11.2007 Sabine Ludwig, 1954 in Berlin geboren, ist Autorin etlicher bekannter Kinderbücher. Neben der bekannten Serafina-Reihe zählen vor allen Dingen die Bücher "Der Mädchentausch" (Buch des Monats August 2006 Schule in Baden-Württemberg), "Mops und Molly Mendelssohn" (Empfehlungsliste Evangelischer Buchpreis 2002) und der Kinderkrimi "Die Nacht, in der Mr Singh verschwand" (Empfehlungsliste Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen; Hansjörg-Martin-Preis für den besten deutschsprachigen Kinder- und Jugendkrimi 2005) zu ihren Meisterleistungen.

Es sind der ironische Stil, der Sprachwitz und der doch subtil hinterlegte Ernst in ihren Geschichten, die Jung und auch Alt zu fesseln vermögen.

Sabine Ludwig nimmt ihr Publikum ernst - und es gelingt ihr stets, sich auf dessen Ebene zu begeben. So kommt es, dass die kindliche Welt mit all ihren Problemen facettenreich aufgegriffen und dargestellt wird. Auch in ihrem neuen Buch "Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft" (Cecilie Dressler Verlag, 2006) begegnen wir einem kindlichen Protagonisten, dessen Leiden unter einer Lehrerin überzeugend nachzufühlen ist.

Doch nicht nur als Autorin ist Sabine Ludwig aktiv. Viele ihrer LeserInnen schätzen sie auch als Übersetzerin etwa von Kate Di Camillo. Für ihre Übersetzungen von "Winn-Dixie" und "Despereaux" war Sabine Ludwig 2002 und 2005 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Ein leidenschaftlicher Leser kann nur der werden, der beim Lesen eigene Bilder produziert.

Kinderbuch-Couch:
Frau Ludwig, Sie schreiben seit den 80-er Jahren Texte für Erwachsene und Kinder. Wie kamen Sie zum Schreiben?

Sabine Ludwig:
Ursprünglich wollte ich Lehrerin werden. Eine Zeitlang habe ich sogar an einem Berliner Gymnasium unterrichtet, aber nie eine feste Stelle bekommen. Ich hab mich dann mit Deutschkursen für Erwachsene über Wasser gehalten, bis ich mit dem Schreiben anfing. Den Berufswunsch Autorin hatte ich ursprünglich nicht.

Kinderbuch-Couch:
Seit einiger Zeit schreiben und übersetzen Sie ausschließlich Kinder- und Jugendliteratur. Was war Ihr Motor hierzu?

Sabine Ludwig:
Ich hatte zunächst viel für den Rundfunk geschrieben. Hörspiele, Literaturfeatures, alles Sachen für Erwachsene. Eines Tages fragte mich eine Redakteurin, ob ich nicht mal was für Kinder schreiben wolle. Zuerst konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Ich hatte keine Kinder und auch sonst nichts mit Kindern zu tun. Das einzige "Kind", das ich kannte, war ich selbst. Und meine ersten Geschichten ("Hier kommt Frieda") waren dann auch sehr autobiographisch geprägt.

Kinderbuch-Couch:
Welche Unterschiede haben Sie beim Schreiben für Erwachsene und beim Schreiben für Kinder festgestellt?

Sabine Ludwig:
Für Kinder zu schreiben ist weitaus schwieriger, finde ich. Man muss präzise sein, kann sich nicht hinter literarischen Stilmitteln verstecken, und man muss die Leser von der ersten Zeile an packen. Liest man als Erwachsener ein Buch, womöglich noch von einem berühmten Autor, dann ist man gewillt, die ersten 150 langweiligen Seiten durchzuhalten, in der Hoffnung, es wird besser. Kinder legen ein Buch sofort weg, wenn es ihnen nicht auf Anhieb gefällt.

Kinderbuch-Couch:
Was bedeutet das Übersetzen für Sie?

Sabine Ludwig:
Ich bin ja kein Vielschreiber, und wenn ich ein eigenes Buch beendet habe, bin ich erst einmal ganz leer. Es braucht dann einige Zeit, bis sich in meinem Kopf eine neue Geschichte eingenistet hat. In dieser Phase zwischen zwei Büchern liebe ich es zu übersetzen. Ich muss nicht darüber nachdenken, wie das Buch weitergeht, "nur" darüber, wie ich es bestmöglich ins Deutsche übertrage.

Kinderbuch-Couch:
... und haben Sie ein Buch besonders gern übersetzt?

Sabine Ludwig:
Die schwierigste, aber auch schönste Übersetzung war für mich "Despereaux" von Kate DiCamillo. Da ging es darum, jeder Figur eine eigene Stimme und damit auch eigene Sprache zu geben. Da habe ich manchmal Tage gebraucht, um den einen passenden Ausdruck zu finden. Aber es hat großen Spaß gemacht, und heute bin ich auf diese Übersetzung richtig stolz.

Kinderbuch-Couch:
Kinder als Publikum sind bestimmt besonders kritisch. Wie gehen Sie im Rahmen Ihrer Lesungen damit um?

Sabine Ludwig:
Natürlich entwickelt man, wenn man viele Lesungen macht, eine gewisse Routine. Man kennt seine Texte, weiß, welche Stellen besonders gut ankommen etc. Aber man hat nie das gleiche Publikum, weiß nicht, ob die Klasse (bei Schullesungen) gerade eine Mathearbeit geschrieben hat oder die Lehrerin nicht mag, die sie zu der Lesung begleitet. Man spürt aber sofort, wie die Stimmung ist, ob die Kinder sich auf einen freuen oder nicht. Wenn nicht, dann entwickelt man natürlich besonderen Ehrgeiz, versucht besser zu sein als nur gut. Wichtig ist auch, die Kinder ernstzunehmen, selbst wenn man zum tausendsten Mal dieselbe Frage gestellt bekommt.

Kinderbuch-Couch:
Erhalten Sie oft Leserpost von Kindern? Mit welchen Themen wenden diese sich an Sie?

Sabine Ludwig:
Meistens schreiben sie, wie ihnen ein Buch von mir gefallen hat. Seit man mir über meine homepage mailen kann, schicken mir die Kinder (fast immer Mädchen) auch oft selbstgeschriebene Geschichten und möchten meine Meinung dazu hören.

Kinderbuch-Couch:
Würden Sie aus Ihrer Erfahrung heraus sagen, dass die Kinder heute weniger lesen als früher?

Sabine Ludwig:
Die Kinder lesen anders als wir früher. Als ich Kind war, gab es Leser und Nichtleser. Ich gehörte zu den Lesern und konnte mir nicht vorstellen, auch nur einen einzigen Tag ohne Buch zu überstehen. Die Kinder von heute tummeln sich in allen Medien. Sie lesen, hören Cds, sehen fern, gucken sich was im PC an etc. Ich habe das bei meiner Tochter erlebt. Manchmal liest sie ein halbes Jahr keine einzige Zeile, dann aber innerhalb weniger Tage die dicksten Wälzer. Für mich wäre das unvorstellbar gewesen, aber ich hatte außer Büchern auch nur das Radio und später dann Fernsehen mit nur zwei Programmen.

Kinderbuch-Couch:
Gibt es Ihrer Meinung nach die Notwendigkeit zur Trennung der Kinderliteratur in eine Jungen- und eine Mädchenliteratur - wie oftmals von Lesemotivationsforschern gefordert?

Sabine Ludwig:
Noch vor kurzem hätte die Frage glatt verneint, ich erinnere mich noch an die piefige Unterscheidung in Mädchen- und Jungenbücher aus meiner Kindheit. Mädchenbücher habe ich prinzipiell nicht gelesen, das Etikett stand für langweilig und brav. Heute haben die Jungen das Problem, dass ihnen überall (im Kindergarten, in der Grundschule, sogar im Elternhaus) die männlichen Vorbilder fehlen. Da ist es nur legitim, wenn sie sich die dann in der Literatur suchen. Jetzt nun aber in den Buchhandlungen und Büchereien eine Trennung in Bücher für Jungs und solche für Mädchen einzuführen, halte ich jedoch für Blödsinn. Es gibt genug Autoren, die immer wieder beweisen, dass man Bücher schreiben kann, die von allen Kindern begeistert gelesen werden.

Kinderbuch-Couch:
Sie selbst haben als Kind gerne gelesen und sind Ihrer Tochter ein lesendes Vorbild. Was bringt die Kinder zum Buch?

Sabine Ludwig:
Ich habe als Kind nicht nur gern gelesen, ich war geradezu süchtig nach jeder Art von bedrucktem Papier. Ob Groschenroman oder Weltliteratur, egal, Hauptsache, es lief der Film im Kopf ab. Das ist, glaube ich, das Entscheidende. Ein leidenschaftlicher Leser kann nur der werden, der beim Lesen eigene Bilder produziert. Und genau das wird immer schwieriger, weil wir tagtäglich von fremden Bildern beballert werden. Ich gehe oft und gern ins Kino, aber wenn ich neulich wie im "Simpsons"-Film Mütter mit ihren Kleinkindern sehe, frage ich mich schon, was die davon mitnehmen außer vielen bunten Bildern, die sie überhaupt nicht verarbeiten können. Trotzdem gibt es glücklicherweise immer noch viele Kinder, für die es nichts Schöneres gibt, als sich mit einem Buch auf ihr Bett zu verziehen und abzutauchen. Ein guter Einstieg, damit Kinder zu leidenschaftlichen Lesern werden, ist sicher das Vorlesen. Damit kann man - im Gegensatz zu vielen anderen Sachen - gar nicht früh genug anfangen.

Kinderbuch-Couch:
Sie wünschen den heutigen Kindern mehr Langeweile. Wie meinen Sie das?

Sabine Ludwig:
Wer erinnert sich nicht an Regentage, an denen man am Fenster stand, sich zu Tode langweilte, weil man nicht raus konnte, weil keiner zum Spielen da war, die Eltern keine Zeit hatten und überhaupt ... Um dieser Langeweile zu entkommen, musste man sich irgendwas einfallen lassen. Hat vielleicht den schlimmsten Gestank der Welt zusammengemixt, ein Auto mit Explosionsantrieb gebaut, oder die Katze mit Hilfe von Mutters Augenbrauenstift in einen Leoparden verwandelt. Alles nicht unbedingt Dinge, die die Erwachsenen schätzen, aber Erlebnisse, von denen man ein Leben lang zehren kann.Heute langweilen sich Kinder nicht mehr. Wie auch? Ein Knopf gedrückt und schon ertönt eine CD, läuft irgendein Kinderprogramm oder fiept der Gameboy.

Kinderbuch-Couch:
Von sich selbst sagen Sie, dass Ihre Kindheit "keine glückliche" war. Welche Faktoren können eine Kindheit glücklich machen?

Sabine Ludwig:
Meine Kindheit war beides, eine glückliche und eine unglückliche. Eine glückliche, weil ich uneingeschränkte Freiheit hatte, jeden Tag losziehen konnte, um in einer Stadt, die damals noch vom Krieg geprägt war (Ruinengrundstücke, Bombentrichter, Abrisshäuser) immer wieder neue Abenteuer zu erleben. Unglücklich insofern als ich viel allein war, wenig Freunde hatte, in der Schule gemobbt wurde, von traumatischen Erlebnissen in Kinderheimen mal abgesehen. Aber wahrscheinlich war es genau dieses Unglück, das mich zum Schreiben gebracht hat. Ich habe mich als Kind immer in Phantasiewelten geflüchtet, wenn der Alltag gar zu schrecklich war.

Heute können wir unsere Kinder nicht einfach losziehen und sie Abenteuer erleben lassen. Nicht unbedingt, weil die Umwelt gefährlicher geworden wäre, sondern weil wir ein anderes Bewusstsein für die möglichen Gefahren entwickelt haben. Aber Eltern können mit ihren Kindern gemeinsam Abenteuer erleben. Das muss kein teurer Urlaub mit Kinderanimation sein oder der Besuch in einem Freizeitpark, manchmal reicht ein Spaziergang im Wald. Nur Zeit muss man sich dafür nehmen und genau daran fehlt es oft.

Kinderbuch-Couch:
Zu Ihrer Literatur: Ihre Figuren leben oftmals in einer "nicht glücklichen" Umgebung. Weshalb bieten Sie Ihren LeserInnen diese tragisch-komischen Helden an?

Sabine Ludwig:
Rundum glückliche, in sich ruhende Helden sind langweilig. Ich hab mir als Kind auch nie was aus Winnetou gemacht, der war mir einfach zu gut. Geliebt habe ich dagegen Tom Sawyer mit all seinen Schwächen und Ängsten. Ich könnte nie ein Buch schreiben, in dem die Hauptfigur nur positiv ist. Da fehlt mir wahrscheinlich das Vorbild, schließlich bin ich selbst alles andere als perfekt.

Kinderbuch-Couch:
Sie mögen Harro von und zu Donnersmarck, den Mops aus "Mops und Molly Mendelssohn", besonders gern. Gerade auch Kinder lieben diesen Antihelden. Wie erklären Sie sich das?

Sabine Ludwig:
Die Kinder lieben Mops, weil er ein Mops ist. Möpse an sich sind schon mal komisch, ihre Eitelkeit steht in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu ihrer Schönheit. Dieser Widerspruch reizt zum Lachen. Außerdem können die Kinder sich mit ihm identifizieren. Genau wie sie hat Mops eigentlich nichts zu sagen, kann den Lauf der Dinge nicht beeinflussen, mischt sich aber trotzdem ein und hat am Ende sogar Erfolg damit.

Kinderbuch-Couch:
Ihr neues Buch "Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft" , aber auch andere Ihrer Werke, stellen der Schule und auch manchen Lehrkräften kein gutes Zeugnis aus. Haben Sie Ihre Schulzeit so erlebt?

Sabine Ludwig:
Meine Schule (eine Grundschule mit angeschlossenem Gymnasium) war Baujahr 1936 und viele der Lehrkräfte stammten auch noch aus dieser Zeit. Ich erinnere mich an einen Sportlehrer, der die Jungs jeden Morgen über den Schulhof robben ließ. Meine erste Deutschlehrerin, ein Fräulein (darauf bestand sie) mit Dutt, gelben Zähnen und Damenbart, vergraulte jeden Schüler, der nicht aus einem akademischen Elternhaus kam (damals stand der Beruf des Vaters im Klassenbuch), weil sie ihn höherer Weihen nicht für würdig erachtete, unser Lateinlehrer schlug einem mit dem Schlüsselbund auf die Finger, wenn man eine Vokabel nicht wusste, der Mathelehrer (der auch Sportlehrer war, also gut zielen konnte) warf einem Kreidestücke an den Kopf, der Erdkundelehrer holte immer Mädchen im Minirock an die Karte, die dann Norwegen zeigen mussten (ohne Zeigestock wohlgemerkt), damit er sich an deren freigelegtem Hinterteil ergötzen konnte. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortführen.

Kinderbuch-Couch:
Weshalb sind Sie dann Lehrerin geworden?

Sabine Ludwig:
Aus dem Wunsch heraus, es besser zu machen. Ich hab mir eingebildet, die beliebteste, großartigste Lehrerin der Welt zu werden und dann sehr schnell feststellen müssen, dass das gar nicht geht. Es waren nicht mal die Schüler, die jeden Tag austesteten, wie gut meine Nerven waren, das Schlimmste waren die Kollegen. Soviel Zynismus und Unlust auf einen Haufen fand ich sehr schon sehr deprimierend.

Kinderbuch-Couch:
... und aus welchem Grund haben Sie diese Tätigkeit dann relativ rasch beendet?

Sabine Ludwig:
Zum einen bekam ich starke Zweifel, ob ich überhaupt Lehrerin sein wollte, zum anderen gab es - wie schon erwähnt - auch keine Stellen, schon gar nicht in meinen Fächern Deutsch und Französisch.

Kinderbuch-Couch:
Sie erleben nun als Mutter das deutsche Schulsystem. Hat sich Ihrer Meinung nach in diesem etwas geändert?

Sabine Ludwig:
Ein deutsches Schulsystem gibt es ja nicht. Meine Tochter geht in Berlin zur Schule und hier scheint sich in vierzig Jahren leider nur wenig geändert zu haben. Die Lehrpläne, vor allem in Deutsch sind immer noch dieselben wie zu meiner Zeit, nur dass "Kleider machen Leute" heute nicht mehr im Original gelesen wird, sondern in einer "didaktisch aufbereiteten", d.h. verstümmelten Fassung. Neu ist, dass die Lehrer von heute einen großen Teil ihrer Arbeitszeit nicht mehr in den Unterricht investieren können, weil sie sich mit irgendwelchem bürokratischen Ballast rumschlagen müssen. In erster Linie fehlt es jedoch an jungen Lehrern. Wir brauchen dringend einen Generationenwechsel, aber der findet nur schleppend statt. Dabei fehlt es nicht an ausgebildeten Lehrkräften, nur am Geld.

Kinderbuch-Couch:
Was könnte sich noch verbessern?

Sabine Ludwig:
Durch meine vielen Lesereisen komme ich glücklicherweise auch in Schulen, in denen man sich sofort wohlfühlt. Vom Gebäude und von der Atmosphäre her. Schulen, in denen sich die Lehrer für ihre Schüler über den Unterricht hinaus einsetzen, nicht auf Altbewährtem beharren, sondern neue Methoden ausprobieren, fächerübergreifenden Unterricht erproben, die starre 45-Minuten-Regelung aufbrechen und dergleichen mehr. Allerdings glaube ich nicht, dass so etwas von oben einfach verordnet werden kann. Jede Schule ist ein eigener Mikrokosmos, und am besten wissen die, die dort arbeiten, was not tut, woran es fehlt und welche Verbesserungen sinnvoll wären. Ich wünsche mir für die Schulen mehr Autonomie. Ich glaube, dann haben alle mehr Spaß, die Schüler und die Lehrer.

Kinderbuch-Couch:
In Ihrem Buch wird die von Felix so verhasste Mathelehrerin, Frau Schmitt-Gössenwein, in ihrer misslichen Situation menschlich durchschaubarer und sogar ein klein wenig sympathischer. War es Ihnen wichtig, auch den "Menschen" hinter einer unbeliebten Lehrerin zu zeigen?

Sabine Ludwig:
Natürlich, wobei mir wichtig war, dass sie schon auch so bleibt wie sie ist. Eine Lehrerin, die davon überzeugt ist, alles richtig zu machen und gar nicht merkt, was für Angst und Schrecken sie verbreitet. Frau Schmitt-Gössenwein sagt einmal auf Felix' Frage, warum sie Lehrerin geworden sei: "Es hat sich so ergeben." Genau das ist die Krux. Ich unterstelle keinem Lehrer, dass er den Beruf gewählt hat, um Kinder quälen zu können. Aber für viele ist das Lehrersein eine Notlösung. Wenn es nicht zum Profimusiker reicht, wird man eben Musiklehrer etc. Jetzt erwägt man ja Tests, mit denen die zukünftigen Lehramtsstudenten feststellen sollen, ob sie für den Beruf überhaupt geeignet sind. Ich bin gespannt.

Kinderbuch-Couch:
Kennen Sie aus Ihrer Schulzeit noch solche Lehrkräfte?

Sabine Ludwig: 
Die wirklich böse Lehrerin in dem Buch ist ja die über hundert Jahre alte Hulda Stechbarth und deren Vorbild war meine Deutschlehrerin, die damals schon aussah wie hundertfünf und angeblich noch immer lebt. Diese Frau (pardon: dieses Fräulein!) geisterte jahrelang durch meine Alpträume.

Kinderbuch-Couch:
In Ihrem Buch zeigen Sie auch nette Lehrkräfte wie die Kunstlehrerin Frau Frisch. Was macht Ihrer Meinung nach eine gute Lehrkraft aus?

Sabine Ludwig:
Begeisterung für das Fach, das man unterrichtet. Man sollte denken, dass die Lehrer zumindest das mögen, was sie mal studiert haben, aber das ist leider nicht immer der Fall. Dabei kann man mangelnde pädagogische Erfahrung oft wettmachen dadurch, dass man den Schülern einfach Leidenschaft für eine Sache vermittelt.

Kinderbuch-Couch:
Was wünschen Sie als Mutter, Lehrerin und als Kinderbuchautorin und -übersetzerin den heutigen Kindern in Bezug auf ihre Schulzeit?

Sabine Ludwig:
Entdeckungen. Es gibt nichts Schöneres, als wenn man plötzlich erfährt, wie sich etwas, von dem man immer annahm, dass es total uninteressant sein müsste, plötzlich als etwas sehr Aufregendes entpuppt. Mir ging das so mit Goethes "Faust" oder in Mathe mit dem Induktionsbeweis. Und ich wünsche ihnen kleine Klassen. Mit über dreißig Schülern in einer Klasse wird jedes Lernen (und natürlich auch Lehren) unmöglich gemacht.

Kinderbuch-Couch:
Herzlichen Dank für das Interview.

  

Dieses Interview führte Alexandra v. Plüskow.

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