06.2005 In der Mai-Ausgabe 2005 haben wir Ihnen das empfehlenswerte Kinderbuch mit dem ungewöhnlichen Titel "Die Geschichte vom Lastkran, der eine Schiffssirene sein wollte" - erschienen im NP-Buchverlag - vorgestellt.
Eine überraschende Kontaktaufnahme haben wir zum Anlass genommen, dem sympathischen, in der Lüneburger Heide aufgewachsenen Autor Mathias Jeschke ein paar Fragen zu seiner Person und natürlich zu seinem "Lastkran-Buch" zu stellen. Und so erfahren wir auch von den ersten Dichtkünsten seiner Tochter, von einer Flaschenpost auf langer Reise, vom lustigen Dackelbuch, das traurig macht und von dem ganz besonderen Moment, wenn ein Kinderbuchautor zum ersten mal die fertigen Bilder zu seinem Buch sieht. Aber lesen Sie selbst...
Kommt, lasst uns die Welt entdecken!, möchte ich den Kindern zurufen, auch dem Kind, das ich bin.
Kinderbuch-Couch:
Wie ist die Idee zu Ihrem Kinderbuch "Die Geschichte vom Lastkran der eine Schiffssirene sein wollte" entstanden?
Mathias Jeschke:
Die Titelformulierung stammt von Peter Rühmkorf, sie war das Wettbewerbsthema für den Würth-Literaturpreis im Jahr 2002. Als ich diese eigenartige Zeile, in der das Möwenzilfen ja schon zu hören ist, zum ersten Mal las, schlug mein Küstenherz höher. Ich wußte gleich: Das ist was für mich, dazu fällt mir was ein! Ich hab mich dann hingesetzt und die Geschichte aufgeschrieben, so wie sie für mich in diesem Thema schon enthalten war. Ich kann mich nicht daran erinnern, mir irgendetwas ausgedacht zu haben. Ich habe einfach nur aufgeschrieben, was mir diese neun Worte bereits erzählten. Mit dem so entstandenen Text hab ich den Wettbewerb dann - neben Stefanie Golisch und Harald Winter - gewonnen.
Kinderbuch-Couch:
Welche Botschaft möchten Sie den Kindern mit diesem Buch vermitteln?
Mathias Jeschke:
Eigentlich möchte ich viel lieber eine Geschichte erzählen als eine Botschaft vermitteln. Das Herausfiltern einer Botschaft überlasse ich gerne anderen.
Kinderbuch-Couch:
Welche Botschaften halten Sie für Kinder in der heutigen Zeit generell besonders wichtig, welche helfen ihnen, sich zu einer eigenständigen, starken Persönlichkeit zu entwickeln? Und welchen Beitrag möchten Sie als Kinderbuchautor dazu leisten?
Mathias Jeschke:
Ich sehe schon, jetzt muss ich doch ran. Sprachfähig und selbstbewusst sollen Kinder sein. Und sie sollen viel Freude haben. Nicht einfach Spaß im Sinne einer modischen Spaßgesellschaft und -industrie, sondern wirkliche Herzensfreude. Diese Freude ereignet sich natürlich auch in der Sprache. Unsere Tochter hat mit anderthalb Jahren ihr erstes Gedicht gemacht: Ich war dabei, sie zu wickeln und hatte mir eben eine Jacke übergezogen, weil mir kalt war. Sie schaute mich an und sagte: Jacke. Dann überlegte sie, hob den Hintern an, zeigte in die Richtung und sagte: Kacke. Das ist zwar nicht ganz stubenrein, aber lustig. Ich selbst hab immer wieder große Freude an solchen schnalzenden klanglichen Dingen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich einen kleinen Betrag zu leisten habe - was unsere Tochter und vielleicht noch ein paar andere Kinder angeht - im Hinblick auf diese Sprachfähigkeit. Die macht einen ja auch stark für eine Begegnung mit der aufregenden Welt. Und Sprachwitz weckt die Neugier im Geist eines Kindes. Sprache macht lebendig. Kommt, lasst uns die Welt entdecken!, möchte ich den Kindern zurufen, auch dem Kind, das ich bin. Es gibt so vieles, was ich selbst noch nicht weiß. Aber das Spielerische ist mir lieber als das Pädagogische.
Kinderbuch-Couch:
Katja Gehrmann unterstützt mit ihren Illustrationen wunderbar die Stimmung der Geschichte. Wie ist der Kontakt zu ihr entstanden?
Mathias Jeschke:
Ich hatte das Glück, mit einer nicht nur sympathischen und kompetenten, sondern auch noch äußerst kooperativen Programmleiterin und Lektorin zusammenarbeiten zu dürfen, Natalie Tornai vom NP Buchverlag im österreichischen St. Pölten. Von ihr bekam ich eines Tages eine Mail, ich möge doch mal Vorschläge machen für die Illustration meiner Geschichte. Da fielen mir gleich drei Illustratorinnen ein, die ich mochte: Wiebke Oeser, Jutta Bücker und Katja Gehrmann. Welche ich denn zuerst fragen würde? Da musste ich ein bisschen nachdenken, war mir dann aber sicher: Katja Gehrmann sollte es sein. Im Ungebürsteten ihrer Bilder nahm ich eine Verwandtschaft mit meiner Geschichte wahr. Der Text wurde ihr geschickt und sie sagte zu meiner großen Freude schnell zu.
Kinderbuch-Couch:
Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Autor und Illustrator eines Kinderbuches während der Schaffungsphase?
Mathias Jeschke:
Einige Zeit nach ihrer Zusage bekam ich von Katja Gehrmann ein Storybord im Miniformat. Das waren die per Kopierer verkleinerten und zu einem Buch zusammengeklebten Vorzeichnungen zu meiner Geschichte. Dieses Storybord, das etwa so groß war wie eine Streichholzschachtel, wenn auch nicht so dick, habe ich von Anfang an geliebt. Ich habe es in meinen Hemdbrusttaschen immerzu mit mir herumgetragen - bis ich es eines Tages als kleinen feuchten Klumpen aus der Waschmaschine fischte...
Auch der Verlag bekam natürlich ein solches Storybord. Von beiden Seiten hat Katja Gehrmann dann Rückmeldungen bekommen, vor allem sehr viel Lob. Dann begann die Zeit der Ausführung, in der ich mich erneut in Geduld üben musste, bis ich eines Tages die fertigen Bilder zu Gesicht bekam. Und das ist nun ein wunderbarer Moment. Alles , was danach kommt - auch das Buch, wenn auch bei diesem der Druck sehr gelungen ist - ist nur noch ein Abglanz und Schatten vom ersten Eindruck, den die frischen Bilder auf einen machen. Erstaunlich für mich als Autor, zu sehen, dass meine Figuren plötzlich begonnen hatten, einen eigenen, von mir unabhängigen Weg zu gehen. Die von mir etwas stiefmütterlich behandelte Mama Martens hat von der Illustratorin einen Extra-Erzählfaden bekommen, den sie nun in der Geschichte zu immer neuen Mützen, Pullovern und Schals für Vater und Sohn zusammenstrickt. Das gefällt mir sehr.
Kinderbuch-Couch:
Sie sind selber zur See gefahren. Erzählen Sie uns doch etwas mehr darüber.
Mathias Jeschke:
Das ist schnell erzählt. Während meiner Wehrpflicht bei der Marine war ich ein Dreivierteljahr auf See. Als Signalgast - so hieß das - hatte ich einen angenehm unmilitärischen Job und mit der Klappenbuchse Lichtsignale morsen kann ich noch heute. Ich hatte das Glück, auf einen großen Pott zu kommen und bin dann ein bisschen herumgeschippert, zumindest in hiesigen Gewässern. Um mal dieses Kreuz zu schlagen: Das Nördlichste war Hammerfest, das Südlichste Casablanca, das Westlichste die Äußeren Hebriden und das Östlichste - es war die Zeit des Kalten Krieges - Bornholm. Und elf Jahre nachdem ich das Schiff verlassen hatte, bekam ich über das deutsche Konsulat in Oslo einen Brief zugeschickt von einem neunjährigen Jungen, der auf einer kleinen Insel im Norden Norwegens lebte, er hatte eine Flaschenpost von mir gefunden. Die Flasche hatte in elf Jahren Hunderte von Seemeilen zurückgelegt. Und als ich sie über Bord schmiß, war der Junge noch gar nicht geboren.
Kinderbuch-Couch:
Sie arbeiten für die Deutsche Bibelgesellschaft. Gab oder gibt es bereits Pläne für ein religiöses Kinderbuch?
Mathias Jeschke:
Im Lektorat der Deutschen Bibelgesellschaft bin ich zuständig für den Kinderbuchbereich. So sind in der Vergangenheit bereits einige Bilderbücher mit Nacherzählungen biblischer Geschichten von mir bei der Deutschen Bibelgesellschaft erschienen. (Im Übrigen auch ein Band mit »Meeresgeschichten der Bibel« für Erwachsene - als Nachklapp zur Seefahrerfrage...) Das wird - soweit ich es absehen kann - auch in Zukunft der Fall sein. Ob ich darüber hinaus einmal ein so genanntes religiöses Kinderbuch schreiben werde - wie meine Frau, die Autorin Tanja Jeschke -, kann ich heute gar nicht sagen. Die Ideen, die ich für freie Projekte derzeit habe, gehen nicht in eine religiöse Richtung.
Kinderbuch-Couch:
Wieviel von Mathias Jeschkes Leben steckt in Jan Michel und seiner Familie? Gerade der Vater, Hans Heinz Martens, ist für ein Kinderbilderbuch sehr präzise charakterisiert.
Mathias Jeschke:
Vielleicht ist Jan Michel der aufgeweckte Junge mit einem klaren Blick auf die Verhältnisse, der ich manchmal gerne wäre. Und vielleicht ist Hans Heinz Martens der von der Arbeitswelt gefangene und mit einer saftigen Krise befasste Mann, der ich manchmal bin.
Kinderbuch-Couch:
Sind weitere Kinderbücher in Planung und wird es vielleicht sogar eine neue Geschichte von der Familie Martens aus dem Buch "Die Geschichte vom Lastkran,..." geben?
Mathias Jeschke:
Ich hab ein paar Ideen für Bilderbücher im Kopf und im Computer. Vielleicht finde ich sogar einmal die Zeit, die zu schreiben. Auch einen Roman für Kinder würde ich gern schreiben, der ist sogar schon fertig konzipiert. Familie Martens aber kommt in diesen Sachen nicht vor.
Kinderbuch-Couch:
Welche Kinderbücher haben Ihre Kindheit besonders geprägt?
Mathias Jeschke:
Es waren nicht viele Bücher, die ich als Kind angesehen oder gelesen habe. Im Bilderbuch war das die »Häschenschule« und das vermeintlich »lustige Dackelbuch« von Koch-Gotha, besonders die Geschichte von Waldi hat mich immer sehr traurig gemacht. Dann gabs noch eines, das hieß »Das schlimme Töfferl«, was ja nun wahrlich nicht sehr norddeutsch klingt. Und eine Geschichte mit einem aufgeräumten Jungen: »Hans kauft ein«, aber eigentlich hieß ja in meiner Zeit niemand mehr Hans. »Der glückliche Löwe«, den es ja jetzt wohl wieder gibt, gehörte auch dazu. In der Schulbibliothek hab ich mir dann »Emil und die Detektive« geliehen. Im Ausgang der Kindheit - zur Zeit irgendwelcher Ferien auf Sylt - erinnere ich noch Jo Pestum als Autor. Das Fernsehen war beinahe wichtiger als die Bücher. Und Comics spielten eine große Rolle. Das Lesen hab ich erst spät, dann aber mit Leidenschaft für mich entdeckt, da war ich schon siebzehn, ein Freund erzählte mir vom »Herrn der Ringe«. Da ging es dann los.
Kinderbuch-Couch:
Herzlichen Dank für das Interview.
Dieses Interview führte Stefanie Eckmann-Schmechta.
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