Danny Beuerbach
03 | 2020 Sigrid Tinz im Gespräch mit Danny Beuerbach, Autor des Buches „Der magische Frisör“. Dieser Frisör lässt sich während des Haarschneidens von seinen kleinen Kunden vorlesen; und sobald die Kinder mit dem Vorlesen beginnen, verzaubert sich dessen Salon.
Zu sehen, wie die Kinder von Zeile zu Zeile mehr aufblühen und ihren Auftritt sichtlich genießen, ist für mich die größte Freude.
Kinderbuch-Couch.de: Lieber Danny Beuerbach, eigentlich sind Sie kein Kinderbuchautor, sondern Frisör. Und sie sind auch gleichzeitig die Hauptfigur, der magische Frisör Danny. Fühlen Sie sich gut getroffen vom Illustrator?
Danny Beuerbach: Oh ja! Da hat der Illustrator Patrick Wirbeleit wirklich großartige Leistung gezeigt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, als ich die ersten Entwürfe gezeigt bekommen habe. Ich war echt baff und bin fast vor Freude ausgerastet. Ein echt schöner Moment. Das Verrückteste dabei ist, dass Patrick Wirbeleit und ich uns erst viel später persönlich kennengelernt haben; und er mich komplett frei und ohne wirkliche Vorlage gezeichnet hat, nur mit dem, was er via meinen Socialmedia-Accounts zu Gesicht bekommen hat. Klar, man hätte mich jetzt auch in einer anderen Art und Weise zeichnen können, die meisten Illustratoren haben ja nicht nur einen Stil. Aber jetzt wurden die Zeichnungen am Ende genau so, wie ich sie mir vorgestellt habe - und irgendwie sogar noch besser. Für mich war das wirklich ein magischer Moment. Übrigens: Der Illustrator bevorzugt das Wort „malen“ statt zeichnen, aber psssst! (lacht)
Kinderbuch-Couch.de: Der Frisör in Ihrem Buch hat eine goldene magische Schere, mit der er - „schnapp“ - zaubern kann. Wünschen Sie sich das manchmal für Ihren Arbeitsalltag?
Danny Beuerbach: Ganz oft! Aber nicht immer. Könnte ich im realen Leben so zaubern wie im Buch, glaube ich, würden mir irgendwann die Herausforderungen fehlen und ich würde fachlich einschlafen. Wir Friseure haben ja oft damit zu kämpfen, dass der Kunde genau das Komplementäre zu dem haben will, was er hat. Ganz egal, welche Struktur, Farbe oder Haardichte. Aber genau hier liegt auch das Schöne an meinem Beruf: Die Möglichkeit, das Unmögliche möglich zu machen. Das klappt zwar nicht immer gleich auf Anhieb aber mit einem guten Plan und Disziplin bekommt man das alles hin. Ich selbst arbeite gerne in Etappen - das ist mein realer Zauber.
Und bei Kindern ist das Vorlesen meine Magie: Es ist tatsächlich so, dass Kinder, besonders bewegungsfreudige Kinder, weniger „rumzappeln“ oder ständig fragen, wie lang es noch dauert, wenn sie während dem Haareschneiden vorlesen. Ich kann‘s nur schwer beschreiben, aber da passiert plötzlich ganz viel: Für die Kinder ist es ganz aufregend, vor einem Publikum zu lesen. Zu sehen, wie die Kinder von Zeile zu Zeile mehr aufblühen und ihren Auftritt sichtlich genießen, ist für mich die größte Freude. Das Lesen vor dem Publikum gibt ihnen mehr Selbstsicherheit und führt sie spielerisch ans Lesen heran - zusätzlich motiviere ich die Eltern so dazu, ihre Kinder zu fördern. Dazu kommt: In einem Friseursalon herrschen ganz andere Rahmenbedingungen als z.B. bei Nachhilfe-Instituten. Beim Vorlesefriseur wird gequatscht, man teilt sich mit und lacht. Hier entsteht Atmosphäre, so dass selbst leseschwächere Kinder entspannen und Freude empfinden.
Kinderbuch-Couch.de: Das ist Ihre Leseförderungsaktion „BOOK A LOOK_ and read my book“, die Sie gestartet haben. Wie entstand die Idee dazu?
Danny Beuerbach: Ich hatte mir vorgenommen, wieder mehr zu lesen, bin aber nie dazu gekommen. So entstand der simple Gedanke: „Wenn ich schon nicht selbst zum Lesen komme, dann lass ich mir einfach etwas vorlesen! Im Salon, beim Arbeiten, während des Haareschneidens.“ Also nahm ich eines Tages einfach ein Buch mit in die Arbeit und bat meine Kunden, mir daraus vorzulesen. Und Kindern gebe ich Rabatte, wenn sie mir aus einem Buch vorlesen, solange ich ihnen die Haare schneide. Das funktioniert so gut, dass ich Mitstreiter und Nachahmer suche für das „Literarische Haareschneiden“. Mein großer Wunsch ist es, weitere Friseure zu finden, die genauso wie ich, im Salon vergünstigt Haarschnitte vergeben, wenn Kinder ihnen dafür vorlesen. Und ich arbeite momentan mit verschiedenen Ämtern, Vereinen und dem Verlag daran , mit der Aktion auf Tour zu gehen. Das Konzept funktioniert ja nicht nur in Friseursalons. Sondern der Friseur kann ja auch zu den Kindern und zu den Leuten kommen, als Pop-up-Salon. Zum Beispiel in Büchereien, Buchhandlungen, Schulen und sozialen Einrichtungen. Ziel ist es, Kinder nachhaltig zurück an die Bücher zu bringen.
Kinderbuch-Couch.de: Haben Sie als Kind denn gerne gelesen?
Danny Beuerbach: Nein. Ich habe nicht gerne gelesen. Und das Vorlesen war noch viel schlimmer. Es war eine Qual. Heute schaut es anders aus und bei mir stapeln sich die Lieblingsbücher. Ich verrate Ihnen auch warum: Ich lese zu 99% nur noch das, was mich wirklich interessiert. Denn, und das nehme ich aus meiner Kindheit mit, es gibt es nichts Schlimmeres, als über Dinge zu lesen, die einen langweilen oder nicht interessieren.
Kinderbuch-Couch.de: So wenig gerne wie manche Kinder lesen, gehen manche Kinder auch zum Frisör. Wie war des bei Ihnen?
Danny Beuerbach: Meine ersten eigenen Erfahrungen als Kunde beim Frisör waren auch weniger schön. Und das lag nicht nur an meiner Haarpracht... (lacht). Ich fand’s einfach unangenehm, als kleiner Junge vor so einem riesigen Spiegel zu sitzen, hinter mir ein Fremder, dann kurz Schnipp schnapp – und ich sah immer blöder aus als davor. Und das Ganze noch vor diesen vielen Zuschauer ringsherum. Ob ich damals schon den Wunsch hatte es mal anders oder vielleicht mal besser zu machen, weiß ich nicht mehr. Dass Friseur mein Traumberuf wurde kam erst viel, viel später. Was mich dazu bewegt hat, Friseur zu werden, war wohl die Freude an Veränderungen. Und die eigentliche Passion kam erst, nachdem ich die Möglichkeit hatte, in verschiedenen Städten, Länder und Kulturen mitzuarbeiten und somit mehr und mehr über das Material „Haar“ zu lernen. Heute hilft mir das global-erlernte viel im Alltag. Und das nicht nur fachlich. Denn es gibt da eine Kommunikation ohne Worte, die ist ganz wichtig. Besonders bei Kindern.
Kinderbuch-Couch.de: Jetzt sind Sie Autor UND Frisör - und es könnte passieren, dass ein Kind Ihnen aus Ihrem Buch über Sie vorliest, während Sie ihm die Haare schneiden…
Danny Beuerbach: Die Situation, mir aus dem Magischen Frisör vorlesen zulassen, gab es mittlerweile schon öfters. Es ist immer wieder aufs neue ein komisch-aufregendes Gefühl. Mich jedoch daran gewöhnen werde ich wahrscheinlich nie. Genauso wenig wie die Betitelung als „Autor“. Klar stammt die Idee mit dem Buch von mir. Aber ohne alle anderen wäre daraus nie so etwas Tolles geworden, wie es jetzt ist: Ein rundum schönes, buntes und auch genderneutrales Buch – das auch noch genau die richtige Länge hat, um es während eines Haarschnitts komplett vorzulesen.
Das Interview führte Sigrid Tinz im März 2020.
Fotos: © Danny Beuerbach
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