und es macht neugierig auf die anderen Bände aus dem „Tulipan ABC".
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