Monika Feth
05 | 2022 Interview zum Buch „Randvoll mit Glück“ mit Monika Feth
"Literatur erzählt vom Leben. In seiner ganzen Fülle. Es gibt kein Hell ohne ein Dunkel. Kein Lachen ohne Weinen. Und kein Glück ohne den Schmerz."
Kinderbuch-Couch.de: Wie hat sich die Idee zu Deinem neuen Buch entwickelt?
Monika: Es ist oft so, dass mir ein Erlebnis Jahre später wieder in den Kopf kommt und Thema für ein Buch wird. So war es auch bei meiner Begegnung mit diesem außergewöhnlichen Mädchen, das mich mit seiner Fröhlichkeit, seiner Freundlichkeit, seiner unglaublichen Fantasie und seiner Lebhaftigkeit fasziniert hat. Dieses Mädchen hatte das Down-Syndrom.
Doch zunächst einmal habe ich eine ganze Reihe von Psychothrillern geschrieben. Dann kam die Corona-Pandemie. Viele Menschen erkrankten, viele starben. Unser ganzes Leben veränderte sich von einem Tag auf den andern. Als ich überlegte, was ich als Nächstes schreiben wollte, merkte ich, dass mir in dieser Situation nicht nach einem Thriller mit Mord und Totschlag war, sondern nach dem Gegenteil. So entstand Randvoll mit Glück.
Kinderbuch-Couch.de:Das Buch hat viele Elemente einer typischen Patchwork-Familiengeschichte. Welche Schwierigkeiten erwarten Kinder, wenn ein neuer Partner mit Kindern in die Familie kommt?
Monika: Wenn Eltern sich trennen, bricht für die Kinder die Welt auseinander. Sie sind traurig, wütend, entsetzt, verzweifelt, hoffnungslos, fühlen sich schuldig – alles auf einmal. Der Schmerz wird mit der Zeit kleiner, aber die Lücke bleibt. Ein neuer Partner kann sie nicht füllen. Er kann nur seinen eigenen Platz in der Familie finden.
In Randvoll mit Glück reagieren die Kinder sehr unterschiedlich. Amy freut sich wie eine Schneekönigin auf die zukünftigen Geschwister, während Suri und ihre Brüder sich heftig gegen den Umzug zum Freund der Mutter wehren. Plötzlich explodieren wieder die Gefühle: Eifersucht, Ablehnung, Einsamkeit, Sehnsucht nach der Zeit, als alles noch im Lot zu sein schien …
Kinderbuch-Couch.de: Nun bringt Klaas, der neue Freund von Suris Mutter, eine Tochter mit Down-Syndrom in die Beziehung mit. Inwiefern beeinflusst Amys offene und unbedarfte Art das Zusammenfinden der neuen Familienkonstellation?
Monika: Amy kann das Zusammenleben in der neuen Familie kaum erwarten. Als Einzelkind ist sie immer zwischen Mutter und Vater gependelt und möchte endlich Wurzeln schlagen, am liebsten in den Schlossgebäuden, in denen der Vater arbeitet und lebt. Ihr Herz ist groß genug, dass alle darin Platz finden könnten. Auch das Schloss mit seinen vielen Nebengebäuden bietet Raum genug. Doch die Wünsche und Vorstellungen der einzelnen Figuren sind zu verschieden.
Obwohl Amy massiv unter den Einschränkungen leidet, die das Down-Syndrom verursacht, ist sie voller Lebenslust. Es ist ihr unmöglich, sich zu verstellen. Sie ist absolut ehrlich, selbst wenn sie damit aneckt. Ihre Energie und die Offenheit, mit der sie ihre Gefühle auslebt, stoßen nicht bei jedem auf Gegenliebe. Neben dem Zauber des Lebens auf dem Schlossgelände ist es Amys Hartnäckigkeit und ihrer Sehnsucht nach Familie und Freundschaft zu verdanken, dass sich schließlich auch die anderen ihren Gefühlen stellen.
Kinderbuch-Couch.de: Dass das Down-Syndrom keine Krankheit ist, ist vielen nicht klar. Gerade Kinder gehen aber unvoreingenommen an Betroffene heran. Warum ist es dennoch wichtig, das Thema Down-Syndrom in Kinderbüchern zu verpacken?
Monika: Literatur erzählt vom Leben. In seiner ganzen Fülle. Es gibt kein Hell ohne ein Dunkel. Kein Lachen ohne Weinen. Und kein Glück ohne den Schmerz. Amy zeigt das am deutlichsten. Sie tanzt und lacht, sie singt und schreit ihre Wut hinaus. Sie ist schwierig und anstrengend und zauberhaft und fordert die Gefühle der Menschen heraus, obwohl sie sie manchmal kaum erträgt. Sich ihr zu nähern (auch beim Schreiben), macht glücklich.
Kinderbuch-Couch.de:Ist es Dir schwergefallen, aus Amys Sicht zu erzählen?
Monika: Überhaupt nicht. Ich liebe es, mich in meine Figuren hineinzuversetzen. Sie möglichst nicht zu lenken, sondern ihnen zu folgen. Das ist faszinierend und ungeheuer spannend. Dem Mädchen von damals zu begegnen, war ein Geschenk. Ebenso, wie es ein Geschenk gewesen ist, Amy zu begegnen.
Kinderbuch-Couch.de: Was darf der Leser/die Leserin allgemein aus Deinem Buch mitnehmen?
Monika: Vielleicht die Erkenntnis von Suris Opa: „Jeder Mensch sollte etwas in sich finden, das sich in Glück verwandeln kann.“
Und zum Schluss noch ein paar Shorties:
Kinderbuch-Couch.de: Liebste/r Kinderbuch-Autor/in?
Monika: Da gibt es viele. Zu viele, um sie alle aufzuzählen.
Kinderbuch-Couch.de: Liebstes Kinderbuch?
Monika: Pezzettino aus dem wundervollen kleinen Bilderbuch von Leo Lionni, dem Lieblingsbuch meines Sohnes, als er klein war. Ich habe es bestimmt eine Million Mal vorgelesen. Es ist ganz zerfleddert und ich liebe es noch immer heiß und innig.
Kinderbuch-Couch.de: Liebste/r Protagonistin eines Kinderbuchs?
Monika: Pippi Langstrumpf und etliche andere. Ich verliebe mich bei fast jedem Buch, das ich lese, in eine der Figuren.
Kinderbuch-Couch.de: Welche Deiner Figuren ist Dir am ähnlichsten?
Monika: Merle in meinen Erdbeerpflücker-Thrillern. Weil sie ein bisschen so ist, wie ich früher war, und ein bisschen so, wie ich immer sein wollte.
Das Interview führte Kathrin Walther im Mai 2022.
Foto: © Mattias Jung.
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