06.2008 Mit seinen weltweit mehr als fünf Millionen verkauften Bilderbüchern gehört Klaus Baumgart zu den derzeit erfolgreichsten Bilderbuchautoren. Ob in Amerika, Europa, Australien, Neuseeland, Kanada oder Slowenien seine liebenswerten Figuren wie Tobi, Lenny und Twiek, allen voran aber Laura und ihr glitzernder Stern, sind schon heute nicht mehr aus unseren Kinderzimmern wegzudenken. Die weltweite Erfolgsgeschichte von "Lauras Stern" geht jedoch weiter: Schon 2009 kommt ein neuer "Lauras Stern" - Film in die Kinos und aktuell erschienen ist das Buch "Laura und der Freundschaftsbaum". Gerade abgeschlossen hat Klaus Baumgart sein neues Bilderbuch mit dem Titel "Elli Ungeheuer geheim" [erscheint September 2008 bei Baumhaus. Anm. d. Verf.], für das sich Warner Bros. schon jetzt die weltweiten Filmrechte gesichert hat.
Man muß bei jeder Geschichte etwas von der Seele des Autors spüren. Man muss es leben. 24 Stunden am Tag...
Kinderbuch-Couch:
Ihr neues Buch "Laura und der Freundschaftsbaum" ist gerade frisch erschienen, gleichzeitig läuft die 2. Staffel der TV-Serie "Lauras Stern" täglich im KI.KA und es soll ein zweiter "Lauras Stern"-Kinofilm in die Kinos kommen. Können Sie uns schon etwas über den Film verraten?
Klaus Baumgart:
Laura reist in dem neuen Kinofilm, der im Herbst 2009 in die Kinos kommt, nach Asien. Sie verliert ihren Stern und ein einheimisches Mädchen findet ihn. Der Stern wird von der Dunkelheit bedroht und gemeinsam kämpfen sie gegen die drohende Dunkelheit.
Ich wollte diesmal den Kindern die Möglichkeit geben Einblicke in einen andere Kulturkreis zu bekommen. Ihnen anschaulich machen, dass Kinder, die unter anderen Umständen aufwachsen, die selben Bedürfnisse haben und so für ein Miteinander zu werben.
Kinderbuch-Couch:
In welchem Masse haben Sie bei dem zweiten Film am Drehbuch mitgewirkt?
Klaus Baumgart:
Sehr intensiv, denn es war wichtig Laura in dem neuen Umfeld glaubwürdig darzustellen. Aber bei der Arbeit in einem Team, halte ich es auch für ganz wichtig, dass man abgeben kann und nicht versucht jeden Prozess zu beeinflussen, denn dann lässt man anderen Kreativen keinen Freiraum, um sich zu entfalten, und eigene Ideen beizusteuern. Am Ende muss das optimale Ergebnis stehen und da ist es mir nicht so wichtig, dass überall mein Name drauf steht. Entscheidend ist aber, dass man als Autor das ganze im Auge behält und darauf achtet, dass sich die Grundidee nicht verselbstständigt und in die falsche Richtung läuft. Ich finde es sehr schön, dass ich mit meinen Ideen etwas auslöse, dass dann von anderen weiterentwickelt wird.
Kinderbuch-Couch:
Der Kinofilm "Lauras Stern" war 2004 ein voller Erfolg und wurde 2005 als bester deutscher Kinder- und Jugendfilm ausgezeichnet. Gibt es oder gab es auch einmal Ideen zu einer Realverfilmung?
Klaus Baumgart:
Dadurch, dass die Filme aus einer gezeichneten Figurenwelt entstanden sind, haben die Kinder eine klare Vorstellung wie Laura und ihre Welt aussieht. Es war also naheliegend einen Zeichentrickfilm zu machen.
Kinderbuch-Couch:
Die Bilderbücher von "Lauras Stern" wurden mehr als zwei Millionen mal verkauft und sind in 30 anderen Ländern wie z.B. USA, England, Australien, Neuseeland, Kanada, Frankreich, Dänemark, Slowenien... erschienen. Was muss illustratorisch und textlich verändert oder angepasst werden, wenn "Lauras Stern" in anderen Kulturkreisen publiziert wird? Zu welchen Kompromissen wären oder waren Sie bereit, welche würden Sie nicht eingehen?
Klaus Baumgart:
Das faszinierende an Lauras Stern ist, dass es in allen Ländern und Kulturkreisen inhaltlich gleich gut funktioniert. Es wurde glücklicherweise bis auf eine Ausnahme nie etwas geändert. In der amerikanischen Ausgabe durften Laura und Tommy nicht gemeinsam in einem Bett liegen. Wenn so ein Änderungswunsch kommt, kann man das ja fast nicht glauben, aber dem Amerikanischen Verleger war es durchaus ernst.
Kinderbuch-Couch:
Nachdem Ihre Bücher und der erste "Lauras Stern"-Kinofilm so erfolgreich waren, wie gehen Sie persönlich damit um? Gibt es für Sie überhaupt so etwas wie Erfolgsdruck?
Klaus Baumgart:
Der Erfolg von "Lauras Stern hat mich schon überrascht, denn so etwas ist nicht planbar. Natürlich möchte man an einen bestehenden Erfolg anknüpfen. Aber das ist nicht die Motivation für mich ein Bilderbuch zu machen. Wenn ich eine Idee habe, möchte ich diese auch umsetzen. Die Frage was kann ein Kind mit dieser Idee anfangen, steht bei mir immer im Vordergrund.
In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass sich nur die wirklich guten Ideen durchsetzen. Wenn meine Idee das nicht schafft, leide ich nicht lange darunter, sondern versuche etwas anderes.
Kinderbuch-Couch:
Wahrscheinlich träumen viele Ihrer Kollegen davon, eine Figur zu entwickeln, die es schafft, um die Welt zu reisen und die Kinder und Erwachsene gleichermassen zu begeistern. Gab es einen Moment, in dem Sie wussten, "jetzt habe ich´s"?
Klaus Baumgart:
Das war auf der Frankfurter Buchmesse, als ich gemerkt habe wie positiv die ausländischen Verleger auf das Buch reagiert haben. Während der Arbeit an dem Buch hatte ich auch das Gefühl, dass es ein tolles Buch wird, aber das habe ich in der Arbeitsphase bei allen meinen Büchern, denn sonst würde ich sie nicht machen. Bei Lauras Stern ist es mir wie bei vielen meiner Bücher so ergangen, dass einige Ideen sich erst beim Illustrieren entwickelt haben. So war es auch mit der Idee, dass Laura den Stern mit einem Pflaster verarztet. Da habe ich gespürt, dass diese Geschichte einen besonderen Zauber hat. Die grossen Bilderbücher müssen es eben schaffen, sowohl Erwachsene als auch Kinder zu begeistern.
Kinderbuch-Couch:
Fühlen Sie aufgrund dieses weltweiten Erfolg so etwas wie eine Verantwortung gegenüber ihren jungen Lesern?
Klaus Baumgart:
Diese Verantwortung sollte man immer haben wenn man etwas für oder mit Kindern macht. Kommerzielle Zwänge sollten nie der Beweggrund sein.
Leider sieht es in der Realität oft anders aus. Auch mich hat der Erfolg zum Teil überrannt, so dass ich auf bestimmte Entwicklungen fast gar keinen Einfluss mehr habe.
Kinderbuch-Couch:
Wie hat sich Laura in den letzten Jahren aus Ihrer Sicht verändert?
Klaus Baumgart:
Ich hoffe nicht, dass sie sich verändert hat, denn nur so bleibt sie authentisch. Sie ist vielleicht etwas älter geworden und der Stern ist inzwischen ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens.
Kinderbuch-Couch:
Bis zu welchem Alter möchten Sie Laura begleiten? Denken Sie darüber nach, dass Laura irgendwann "zu alt" sein könnte und die Kinder von ihr Abschied nehmen müssen?
Klaus Baumgart:
Das schöne an Kinderbuchfiguren ist ja, dass sie immer Kinder bleiben können.
Kinderbuch-Couch:
Mit ihren Büchern, Fernsehserien und Kino-Verfilmungen begleiten Sie Ihr Publikum schon seit einigen Jahren. Welche Veränderungen haben Sie im Verhalten Ihrer Zielgruppe festgestellt?
Klaus Baumgart:
Durch den Einfluss neuer Medien haben sie oft keinen direkten Bezug zu Kinderbüchern. Das funktioniert heute oft über einen Umweg. Aber zum Glück wissen noch die meisten Eltern welchen positiven Effekt das Vorlesen eines Kinderbuchs hat. Leider fehlt den meisten Erwachsenen die Zeit sich mit Kinderbüchern auseinander zusetzen und dadurch neigen sie dazu, auf ein Medium mit dem die Kinder sich selbst beschäftigen können zurückzugreifen.
Kinderbuch-Couch:
Was sind für Sie besondere Erlebnisse im Zusammenhang mit Kindern und Ihren Geschichten? Was hat Sie besonders berührt?
Klaus Baumgart:
Der Brief eines Jungen aus England, der das Buch "Lauras Stern" so mochte, weil Laura keine Freunde hat und es ihm genauso geht, hat mich sehr bewegt. Oder auch der Brief einer Mutter deren Tochter "Lauras Stern" dabei geholfen hat, mit dem Tod des Grossvaters umzugehen. Ich habe auch einen Brief aus Amerika bekommen, in dem mir ein Mädchen, dass Laura Star heißt, geschrieben hat dass "Lauras Star" ihr Lieblingsbuch ist. Das fand ich toll, dass es wirklich eine Laura Star gibt.
Kinderbuch-Couch:
Das Lob an Sie ist ja, dass Sie in ihren Geschichten den Alltag im Blick haben. Sie müssen nicht "laut werden" und brauchen keine Spezial-Effekte, um Kinder in den Bann zu ziehen. Sie erzählen ganz souverän und leicht - und es ist trotzdem spannend. Es erfordert sicherlich sehr viel Disziplin bei der Arbeit, stets die Figur "Laura" im Fokus zu haben, ihre Weiterentwicklung fortzuführen. Waren und sind Ihnen die Erfahrungen aus Ihren anderen Berufsfeldern, wie das des Art Directors in der Werbebranche da hilfreich?
Klaus Baumgart:
Die Arbeit in einer Werbeagentur war in sofern hilfreich, dass ich eine nicht tragfähige Idee schneller loslassen kann. Bei der Agenturarbeit ist man ja nicht der eigene Auftraggeber. Das ist beim Bilderbuchmachen anders. Hier muß man bei jeder Geschichte etwas von der Seele des Autors spüren. Man muss es leben. 24 Stunden am Tag. Das ist für meine Familie manchmal nicht ganz einfach, wenn sie schon beim Frühstück mit meinen Ideen für eine Geschichte konfrontiert wird.
Meine Frau und meine Tochter sind ein wichtiger Einfluss auf meine Geschichten, denn hier spüre ich zum ersten Mal, ob eine Idee funktioniert.
Kinderbuch-Couch:
Sie unterrichten auch an der Design Akademie und an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Ist hier die Kinderbuch-Illustration ein Thema?
Klaus Baumgart:
Ich versuche natürlich meine Erfahrungen weiterzugeben. Und den Studierenden zu vermitteln wie wichtig bei der Entwicklung eines Kinderbuches das Eintauchen in die Welt der Protagonisten ist. Was essen sie, wie wohnen sie, was ist ihre Lieblinggsfarbe, haben sie Freunde usw. All das ist wichtig zu wissen, selbst wenn es in der Geschichte gar nicht vorkommt, denn nur so gelingt es eine eigene unbekannte Kinderbuchwelt zu kreieren.
Kinderbuch-Couch:
Wie müssen wir uns das vorstellen, wenn Klaus Baumgart arbeitet? Sind Sie zu Hause oder in einem Atelier außerhalb? Benötigen Sie eine bestimmte Atmosphäre und/oder eine bestimmte Tageszeit zum Arbeiten?
Klaus Baumgart:
Die Arbeit an einem Buch läuft bei mir in mehreren Stufen ab. Als erstes brauche ich eine Idee für eine Geschichte. Das ist völlig Ortsunabhängig, denn wann man so eine Idee bekommt kann man nur schwer beeinflussen. Die Ideen zu meinen Geschichten entstehen überall dort, wo ich mich aufhalte.
Wenn ich eine Grundidee habe, ziehe ich mich zurück, denn um die Ideen weiter zu entwickeln brauche ich Ruhe und möglichst wenig Ablenkung. Unser Hund sorgt dann dafür, dass ich viel spazieren gehe. In dieser Phase mache ich dann auch die ersten Skizzen. Wenn die Geschichte dann soweit steht, beginne ich mit der eigentlichen Illustrationsarbeit. Die farbigen Illustrationen mache ich zum grossen Teil in meinem Atelier in Berlin, denn dort habe ich meine Arbeitsmaterialien.
Kinderbuch-Couch:
Es gibt einige Figuren und Charaktere aus Ihrer Feder, die Kinderherzen begeistern; da sind zum einen Lenny und Twiek, zwei sehr niedliche und kindliche Forscher, Tobi, der kleine Drache und nicht zu vergessen die vielen Geschichten um "Lauras Stern". An welchem aktuellen Projekt arbeiten Sie gerde?
Klaus Baumgart:
Im Moment habe ich gerade mein neues Buch "ELLI Ungeheuer geheim", fertig bekommen und beim Verlag abgeliefert. In der Geschichte geht es um die Monster einer Geisterbahn, die in einem geheimen Raum innerhalb der Geisterbahn leben. Elli ein kleines Gespenstermädchen möchte gerne dort aufgenommen werden. Aber sie hat ein Geheimnis, das für einige Verwirrungen sorgt. Am überraschenden Ende stell sich heraus, dass auch die Monster ein Geheimnis haben.
Ich habe hier versucht, eine ungewöhnliche Welt mit ganz neuen Figuren zu entwickeln. Kinder sollen hier lachen aber auch die Erkenntnis bekommen, dass die scheinbar gruseligen Monster manchmal gar nicht so gruselig sind und dass man sich nicht verstellen muss um akzeptiert zu werden. Warner Bros. ist von der Idee so begeistert, dass sie sich schon die weltweiten Filmrechte gesichert haben.
Kinderbuch-Couch:
Nachdem Sie nach Ihrer Lehrzeit einige Jahre als Schriftlithograf gearbeitet haben, sind Sie für ein Jahr nach Asien gegangen. In welchem Land waren Sie und was hat Sie dazu bewegt, dorthin zu gehen? Erzählen Sie uns doch bitte ein wenig.
Klaus Baumgart:
Nach meiner Ausbildung, in der ich fast vier Jahre am Schreibtisch saß, wollte ich unbedingt etwas anderes machen. Das war in den 70er Jahren und mir ging es nicht alleine so, sondern ein grosser Teil der Jugendlichen wollte für sich ein neues Lebensmodell finden. Das war eine großartige Zeit, ohne Ängste ohne Zwänge. Ich habe in dieser Zeit meine Frau getroffen und gemeinsam haben wir beschlossen, nach Asien zu reisen. Wir sind auf dem Landweg über die Türkei, durch den Iran, Afghanistan und Pakistan nach Indien gereist. Damals ging das ohne Probleme. War aber trotzdem sehr abenteuerlich.
Wir haben dann längere Zeit in Benares am Ganges gelebt. Die Erfahrung, in einem Land wie Indien für längere Zeit an einem Ort zu leben und am Leben dieser Menschen teilzunehmen, hat mein gesamtes weiteres Leben geprägt. Wenn man einmal erlebt hat, dass das Leben nicht nur von materiellen Dingen bestimmt wird, Zeit eine andere Bedeutung bekommt, die Schönheit der Natur einen jeden Tag wieder aufs neue beeindruckt, man den ständigen Wechsel zwischen Leben und Tod hautnah miterlebt, lässt einen das nicht mehr los. Ich habe in dieser Zeit unglaublich viel gelernt. Man erlernt eine gewisse Gelassenheit unwichtigen Dingen gegenüber. Der Weg ist das Ziel, das wird dort wirklich gelebt.
Wir sind dann noch nach Nepal gereist und haben dann die Heimreise mit dem festen Vorsatz angetreten, in Deutschland etwas Geld zu verdienen, um dann so schnell wie möglich wieder zu kommen. Aber es kam alles anders. Wir sind in eine WG nach Ostfriesland gezogen, haben dort 7 Jahre gewohnt und sind dann nach Berlin gezogen, wo wir noch heute leben.
Aber mein Lebensmotto, das in Indien entstanden ist hat sich nicht geändert: Lebe den Moment.
Kinderbuch-Couch:
Herzlichen Dank für das Interview.
Dieses Interview führte Stefanie Eckmann-Schmechta.
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